Laim:Arg viel Holz

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Verlängerung der U 5 nach Pasing: Anwohner, Bund Naturschutz und Grünen-Stadtratsfraktion kritisieren, dass entlang der Gotthardstraße 700 Bäume gefällt werden, um Platz für die Baustelle und den Verkehr zu schaffen

Von Andrea Schlaier, Laim

Das wünscht sich keiner: Von der Wohnung aus zwei Jahre lang in eine riesige Baugrube vor der Tür starren zu müssen und die Jahreszeiten nur mehr an der Vegetation im Hinterhof ablesen zu können - weil es die prächtigen Bäume zur Straße hin einfach nicht mehr gibt. Mehr als 700 sollen entlang der Gotthardstraße dran glauben, etliche davon mehr als 40 Jahre alt. Sie müssten, so die Planungen des Baureferats, fallen für die Großbaustelle im Viertel: die U 5-Verlängerung nach Pasing.

Auch wenn nach getaner Arbeit fast genau so viele wieder gepflanzt werden sollen, die Begleitumstände der Bauarbeiten sorgen inzwischen bei Anrainern, der Stadtratsfraktion von Grünen/Rosa Liste und dem Bund Naturschutz (BN) für Unmut. Weitgehend einig sind sich alle, dass die Fortführung der U 5 in den Münchner Westen eine feine Sache ist. "Ohne einen starken ÖPNV erleidet München einen Verkehrsinfarkt", urteilt die BN-Kreisgruppe München in einer Stellungnahme.

Doch den Preis der flankierenden Maßnahmen finden einige zu hoch. Mittlerweile haben sich mit ihrer Kritik auch etliche Baustellen-Nachbarn an den Bezirksausschuss gewandt. "Wir fragen uns..., ob es wirklich zwingend ist, dass all die schönen Lindenbäume in der Gotthardstraße für diese Baumaßnahme entfernt werden müssen", schreibt der Beirat einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Bei der Sondersitzung, bei der man vom Baureferat informiert worden sei, schiebt eine Anwohnerin in der jüngsten Sitzung des Gremiums am Dienstagabend persönlich nach, sei auch erklärt worden, dass das, was nachgepflanzt werde, natürlich nicht so groß sei wie die gefällten Bäume. Die Stadt solle doch bitteschön noch einmal prüfen, ob's auch ohne Totalrasur geht.

Das Problem auf der 1,2 Kilometer langen Strecke zwischen Laimer Platz und Fischer-von-Erlach-Straße besteht darin, dass hier nicht bergmännisch gegraben werden kann. Das liegt zum einen an der Bodenbeschaffenheit, zum andern an der hoch liegenden Röhre. Deshalb muss die Straße aufgerissen werden. Gleichzeitig, so die Planung, soll der Autoverkehr an der Oberfläche jeweils einspurig in jede Richtung fließen. Den erforderlichen Platz will man durch die Fällungen schaffen. Losgehen soll's frühestens 2021. 26 Monate lang, so das Baureferat, werde entlang der Gotthardstraße wohl offen gearbeitet.

Der Rathaus-Fraktion von Grünen/Rosa Liste scheint dies doch arg viel Holz zu sein: In einer Anfrage will die Fraktion wissen, ob von den 709 betroffenen Stämmen durch alternative Baustellenführung einige doch noch erhalten werden könnten. Der wertvolle Baumbestand erfülle schließlich wichtige Funktionen für den Artenschutz, die Biodiversität und das Stadtklima. Von den im Baufeld vorhandenen Bäumen, so haben Grüne/Rosa Liste ermittelt, haben 559 einen Stammumfang von mindestens 80 Zentimetern, gemessen in einem Meter Höhe. 384 davon sollen gefällt werden. Dazu kämen weitere 325 mit weniger als 80 Zentimetern Stammumfang.

Die Fraktion verweist in ihrer Argumentation auch auf die Haltung des Bundes Naturschutz und stellt die Frage, ob die Kappung für den Tunnelbau an sich unausweichlich und nicht auch teilweise dem Wunsch geschuldet sei, den Straßenverkehr während der Bauzeit aufrechtzuerhalten. Wie viele Bäume könnten erhalten werden, so die Nachfrage, wenn die Gotthardstraße während der Bauarbeiten für den Durchgangsverkehr gesperrt würde und lediglich Zufahrtsmöglichkeiten für Anlieger, Feuerwehr und Rettungsdienste gewährleistet seien und gleichzeitig die Linienführung für den 57er Bus in dem Bereich geändert werde? Die Fraktion will außerdem wissen, wie viele Bäume erhalten werden könnten, wenn die U-Bahn nicht im nördlichen Bereich der Gotthardstraße, sondern etwas weiter nach Süden verschoben verlaufen würde.

Äußerst pragmatisch reagieren einige Mitglieder im Bezirksausschuss auf die Bedenken. "Mir gefällt das auch nicht", argumentiert allen voran Gremiums-Chef Josef Mögele (SPD). "Aber einen Tod müssen wir sterben!" Seit Jahren fordere auch die Bevölkerung die Verlängerung der U 5 nach Pasing. "Jetzt kommt sie endlich und dann fälle ich lieber 700 Bäume, baue möglichst schnell die U-Bahn und pflanze dann wieder möglichst große Bäume nach." Wolfram Schendel (CSU) gibt zu überlegen: "Man muss sich auch darüber klar sein, dass so ein Baum ein bestimmtes Wurzelwerk hat, das bei so einer großen Baustelle sowieso kaputtgeht. So schade das ist." Bei einer möglicherweise baumschonenden Sperrung des Autoverkehrs durch die Gotthardstraße, überlegt CSU-Fraktionssprecherin Anette Zöllner laut, "gibt's gar keinen Platz mehr für den Durchgangsverkehr". Der werde sich leider so oder so auch auf die Seitenstraßen verlagern.

Das Gremium wird auch auf mehrfaches Nachhaken der Laimer Grünen hin im Rathaus nachfragen, ob es "Möglichkeiten gibt, einige Bäume zu retten" und zusätzlich die Wünsche der "Bevölkerung" weiterleiten. Weil, so Mögele, "die Stadt ja auch wissen soll, was die Laimer umtreibt".

© SZ vom 05.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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