Katholische Kirche:Haltung, bitte

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Diözesanrat diskutiert über das Zusammenleben mit Flüchtlingen

Von Jakob Wetzel

Die Ängste sind auch hier zu spüren. Am Freitag und Samstag hat sich der Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum München und Freising auf dem Freisinger Domberg versammelt, um über das Zusammenleben mit Muslimen zu diskutieren - und damit auch darüber, wie es gelingen kann, viele Tausende muslimische Flüchtlinge aufzunehmen. Die Haltung der Bistumsspitze ist deutlich: In den vergangenen Wochen und Monaten hat Kardinal Reinhard Marx immer wieder das Grundrecht auf Asyl verteidigt und auf Solidarität gepocht. Doch was tatsächlich auf die Pfarreien und Verbände zukommt, das ist vielen Katholiken weit weniger klar. Und so muss die Kirche Mut machen und um Unterstützung werben, auch in den eigenen Reihen.

Keiner stelle in Frage, dass man Flüchtlingen helfe und sie menschenwürdig behandle, sagte etwa Korbinian Obermayer vom Kreiskatholikenrat Traunstein am Freitagnachmittag in Freising. Doch die Menschen würden sich Sorgen darüber machen, wie es weitergehen soll. Und die Kirche solle doch bitte ernst nehmen, was "die Masse der Leute" denke. Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU), der dem Diözesanrat als gewähltes Mitglied angehört, warb um Verständnis für die Asylpolitik seiner Partei, warnte gar, die gegenwärtige Situation gefährde die staatliche Ordnung: Schließlich könnten nicht alle ankommenden Flüchtlinge registriert werden. Und in der Diskussion wurde die Frage laut: Was, wenn Sunniten und Schiiten einander künftig nicht nur im Nahen und Mittleren Osten bekämpfen, sondern auch in Deutschland?

Die Antwort der Kirche auf diese Ängste ist ein "Ja, aber": Ja, es werde nicht leicht, aber die Probleme seien lösbar, sagte Marx zuletzt in einem Interview der SZ und stärkte Bundeskanzlerin Angela Merkel den Rücken: Wenn man sage, das alles sei nicht zu schaffen, dann könne die Stimmung kippen, so Marx. Und Hans Tremmel, der Vorsitzende des Diözesanrats, erklärte am Freitag, natürlich dürfe man die Sorgen der Menschen nicht einfach mit Bibelsprüchen beiseite wischen. "Aber wir müssen uns schon auch klar machen, wo wir als Kirche beim Thema Flüchtlinge stehen und zu stehen haben." Man müsse Zivilcourage zeigen und "denen entgegentreten, die die Würde anderer Menschen in Wort und Tat mit Füßen treten." Flüchtlinge seien keine unpersönliche Masse, sondern Individuen mit eigenen Schicksalen. Jeder verdiene eine menschenwürdige Behandlung, sagte Tremmel. Und er appellierte an die Mitglieder des Diözesanrats: "Helfen Sie mit, Ängste abzubauen, indem Sie Begegnungsmöglichkeiten schaffen. Wer als Christ unmittelbar in die Augen eines Flüchtlingskindes geblickt hat, wird anders über diese Menschen urteilen."

Die Konflikte zwischen Sunniten und Schiiten schließlich hätten nicht nur religiöse, sondern auch und vor allem machtpolitische Gründe in der Region, sagten zwei Gäste des Diözesanrats, Andreas Renz, der Leiter des Fachbereichs Dialog der Religionen im Erzbischöflichen Ordinariat, und Gönül Yerli, die Vizedirektorin des Islamischen Forums Penzberg. Er mache sich deswegen keine großen Sorgen, dass der Konflikt in Deutschland fortgesetzt würde, sagte Renz. Yerli bedauerte in diesem Kontext, dass dem Islam die Galionsfiguren fehlten, "die sich hinstellen können und sagen, das ist der Islam und nicht anders." Beide hatten zuvor Dokumente der Kirche und Dialog-Initiativen wie das "Common Word" islamischer Theologen vorgestellt.

Wichtig sei nun vor allem, vorausschauend zu denken, sagte Generalvikar Peter Beer am Freitag. Er lobte das Engagement von Pfarreien und Vereinen für Flüchtlinge. "Ich glaube, wir haben hier als Kirche richtig gehandelt, und wir werden das auch in Zukunft tun", sagte Beer. "Aber wir stehen nicht am Ende, sondern erst am Anfang. Und wir machen nicht nur einen Sprint, sondern einen Marathonlauf!" Flüchtlinge würden nicht nur rasch Unterkünfte benötigen, sondern beispielsweise auch Sprachkurse, Spielplätze für Kinder oder auch Räume für Begegnungen mit den Anwohnern. Das Erzbistum wolle daher noch mehr Ressourcen zentral zur Verfügung stellen, um Flüchtlingen sowohl kurz- als auch langfristig zu helfen, kündigte Beer an. Noch in diesem Oktober wollten die Verwaltungsleiter der Kirche über konkrete Schritte beraten.

Am Ende des Treffens stand ein letzter Appell: Der Diözesanrat forderte die einzelnen Pfarrgemeinden auf, weitere Gebäude für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Nach Angaben der Kirche stehen derzeit in Einrichtungen der katholischen Kirche etwa 1000 Unterkunftsplätze für Flüchtlinge bereit.

© SZ vom 12.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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