Kommentar:Passgenauer Höhenflug

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Bei der Neugestaltung des Campus Süd kommt es nicht bloß auf die Ausmaße der geplanten Gebäude an

Von Jürgen Wolfram

Es konnte passieren, was wollte - einige Politiker aus dem Münchner Südwesten waren in den vergangenen Tagen wie vom Erdboden verschluckt. Ihre klausurartige Abwesenheit hatte einen guten Grund: Sie wirkten an der Entscheidungsfindung für die Zukunft des ehemaligen Siemens-Geländes in Obersendling mit. Das ist aller Ehren wert, immerhin sollen zwischen Hofmannstraße, Siemensallee und Baierbrunner Straße mehr als 1000 Wohnungen entstehen. Dass zumal die Vertreter aus dem Stadtbezirk 19 dem architektonischen Siegerentwurf, auf den sich ein Preisgericht nach der Sichtung von fünf Arbeiten mehrheitlich verständigt hatte, kräftig applaudierten, ist nicht anzunehmen. Denn nach diesem Konzept schießen beim Campus Süd weitere Wohntürme in die Höhe. Die fünf aufragenden Konstrukte auf der gegenüberliegenden "Südseite" lassen grüßen - und kritische bis entrüstete Kommentare erfahrungsgemäß nicht lange auf sich warten.

In einer Gegend, in der schon das Siemens-Hochhaus von der Bevölkerung überwiegend als städtebauliche Zumutung empfunden wird, ist Hochbau, allzu wörtlich genommen, ein heikles Thema. Das haben zuletzt die zähen Diskussionen um die Bebauung des ehemaligen Eon-Geländes an der Drygalski-Allee gezeigt. Sie endeten bekanntlich mit einer Reduzierung der ursprünglich vorgesehenen Maximalhöhen. Dass die Planung dadurch stimmiger geworden wäre, kann man nicht behaupten. Unter der unverrückbaren Maßgabe der Verdichtung droht vielmehr Riegel-Monotonie. Und das ausgerechnet in Sichtweite der Sternhäuser in der ehemaligen Siemens-Siedlung, an deren erhebender Silhouette sich kaum jemand stört.

Die beiden Projekte in Obersendling unterstreichen, dass eine differenzierte Betrachtungsweise nötig ist. Hochhäuser sind eben nicht per se gut oder schlecht. Es kommt zum einen auf ihre Gestaltung an, wofür es in München und andernorts sowohl positive als auch negative Beispiele zuhauf gibt. Weitere Klötze vom Format des Deba-Hochhauses in Solln oder des Sparkassen-Gebäudes in Fürstenried wären gewiss keine Option für die Zukunft. Zum anderen, fast noch wichtiger, ist auf die Umgebungsbebauung zu achten. In dieser Hinsicht ist dem Siemens-Areal mit seinen Nullachtfünfzehn-Bürobauten derzeit ein reduzierter Charme zu bescheinigen. Das Ambiente des Quartiers kann also nur ansehnlicher, runder werden, ob mit oder ohne 13-geschossige Landmarken.

© SZ vom 13.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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