Laim:Eine Frage des Zeitpunkts

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Die Fakten rund um die Flüchtlingsproblematik ändern sich oft innerhalb eines Tages. Stadt und Bezirksausschüsse stecken im Dilemma, wann und wie sie der Bürger-Forderung nach frühzeitigen Info-Veranstaltungen nachkommen

Von Andrea Schlaier, Laim

Wer Flüchtlinge professionell oder ehrenamtlich betreut, weiß, dass die Akzeptanz der Ankömmlinge in der Bevölkerung wesentlich auch von der rechtzeitigen Information der Bürger abhängt - darüber, wer, wann, wie lange und wo untergebracht wird. Doch wann ist der richtige Zeitpunkt, die Alteingesessenen darüber aufzuklären, was auf sie in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld zukommt? Darüber haben die Mitglieder des Laimer Bezirksausschusses (BA) leidenschaftlich gestritten.

Grundsätzlich geht es den Laimern nicht anders als den Kollegen in den 24 anderen Stadtbezirken. Sie befinden sich in einer schwierigen Position. Politisch sind sie in der Machtkette zwischen Rathaus und Basis das schwächste Glied. In der Praxis aber sind sie als erste dem zuweilen ungezügelten Unmut der Bürger ausgeliefert, die die Gremien oft mit ihrer Kritik über geplante oder bestehende Flüchtlingsunterkünften angehen. In Laim, wo 2016 auf dem ehemaligen Tramdepot-Gelände an der Zschokkestraße eine Gemeinschaftsunterkunft für 300 Flüchtlinge entstehen soll, ist deshalb mit dem Sozialreferat längst vereinbart: Sobald klar ist, wann die neuen Bewohner kommen, sollen die Laimer Bürger mit ein paar Wochen Vorlauf im Detail informiert werden.

Der CSU im Ausschuss scheint die Zusage nicht ausgereicht zu haben. Auf Initiative von Alexandra Gaßmann stellte sie erneut den Antrag, die Stadt solle bei einer Informationsveranstaltung "klare Aussagen zum Thema Flüchtlingsunterbringung in Laim" treffen. Begründung: "Mittlerweile gibt es fast ausschließlich Gerüchte, Mutmaßungen und Ahnungen." Deswegen sei es an der Zeit, die Bürger transparent und umfassend zu informieren.

Die Kollegen von SPD und Grünen reagierten verärgert und konterten mit kollektivem Unverständnis auf den Vorstoß. Vorneweg referierte Ausschuss-Chef Josef Mögele (SPD), die aktuelle Situation gestalte sich so rasant, dass sich innerhalb eines halben Tages die Faktenlage ändere und damit auch das, was man den Bürgern sagen könnte. Das wisse auch die CSU. Zur Erinnerung: Innerhalb des ersten Halbjahres 2015 sind nach Auskunft der Regierung von Oberbayern in München 40 600 Flüchtlinge angekommen, das sind durchschnittlich 400 Menschen am Tag. Mögele las den Versammelten die bei ihm eingegangenen Mails aus der Verwaltung vor, die dokumentierten, wie kurzfristig sich Belegungszahlen und -zeiten überholten. Neues Bezugsdatum für 300 Flüchtlinge an der Zschokkestraße ist demnach der Sommer 2016.

Ein paar Meter über der Grenze, im Stadtbezirk Sendling-Westpark, habe es am Vortag geheißen, dass in einem ehemaligen Gewerbebau an der Tübinger Straße 1 bis 3 innerhalb eines Überbrückungsprogrammes voraussichtlich 200 Menschen einziehen, für jeweils sechs bis acht Wochen. Mögele: "Stand gestern war, dass sie im August kommen, Stand heute, sie kommen erst im September." An Zschokke- und Tübinger Straße wolle die Stadt überdies keinesfalls gleichzeitig Flüchtlinge unterbringen. Offen sei nach wie vor, wie es mit einer Flüchtlingsunterbringung ebenfalls auf dem Terrain der Westpark-Nachbarn in der ehemaligen Landesgehörlosenschule des Freistaates an der Fürstenrieder Straße aussehe. "Ich weiß selbst nicht, wie ich die sich ständig ändernden Auskünfte bewerten soll, und bevor ich keine verlässlichen Fakten habe, kann ich die Bürger auch nicht informieren."

Stadträtin und BA-Mitglied Verena Dietl (SPD) signalisierte Verständnis für das Auskunftsbedürfnis: "Aber ich finde es falsch, wenn man sagt, man würde nicht richtig informiert und das hier so behandelt, als hätte man kein Vertrauen ins Sozialreferat." Die Behörde arbeite derzeit unter Hochdruck, sie komme selbst gerade aus der Bayernkaserne, in der an diesem Tag 850 Flüchtlinge aufgenommen worden seien. Jutta Hofbauer (Grüne) setzte nach: "Zwischenstände zu melden, die in zwei Wochen schon obsolet sind, bietet doch keinen Informationsgewinn für die Bürger." Ernst-Wolfram Schendel (CSU) hielt dagegen: "Wir können den Bürgern ja auch weitergeben, dass wir nichts Genaues wissen." Mit knapper Mehrheit wurde der CSU-Antrag abgelehnt, ein Konsensvorschlag von Jutta Hofbauer dagegen angenommen: Sie hatte angeregt, zu Beginn jeder künftigen Bezirksausschuss-Sitzung kurz den aktuellen Status quo zu referieren - so lange, bis die Fakten belastbar sind und die versprochene Informationsveranstaltung dann mit ausreichend Vorlauf stattfindet.

© SZ vom 07.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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