Landgericht:Mann klaut 19 Gemälde aus Kunstdepot - und keiner merkt es

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  • Der Fahrer eines Kunstdepots hat 19 Gemälde gestohlen, die aus der Privatsammlung von Georg Baselitz stammen.
  • Ein befreundeter Spediteur versuchte, die Werke weiterzuverkaufen.
  • Beide wurden zu drei Jahren Haft verurteilt. Auch der Sohn des Spediteurs musste sich vor Gericht verantworten.

Von Andreas Salch

Der Zeuge macht keinen Hehl daraus, was er denkt: "Es ist nicht schön, hier zu sein", sagt der 75-jährige Unternehmer zu Richter Gilbert Wolf, dem Vorsitzenden der 8. Strafkammer am Landgericht München I. Seine Firma genieße immerhin "Weltruf", betont der Inhaber eines Kunstdepots bei München gleich zu Beginn seiner Vernehmung. Und jetzt soll er dem Gericht erklären, wie es passieren konnte, dass ein Dieb 19 zum Teil großformatige Werke zwischen Juni 2015 und Mitte März 2016 aus seinem Kunstdepot stehlen konnte. Die Gemälde und Zeichnungen stammten aus der Privatsammlung von Georg Baselitz, einem der bedeutendsten zeitgenössischen Künstler. Die Erklärung des Speditionskaufmanns klingt dürftig. Der Diebstahl müsse wohl passiert sein, als er mit seiner Firma umgezogen sei. Genau wisse das keiner, sagt der Spediteur.

Bei dem Dieb handelt es sich um David Sch. Er arbeitete als Fahrer in dem Kunstdepot. Am Montag verurteilten die Richter ihn wegen Diebstahls zu drei Jahren Haft. David Sch. hatte die Werke, nachdem er sie aus dem Kunstdepot gestohlen hatte, dem mit ihm befreundeten Spediteur Michael Sch. in Leverkusen angeboten. Da der 52-Jährige die Werke in der Firma seines Sohnes Robyn zwischenlagerte, musste sich auch der 26-Jährige vor Gericht verantworten.

Michael Sch. wurde wegen gewerbsmäßiger Hehlerei, Betruges und versuchten Betruges schuldig gesprochen und zu drei Jahren Haft verurteilt. Sein Sohn Robyn erhielt eine zweijährige Bewährungsstrafe wegen Beihilfe. Aufgefallen war der Diebstahl der Kunstwerke eher durch Zufall. Einem Münchner Galeristen war eines der gestohlenen Bilder aus dem Baselitz-Archiv angeboten worden. Als er Informationen dazu im Atelier von Baselitz einholte, erfuhr er, dass das Werk mit dem Titel "Bruno II", das man ihm zum Preis von 200 000 Euro offeriert hatte, dem Meister gehöre.

David Sch. bekam von Michael Sch. etwa 30 000 Euro dafür, dass er ihm die Gemälde und Zeichnungen nach Leverkusen geliefert hatte. Mit dem Geld finanzierte David Sch. seinen Kokain-Konsum. Das große Geschäft mit dem gestohlenen Gemälden aus dem Privatarchiv von Baselitz machte Michael Sch. nicht. Es gelang ihm lediglich, das Bild "Stürzender Adler" zum Preis von 22 000 Euro zu verkaufen. Nach den Willen von Georg Baselitz soll es bei dem neuen Eigentümer bleiben.

Die übrigen Werke hat Michael Sch. alle wieder zurückgegeben. Vor wenigen Tagen organisierte er über seinen Verteidiger, den Rechtsanwalt Horst Schiffgen, auch die Übergabe eines Linolschnitts aus der Reihe "Fußball 2002". Er befand sich bis vor kurzem noch in Belgien. Laut einer Sachverständigen, die den Wert aller Kunstwerke auf 1,8 Millionen Euro taxierte, dürfte das zwei mal zwei Meter große Kunstwerk ruiniert sein. Denn der Eigentümer, der es zwischenzeitlich besaß, hat es auf eine Platte kleben lassen. Auch der Akt "Elke" ist verloren. Robyn Sch. hat das Gemälde geschreddert und alles seinen Angaben zufolge auf "mehrere Mülltonnen" verteilt. Damit habe er seinen Vater schützen wollen, so der 26-Jährige.

Vor der Vernichtung hing der Akt im Schlafzimmer von Michael Sch. Als Fahnder dessen Wohnung durchsuchten, soll das Werk nicht auf ihrer Liste mit den gesuchten Werken gestanden haben. Also hatten sie ihn hängen lassen. Unklar ist auch der Verbleib des Werks "Adler 77". Ob es David Sch. gestohlen habe, so Richter Wolf bei der Urteilsbegründung, sei fraglich. Angesichts der "Missstände" in dem Kunstdepot bei München könne es auch ein anderer Dieb gestohlen haben.

© SZ vom 24.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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