Laim:Grausamkeit ohne Schonbezug

Lesezeit: 2 min

Manfred Zylla zeigt im Laimer Interim seinen Zyklus "120 days of Sodom"

Diesmal also Sodom. Der Maler und Musiker Manfred Zylla, gebürtiger Augsburger, hat sich als Anti-Apartheids-Künstler in seiner zweiten Heimat Südafrika einen Namen gemacht und ist derzeit wieder mal in München. "120 days of Sodom" heißt der Bilderzyklus, den er aus Kapstadt mitgebracht hat. Es lehnt sich an den gleichnamigen Spielfilm von Pier Paolo Pasolini aus dem Jahr 1975 an, der wiederum auf Marquis de Sades "Die 120 Tage von Sodom" basiert. Pasolini zeigt einen faschistischen Marionettenstaat in Norditalien, der vom Deutschen Reich besetzt ist - ein Regime, dem Untergang geweiht, eine moralisch wie sexuell verkommene Vorhölle.

"Vor zwei Jahren", erzählt Zylla, "habe ich dazu 120 DinA 5 große Gouachen gemalt und zum Teil ganz renommierte Leute gebeten, zu einzelnen Seiten einen Text zu verfassen." Die 350 Bücher in limitierter Auflage sind Kunstobjekte. Bevor Zylla das Werk am 16. Juni in Rom und dann Anfang Juli beim National Arts Festival in Grahamstown, Südafrika, präsentiert, stellt er es erstmals in München vor. An diesem Samstag, 6. Juni, Beginn 19 Uhr, unterstützen ihn dabei Künstlerfreunde im Interim, Am Laimer Anger 2.

Manfred Zylla, 1939 in Augsburg geboren, lebt und arbeitet seit 1970 in Südafrika und München. (Foto: Jakob Berr)

Zyllas Arbeiten zeigen eine Gesellschaft im Ausnahmezustand, in ultimativer Verrohung. Es wird gefoltert, vergewaltigt, getötet. Der Künstler verzichtet in der Darstellung auf jeden ästhetischen Schonbezug, was es für den Betrachter beinahe unerträglich macht, sich diesem Bilderzyklus auszuliefern. Als Gegensatz zur Monstrosität des Dargestellten setzt Zylla bewusst die kleine Form, was eine merkwürdige Intimität schafft: Er präsentiert diese Gewaltorgie auf nur zehn mal 15 Zentimeter großen Tableaus, streng im immer gleichen, beinahe ovalen Guckkasten-Format.

"Gegen die Macht von heute, die den Körper auf furchtbare Art manipuliert", hat Zylla neben einer Szene notiert. Gezeigt werden drei nackte Frauen, die bewaffnete Männer in grünen Uniform an Hundeleinen vor sich her treiben. Die Soldaten sind kopflos, ihre Gesichter liegen jenseits des Bildausschnitts, was dem Geschehen einen fast dokumentarischen Charakter gibt, an TV-Bilder erinnert. Ich zeige euch einen Ausschnitt, nicht die ganze Geschichte, die kennt ihr eh, erzählt sie euch selbst zu Ende, scheint Zylla den Betrachtern damit sagen zu wollen. In einem der Texte, die dem Zyklus beigegeben sind, wird Südafrikas Literaturnobelpreisträger J. M. Coetzee zitiert: "Unter der Zensur zu arbeiten, ist wie intim zu sein mit jemanden, dem man nicht liebt, mit dem man keine Vertrautheit wünscht, der sie einem jedoch aufzwingt." Auf subtile, subversive Weise arbeitet auch Zylla nach diesem Prinzip, wenn seine Bildern sagen: Diese Lust an der Grausamkeit, sie steckt in uns allen.

Bei der Vernissage werden Zyllas Frau Wahiba und Johannes Münster Texte lesen, untermalt von elektronischer Musik von Ulrich Müller und Ingrid Lee. Zylla selbst bläst die Gummiplastikposaune. Der Eintritt für den Abend im Laimer Interim kostet fünf Euro. Karten gibt es unter Telefon 54 66 29 51.

© SZ vom 05.06.2015 / Ands, czg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: