Laim:Ohne jedes Augenmaß

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Streitobjekt: Die Villa an der Mitterhoferstraße ist vom Abriss bedroht. (Foto: Hess)

Bezirksausschuss wehrt sich gegen massive Nachverdichtung für eine Flüchtlingsunterkunft an der Mitterhoferstraße

Von Andrea Schlaier, Laim

Mitten in der langen Reihe aus Sechs- und Siebenstöckern reißt die Häuserflucht plötzlich ab, die Verdichtung macht Pause. In diese Lücke gebettet ist das, was hier vor allem anderen da war: ein großer grüner Garten und zur Straße hin eine hübsche, mehr als hundert Jahre alte Villa. Ganz hinten auf dem Grundstück präsentiert sich pittoresk das Gebäude der einstigen Glockengießerei Oberascher, noch heute ein Metall verarbeitender Betrieb. Anfang des vergangenen Jahrhunderts wurden dort die Klangkörper für das Glockenspiel des neuen Münchner Rathauses hergestellt, das am 18. Februar 1909 erstmals zu hören war. In das wilde Grün vor den historischen Bau und dorthin, wo bisher noch die schmucke Villa steht, will die Stadt in drei getrennten Häusern insgesamt 75 Wohnungen und kleine Gewerbeeinheiten für Flüchtlinge mit humanitärem Bleiberecht bauen. Im Bezirksausschuss gibt man sich entsetzt. Nicht wegen der neuen Nachbarn, wie es heißt, sondern der "überzogenen Nachverdichtung":

Die Unterscheidung ist dem stellvertretenden Bezirksausschuss-Chef Peter Stöckle (CSU) wichtig: "Ich möchte betonen, dass wir aus dem Baurecht heraus urteilen und nicht die Notwendigkeit einer solchen Einrichtung in Zweifel ziehen." Bauausschuss-Vorsitzende Anette Zöllner (CSU) hat im Gremium ausführlich dargelegt, was man in den eigene Reihen als baulich für "zu viel" halte: "Das Maß an Verdichtung ist definitiv zu hoch. Wenn das an der Stelle durchgeht, haben wir in Laim einen Präzedenzfall, der einiges nach sich ziehen wird." Im Ausschuss kämpft man, wie in anderen Gartenstadt-Gegenden Münchens auch, seit Jahren gegen die anhaltende Zupflasterung der luftigen Gärten und wenigen Grünflächen im Quartier.

Der fünfstöckige Neubaukomplex soll sich entlang der Schäufeleinstraße und ums Eck zur Mitterhoferstraße erstrecken, im Osten schließt er direkt ans Nachbargebäude an. Auf dem knapp 1600 Quadratmeter großen Grundstück entstünden etwa 3300 Quadratmeter Wohnraum und gut 80 Quadratmeter gewerbliche Fläche, rechnet Zöllner vor. Im Norden zur Glockengießerei hin würden die Abstandsflächen "maßlos" überschritten, man sei etwa 224 Meter über der Grenze. Zöllner: "Die Geschossflächenzahl von 3,32 ist extrem für ein Wohngebiet, das trifft man sonst in der Innenstadt an." Das Baurecht müsse deutlich reduziert werden, forderte deshalb mit ihr der Bezirksausschuss. Außerdem, so die Chefin des Laimer Kulturausschusses, Margit Meier (SPD), soll die Fabrikantenvilla bei der Glockengießerei unter Denkmalschutz gestellt und vor dem Abriss geschützt werden: "In den Denkmalschutz soll die ganze Glockengießerei mitaufgenommen werden."

Die Stadt will in dem Neubaukomplex drei getrennte Häuser mit drei Eingängen bauen, 75 Wohnungen sollen geschaffen werden und zusätzlich Gewerbeeinheiten für "nicht lärmende Handwerksbetriebe", wie etwa Schneiderei und Fahrradwerkstatt. Dieser Bereich soll dann ehemaligen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zur Verfügung stehen, die sich dort nach Abschluss einer Ausbildung selbständig machen könnten. Räumlich und organisatorisch, schildert Anette Zöllner, würden sie Teil sein des Wohnprojektes für Flüchtlinge mit humanitärem Bleiberecht; dazu zählen auch Familien. Vorgesehen seien nicht nur Gemeinschaftsräume, sondern unter anderem auch Büroräume für pädagogisches Personal und ein grüner Hinterhof. Die Betreuung werde das Amt für Wohnen und Migration in Kooperation mit freien Trägern übernehmen.

© SZ vom 21.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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