Aschheim:Hauptsache Spaß

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In Aschheim findet am Wochenende ein besonderes Golfturnier statt. Je ein Spieler der Jugendmannschaft und der Handicap-Stars treten gemeinsam im Team an. Ursula Haller-Mayr ist mit dabei. Sie sagt, sie habe durch das Training neuen Lebensmut gewonnen

Von Franziska Bohn

Rums" - der Golfball rast über den Platz und landet nach gut 50 Metern auf dem Rasen. "Das war ein guter Schlag", sagt Ursula Haller-Mayr. Sie nimmt sich den nächsten Ball aus dem grünen Bällekorb und legt ihn vor sich auf die Abschlagstelle. Jetzt sind noch etwas mehr als 20 Bälle übrig. Haller-Mayr stellt sich vor den Ball, tippelt von einem Bein auf das andere. Sie fokussiert den Ball, schluckt, presst ihre Lippen zusammen und: "zack", der Ball fliegt wieder über den Platz. Dieses Mal kullert er nur einige Meter weit. "Das habe ich schon beim Abschlag gehört, dass der nichts wird", sagt sie.

Ursula Haller-Mayr ist 61 Jahre alt, seit zehn Jahren spielt sie Golf. Angefangen hat sie damit erst nach einer Erkrankung. Vor zwölf Jahren erlitt sie eine Gehirnblutung. Danach war sie halbseitig gelähmt, saß ein halbes Jahr im Rollstuhl, musste neu essen, laufen, reden lernen. Sie war deprimiert, konnte viele Dinge nicht mehr so machen wie früher. Sie schiebt sich eine dunkle Strähne hinter das Ohr, dehnt ihren rechten Arm, der immer noch nicht so beweglich ist wie früher und läuft zurück zu dem Korb mit den Golfbällen. Wenn sie geht, zieht sie ihr rechtes Bein nach. Das Golfen hat ihr neuen Lebensmut gegeben. Ursula Haller-Mayr hat freundliche Augen, die sie leicht zusammenkneift, wenn sie lacht. Sie sagt sich: "Mir egal, ich spiele einfach wie der Rest". Anfangs schaffte sie nur zwei Schläge, dann brauchte sie eine Pause. Heute hält sie die komplette Trainingseinheit durch.

Brian Burger ist durch Ursula Haller-Mayr zur Mannschaft der Handicap-Stars im Golfclub Aschheim gekommen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Ursula Haller-Mayr gehört zu den Handicap-Stars, das ist eine Golfmannschaft des Golfpark München-Aschheim, in der Menschen mit Behinderung spielen. Jeden Freitag trainieren sie gemeinsam in Aschheim unter Anleitung von Golftrainerin Elizabeth Höh, die sagt: "Mir ist der Inklusionsgedanke sehr wichtig. Es soll kein Unterschied zwischen Menschen gemacht werden. Es ist normal, dass es eben Menschen gibt, denen zufällig ein Arm fehlt, die blind oder gehörlos sind."

Zuhause in Kirchheim hat Haller-Mayr einen Bauernhof, sie hat immer viel Sport an der frischen Luft gemacht. "Es ist wunderbar, in der Natur zu sein und gleichzeitig seinen Körper zu trainieren. Reha machte mir keinen Spaß", erklärt Haller-Mayr. Sie brachte auch Brian Burger in diese Golfmannschaft, sie haben im selben Fitnessstudio trainiert. Haller-Mayr sah ihn alleine dort trainieren: "Er schaute so traurig, da habe ich ihn einfach angesprochen", erzählt sie. Zunächst war Burger skeptisch, doch das Probetraining hat ihm sofort gefallen: "Das war super, ich war total fasziniert. In der Gruppe kann ich ganz ungezwungen reden", sagt er, seine Augen leuchten. Jeder in der Mannschaft hat eine Einschränkung, oder Herausforderung, wie Burger sagt. Er selbst hatte mit Mitte 20 nach einem Unfall einen Schlaganfall und war danach halbseitig gelähmt. Mittlerweile kann er wieder laufen, seine Hand blieb gelähmt und ist noch immer sehr eingeschränkt.

Der Sport hilft Burger und Haller-Mayr, besser mit ihrer Erkrankung umzugehen und neue Lebensfreude zu finden. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Laut Höh sei das Golfen auch gut für das Selbstbewusstsein: "Brian kam kaum mehr raus, durch das Golfen ist er wieder sozial integriert". Burger freut sich die ganze Woche auf das Golftraining: "Wenn man einmal einen guten Schlag hatte, dann brennt sich dieses Gefühl ein, man will das wieder schaffen. Das macht süchtig", sagt er. Haller-Mayr betont zusätzlich die Auswirkungen des Golfens auf die physische Gesundheit. "Golfen trainiert mein Gleichgewicht und meine Stabilität. Ich kann jetzt zum Beispiel sicherer stehen". Auch Burger sieht noch mehr Vorteile: "Mental bringt es mir bei, locker zu bleiben. Wenn ich daneben schlage, mache ich trotzdem weiter".

Trainerin Höh erklärt, Golfen sei die ideale Sportart für Menschen mit Behinderung, weil der Ball ruht und die Spieler sich konzentrieren können, bevor sie auf ihn einwirken. Das sei bei anderen Ballsportarten wie Fußball oder Basketball nicht so. Trotzdem, das Golfen bleibt eine Herausforderung für die Spieler: Höh stellt sich neben Haller-Mayr, um ihre Haltung zu korrigieren: "Du schlägst zu schnell", sagt sie und führt ihren Arm, um Haller-Mayr den richtigen Ablauf zu zeigen, ihre rechte Seite ist noch immer in der Bewegung eingeschränkt. "Aber schau doch mal, ich habe mir extra neue Griffe an meine Golfschläger machen lassen", antwortet sie.

Die wird sie am Sonntag, 10. September, gut gebrauchen können. Dann findet in Aschheim ein besonderes Golfturnier statt. Ein Spieler aus der Jugendmannschaft des Clubs kämpft dabei gemeinsam mit einem Golfer mit Behinderung im Team um das beste Punktergebnis. So ein Turnier hat es in dieser Form noch nicht in Deutschland gegeben. Durch das Prinzip der Handicaps spielen außerdem alle Spieler auf Augenhöhe: Ein sogenanntes Handicap ermöglicht die Vergleichbarkeit der Spielergebnisse verschieden starker Spieler. Das Handicap sagt aus, wie viele Schläge der Spieler zusätzlich benötigt, um alle Bahnen eines 18-Loch-Golfplatzes zu spielen. Ursula Haller-Mayr hat sich keine hohen Ziele für den Tag gesteckt: "Durch das Golfen habe ich meinen Spaß am Leben zurückgewonnen, Erfolg ist da bei mir zweitrangig", sagt sie.

© SZ vom 07.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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