Kommentar:Plattmachen wäre sträflich

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Das Biotop in der Kiesgrube ist viel zu wertvoll, um der Tagespolitik zum Opfer zu fallen. Doch die Stadtviertelvertreter können sich nicht auf eine gemeinsame Position einigen und machen es dadurch allen anderen Beteiligten leicht, erst einmal gar nichts zu tun

Von Thomas Kronewiter

Man muss klar konstatieren, dass die Kiesgrube Roth noch zu der Zeit, in der sie gewerblich genutzt wurde, wohl eher ein Schattendasein geführt hat. Wie sonst wäre es erklärlich, dass die Kiesausbeutung bis zum Doppelten der eigentlich genehmigten Tiefe erfolgen konnte? Was damals offenkundig ein Versäumnis war, ist immerhin die Voraussetzung dafür, dass heute Politiker über die Erhaltung einer Naturidylle streiten können.

Jawohl, streiten - denn welch wirrer Stimmen-Chor da aus den Reihen der Stadtteilvertreter zu vernehmen ist, macht es allen anderen Beteiligten vergleichsweise einfach, erst einmal nichts zu tun, abzuwarten, die Sache nach bewährtem Muster auszusitzen. Dabei sollte doch das gemeinsame Ziel, das Biotop zu erhalten und den Menschen beiderseits der Stadtgrenze zugänglich zu erhalten, eigentlich die Reihen schließen können. Ein klares Signal aus dem Stadtbezirk könnte die Stadtoberen beeindrucken, wenn sie denn nun Geld locker machen sollen, könnte auch die Eigentümer-Familie verhandlungsbereiter machen, die nun nach der lukrativen Ausbeutung der Kiesreserven anscheinend noch ein letztes Geschäft zu machen hofft.

Aber das Bild, das die Ramersdorfer und Perlacher abgeben, ist eigenartig zerrissen: erhalten ja, aber bitte nicht auf Kosten der Stadt; bei Gefahr im Verzug aber dann doch mit städtischem Geld; zunächst aber noch eine Beratungsschleife in den Fraktionen. Jetzt ist ein anderer Akteur vorgeprescht: Die Bayernpartei im Stadtrat, die ja schon ob ihrer Rolle im Münchner Rathaus darauf angewiesen ist, mit Anträgen auf sich aufmerksam zu machen, hat das Thema dankbar aufgenommen und in einen Stadtratsantrag gegossen.

Nun wird es noch schwieriger für die großen Fraktionen, eine Übereinkunft zu erzielen, die der Sache dient und nicht der politischen Profilierung. Das aber muss das oberste Ziel sein: Viel zu wertvoll ist das Biotop, um der Tagespolitik zum Opfer zu fallen - nicht nur für den Schilf- und Röhrichtbewuchs, die dort brütenden Vögel, die Frösche, Fledermäuse und Wildbienen, sondern auch für die Münchner am östlichen Stadtrand und ihre Nachbarn im Landkreis.

Denen werden von Woche zu Woche neue Siedlungsprojekte vorgestellt und städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen angekündigt. Sie brauchen aber nicht nur Wohnraum, sondern auch Erholungs- und Erlebnisraum. Den plattzumachen, wäre sträflich.

© SZ vom 01.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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