Aktionstag in Oberhaching:Das Herz vergisst nicht

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Bei der Veranstaltung "Demenzfreundliche Kommune" in Oberhaching geht es auch um den Respekt gegenüber Betroffenen

Von Nadja Tausche, Oberhaching

Was man bei der Betreuung von Demenzkranken beachten soll, und welche Hilfe man selbst in Anspruch nehmen kann, haben Angehörige beim Aktionstag "Demenzfreundliche Kommune" am Samstag in Oberhaching erfahren. Der Arbeitskreis Soziales und Senioren der Gemeinde hatte Vorträge und Informationsstände organisiert. Auch die rechtlichen Grundlagen und die medizinische Sicht auf die Krankheit waren Thema.

In Deutschland seien rund acht Millionen Menschen an Demenz erkrankt, sagte Bürgermeister Stefan Schelle (CSU). Rechne man die Zahlen herunter, komme man in Oberhaching auf 250 Demenzkranke. Es sei deshalb wichtig, gesunden Menschen den richtigen Umgang mit Demenzkranken beizubringen. "Es geht darum, dass man die Krankheit und die erkrankten Menschen nicht ausschließt", so Schelle. So solle man einen Demenzkranken zum Beispiel nicht auf ihre Vergesslichkeit ansprechen. "Das weißt der eh", sagt Jürgen Hoerner, Vorsitzende der Alzheimer Gesellschaft München-Land. Stattdessen sei Brückenbauen wichtig, also auf den Menschen individuell einzugehen. Diese und andere Informationen vermittelt die Alzheimer Gesellschaft Angehörigen von Demenzkranken in Selbsthilfegruppen, sie betreut außerdem auch die Menschen selbst. Man müsse das Bewusstsein für die Krankheit in die Bevölkerung bringen, sagt Hoerner. Und es wirke: "Der Landkreis wacht langsam auf." Und als Wecker dafür ist das Projekt "demenzfreundliche Kommune" zu zählen, an dem sich momentan neun Gemeinden im Landkreis beteiligen, die mit Unterstützung durch das Landratsamt Veranstaltungen organisieren. In Oberhaching hat zum Jahreswechsel eine Demenz-WG eröffnet. Offenbar findet das Thema Anklang: 140 Besucher hat Mitorganisator Günther Henhammer von der Gemeinde am Samstagmorgen im Bürgersaal beim Forstner gezählt.

Gertraud H. (Name geändert) zum Beispiel ist auf der Suche nach Büchern und Spielen. Die bringt sie den Bewohnern des Heims mit, zu denen ihr Mann gehört. Das Thema Demenz interessiere sie, sagt sie, sie wolle sich fortbilden. Gerhard T. will schauen, ob er noch etwas Neues über Demenz lernen kann. Sein Vater hat seit acht Jahren Demenz. Im Umgang mit Demenzkranken sei vor allem körperliche Nähe wichtig, ihnen also zum Beispiel über den Rücken zu streichen. "Es dauert eine Weile, bis man versteht, dass man nicht mit dem Verstand agiert", sagt Gerhard T. Wie sich Demenz anfühlt, können Besucher beim Demenzparcours ausprobieren, den das Landratsamt an Kommunen im Landkreis verleiht. Der Besucher macht hier mit Handschuhen Knöpfe zu. Oder er bekommt Messer und Gabel in die Hand und schiebt damit bunte Papierkugeln auf den richtigen Fleck, wobei er das Ganze im Spiegel und damit verkehrt herum betrachtet. "Das Ziel ist, sich ein Stück weit in Demenzkranke hineinzuversetzen", sagt Landratsamt-Mitarbeiterin Tanja Endres. Denn Demenz heiße nicht nur vergessen: Mit der Krankheit gehen oft Koordinationsschwierigkeiten einher, das räumliche Verständnis leide. Auch alterspraktische Fähigkeiten müssen die Demenzkranken trainieren. Christiane Ammer-Wabnitz ist Vorstand des katholischen Familien- und Altenpflegewerks, in ihren Tagespflegeeinrichtungen trainiert sie mit Demenzkranken. "Wir wollen Demenz so weit wie möglich verzögern und die Alltagskompetenz erhöhen", sagt sie. Konkret helfe zum Beispiel, Kicker zu spielen: Das trainiere die Fingerfertigkeit. Ammer-Wabnitz hat auch Hefter vor sich liegen mit Übungen, die sie die Erkrankten machen lässt. So müssen sie ihren Geburtsmonat ankreuzen, oder würfeln und die gewürfelte Zahl in eine Tabelle eintragen. Im fortgeschrittenen Stadium falle das Demenzkranken schwer, sagt sie.

Ein Satz fällt bei diesem Aktionstag immer wieder. Bürgermeister Schelle hat ihn gesagt, auch Besucher Gerhard T., und auf dem Cover eines Buches steht er auch: "Das Herz wird nicht dement." Der Kranke mag nicht mehr wissen wie er heißt, aber er merkt ganz genau, ob man ihn wertschätzt. Das ist das Ziel dieses Aktionstages: Den Menschen einen respektvollen Umgang mit Demenzkranken beizubringen.

© SZ vom 19.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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