Junge Bundestagskandidaten:Rote Rosen vor der Disko

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Roland Fischer, der Kandidat der SPD im Münchner Westen, kämpft gegen die soziale Ungerechtigkeit - und um die Stimmen der Jungwähler.

Korbinian Spann

Es ist schon Nacht. Doch Roland Fischer, Bundestagskandidat der SPD im Münchner Westen, ist immer noch bei der Arbeit. Er steht vor der Nachtgalerie und verschenkt roten Rosen an die Diskobesucher. Fischer wirbt nicht nur bei den Angestellten, Selbständigen und Senioren um Stimmen für die SPD. Er versucht auch, die jungen Wähler auf seine Seite zu ziehen.

Fischer ist mit 48 Jahren einer der jüngeren Bundestagskandidaten in der Stadt. "Diejenigen, die länger dabei sind, haben einfach bessere Chancen", erklärt Fischer. Bei den Stadtratswahlen seien viele junge Kandidaten vertreten und auch als Nachwuchspolitiker könne man eigentlich rasch Karriere machen. Aber: "Die Parteien sind insgesamt hoffnungslos überaltert", sagt Fischer.

Der Kandidat hält die junge Generation nicht für unpolitisch, sondern für parteien- und politikerverdrossen. "Und da haben sie recht", sagt Fischer. Sein Ziel deswegen: die Jugend besser in die Politik einzubinden. Die Parteien sollten mehr Möglichkeiten zur Mitgestaltung für Jugendliche anbieten. Er plant mit der Münchner SPD, dass die Jungen sich nicht gleich fest an eine Partei binden müssen, sondern auch mal zum Schnuppern in der SPD vorbeischauen und sich in Projekten engagieren können. Eine Art Mitgliedschaft auf Zeit.

Ob er bei den jungen Leuten ankommt, wird sich noch einmal am Samstag, den 26. September zeigen. Um 20 Uhr stellt er sich im Backstage gemeinsam mit anderen Kandidaten den Fragen der Jungwähler.

Fischer selbst hat eine 28-jährige Tochter. Sie habe ihm bewusst gemacht, dass für die heutige Jugend vor allem der Umweltschutz und Fragen der Nachhaltigkeit wichtig seien.

Fischer meint sich auszukennen in der Welt der Jugendlichen: "Ich kann Computerspiel nicht nur buchstabieren, ich spiele selbst." Fragen, die per Mail gestellt werden und seinen Wahlkreis berühren, beantwortet der Redakteur und Pressesprecher bis spät in der Nacht.

Er steht dem Netz nicht skeptisch gegenüber - und kämpft gegen die Überwachung des Internets. Die von der großen Koalition beschlossenen Internetsperren bei pornographischen Seiten lehnt er ab. Er unterstützt in diesem Punkt sogar die Piratenpartei, auch wenn er der Meinung ist, dass man die Partei Ende September nicht wählen sollte. "Das Leben besteht ja nicht nur aus Internet", sagt Fischer.

Er konzentiert sich im Wahlkampf auf seine Homepage. Er hat zwar ein Profil bei Facebook, nutzt es aber nicht nur für den Wahlkampf. Fischer möchte sich bei den Wählern nicht anbiedern.

Der Kandidat sitzt auf der Terasse des "Tassilo da Sebastiano", einem italienischen Lokal am Ostbahnhof. Er ist locker gekleidet, eine Krawatte hat er nicht umgebunden. Fischer wirkt verbindlich und aufgeräumt. Er trägt eine Hornbrille, wie sie bei Studenten beliebt ist. "In diesem Lokal hat auch schon Franz Müntefering gegessen", sagt Fischer stolz. Er selbst hat den Auftritt des Vorsitzenden vergangene Woche in München organisiert.

Dabei ist Fischer erst seit 2002 in der SPD aktiv. Sein erstes Erlebnis mit der SPD war allerdings nicht besonders glücklich. Der Ortsverein löste sich wegen fehlender Mitglieder auf. Als Internetbeauftragter des neuen Ortsvereins stieg er in den Kreisverband und dann in den Unterbezirk auf. Fischer wollte eigentlich nie ein Mandat haben. Doch er weiß: "Man kann nur etwas ändern, wenn man die Macht dazu hat." Fischer will Entscheidungsträger sein und vermittelt, dass er es ernst meint.

"Es geht nicht gerecht genug zu bei uns"

Inhaltlich treiben Fischer soziale Fragen um. Nicht nur das Einkommen, sondern auch Arbeit und Bildung hält er für wichtig. "Es geht nicht gerecht genug zu bei uns", meint er. Die Schere zwischen Arm und Reich sei bedrohlich weit auseinandergegangen. Da München eine schöne, aber sehr teure Stadt sei, sei die Verarmung hier besonders stark zu spüren. Die soziale Untestützung sollte höher sein, findet er deswegen. Der Mindestlohn müsse in der Landeshauptstadt bei neun Euro liegen.

Bekannt geworden ist er in München aber aus einem anderen, unfreiwilligen Anlass. Er hat eine Wahlkampagne mit Fischer-Dübeln und dem Spruch "Hält, was er verspricht" inszeniert. Auf seinen Wahlplakaten waren aber nicht die Original-Dübel abgebildet, sondern das Billigprodukt einer anderen Firma.

Fischer ist der Meinung, dass sich viele Abgeordnete zu wenig in ihrem Wahlkreis aufhalten. Sie wüssten nicht, was die Menschen bewegt. Er selbst hat in vielen Vierteln gewohnt: Bogenhausen, Westend, Giesing, Ramersdorf und zur Zeit in Neuperlach Süd. "Es gibt keine Großstadt, in der das Zusammenleben der Menschen so gut gelingt wie in München", sagt Fischer. München ist deshalb eine angenehme Stadt für ihn, weil sie Metropole und Dorf zugleich sei. Er würde München nur ungern verlassen.

Am Sonntag wird sich zeigen, ob er nicht vielleicht doch nach Berlin ziehen muss.

1. Warum haben Sie sich für den Bundestag aufstellen lassen?

Weil ich wirklich etwas verändern will. Das geht nur, wenn man auch das passende Mandat hat.

2. Wenn ich Bundeskanzler wäre, würde ich...

...führen und nicht nur moderieren.

3. Wie lange engagieren Sie sich schon in der Politik?

Seit meiner frühesten Jugend - in der katholischen Kirche und in der Gewerkschaft. Parteipolitisch in München seit Februar 2002.

4. Welchen Beruf haben Sie derzeit?

Eigentlich zwei. Ich bin Redakteur bei der Münchner Post und Pressereferent im Wahlkreisbüro des SPD-Bundestagsabgeordneten Klaus Barthel in Miesbach.

5. Welche inhaltlichen Schwerpunkte setzen Sie im Wahlkampf?

Soziale Gerechtigkeit - die Schere zwischen Arm und Reich muss sich endlich wieder schließen. Dazu gehört auch ein kostenfreier Zugang zu allen Bildungseinrichtungen und echte Konsequenzen aus der aktuellen Finanzkrise. Bezahlbares München - die Mietentwicklung muss unbedingt gebremst werden.

Und - nicht zuletzt - den Schutz der bürgerlichen Freiheitsrechte, die seit September 2001 immer mehr eingeschränkt und abgebaut wurden.

6. Von welcher Wählerschicht erhoffen Sie sich die meisten Stimmen?

Als Vertreter einer Volkspartei natürlich aus möglichst allen Schichten. Vor allem hoffe ich, die früheren SPD-Wähler zu erreichen und zur Stimmabgabe zu bewegen. Gerade diese wissen, dass es einen echten Neustart der sozialen Marktwirtschaft nur mit uns geben wird.

7. Mein bisher größter Erfolg war...

...mit meinem bundesweiten Mitgliederbegehren innerhalb der SPD dafür gesorgt zu haben, dass es mit einer SPD-Regierung keine Kapitalprivatisierung der Bahn geben wird.

8. Meine bisher größte Niederlage war...

...es, meinen mit Georg Kronawitter gemeinsam erarbeiteten Vorschlag zur Wiedererhebung der Vermögenssteuer für die ganz, ganz Reichen noch nicht in unser Regierungsprogramm gebracht zu haben.

9. Sind Sie in Online-Communities (Facebook, Twitter etc) präsent?

Ja, in Facebook und bei den Lokalisten. Ich bemühe mich aber, keine Allgemeinplätze abzusondern, sondern mich nur zu melden, wenn ich auch etwas zu sagen habe.

10. Ich mag an München...

...vor allem das Lebensgefühl. In keiner anderen Stadt funktioniert das Zusammenleben und -arbeiten von Menschen allen Alters, aller Kulturen und aller Religionen so unkompliziert. Und als jemand, der im Fichtelgebirge, dem bayerischen Sibirien, aufgewachsen ist, genieße ich das Klima.

11. In welchem Stadtteil wohnen Sie in München?

Derzeit im Süden Perlachs.

12. Das Oktoberfest finde ich...

...als Wirtschafts- und Tourismusfaktor unbezahlbar. Leider ist die Wiesn für die echten Münchner zunehmend zu teuer. Mein Tipp: Mittags zeigt sich das Oktoberfest von seiner ursprünglichen Seite.

13. In den kommenden vier Jahren möchte ich für München erreichen...

...dass die Bürgerinnen und Bürger in meinem Wahlkreis einen präsenten und ansprechbaren Bundestagsabgeordneten haben, der sich um ihre Sorgen und Nöte auch annimmt. Ich möchte, dass unsere Stadt auch für die Menschen bezahlbar bleibt, und vor allem der Anstieg der Mieten auf Normalmass gestutzt wird. Weiter will ich erreichen, dass unsere Stadt auch in Zukunft über eine sichere Einnahmequelle wie die Gewerbesteuer verfügt, um ihre vielfältigen Leistungen erhalten und ausbauen kann.

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