Josephskirche:Paul Bauer ist Ministrant - seit 70 Jahren

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Der ewige Messdiener: Paul Bauer ist heute 79 Jahre alt - 70 davon hat er ministriert. (Foto: Robert Haas)

Als er im Oktober 1946 in der Münchner Josephskirche als Messdiener anfing, musste man improvisieren. Zum Gottesdienst ging es in den Luftschutzkeller.

Von Jakob Wetzel, München

Als Paul Bauer zum ersten Mal ministrierte, da lag seine Kirche in Trümmern, und zum Gottesdienst ging es in den Luftschutzkeller. Es war im Oktober 1946, Kirchweihsonntag, Bauer war neun Jahre alt. Zwei Jahre zuvor waren Bomben auf die katholische Josephskirche in der Maxvorstadt gefallen. "Der Turm ist noch gestanden, und unten drin gab es auch noch eine Taufkapelle", der Rest sei zerstört gewesen, erinnert er sich. Für Gottesdienste war dieser Raum im Turm aber zu klein. Und deshalb ging die Gemeinde in einen Kellerraum in der Nachbarschaft: in ein Haus an der Adalbertstraße, das den Krieg besser überstanden hatte als viele andere. Es gehörte der Familie Bauer.

"Wir haben im früheren Pflanzenraum Gottesdienst gefeiert", erzählt Bauer heute. Sein Großvater sei Gärtner am Nordfriedhof gewesen. Vor seinem Tod habe er dort Pflanzen gelagert, im Krieg sei das Zimmer als Luftschutzraum ausgewiesen worden, jetzt nannten sie es "Bruder-Konrad-Saal". Die Familie wohnte im selben Gebäude, im dritten Stock. Zum Ministrieren musste der Bub also anfangs nur ein paar Treppen nach unten steigen. In dem Haus wohnt Bauer bis heute. Und auch Ministrant ist er noch immer.

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Ministrant seit 70 Jahren

Paul Bauer ist Münchens dienstältester Messdiener: Seit 70 Jahren unterstützt der 79-Jährige die Pfarrei Sankt Joseph. Das sei eine Familientradition, sagt er. Bereits der Vater habe ministriert, die beiden älteren Brüder auch, wenn auch weniger lange. Derzeit ministrieren Bauers Großnichte und seine zwei Großneffen; der ältere der beiden ist Oberministrant. Warum er selbst so lange geblieben ist? "Ich bin halt immer eingesprungen", sagt Bauer. Priester wollte er nicht werden, Theologie habe er nie studieren wollen. Bauer ist Bauingenieur und hat im Autobahnbau gearbeitet, erst in München, dann 17 Jahre lang in Deggendorf, schließlich in der obersten Baubehörde in München. Doch seiner Pfarrei ist er über all die Jahre treu geblieben.

Es ist ein Vormittag im März. Bauer hat erst überlegt, ob er überhaupt von sich erzählen will, er sei doch nicht so wichtig, findet er. "Aber vielleicht interessieren sich die Leute ja für die alte Zeit." Jetzt sitzt er im Pfarrheim der längst wiederhergestellten Josephskirche. Er ist fast täglich hier, vor wenigen Minuten hat er ministriert. Eben hat Pfarradministrator Markus Gottswinter einen Brief von Papst Franziskus präsentiert. Er segnet Bauer zum Dank für dessen Einsatz. "Der kam nach meiner Anfrage innerhalb von zwei Tagen", sagt Gottswinter. Bauer lächelt breit, Worte findet er nicht.

Über sich spricht Bauer ohnehin zurückhaltend; er gehe gern in die Berge zum Wandern, sagt er, und er bringe sich im Pfarrgemeinderat ein. Dann blättert er in einer Festschrift von 2002, erstellt zum 100-jährigen Bestehen der Kirche und zum 90-jährigen der Pfarrei. Immer wieder ist in diesem Buch von Bauers Familie die Rede: Da ist die Josephskirche vor dem Krieg zu sehen, und auf einem Foto der alten Kirchenverwaltung steht rechts Josef Bauer, der Großvater. Er hatte sich bereits im Kirchenbauverein engagiert. Ein paar Dutzend Seiten weiter stößt der Leser auf den Hauseingang zum früheren Luftschutzraum.

Den Bombenkrieg hat Bauer in jenem Keller nicht durchleben müssen; 1943 wurde er zu einer Tante nach Bad Reichenhall geschickt. Er erinnert sich daran, wie er an brennenden Häusern vorbei zum Hauptbahnhof marschierte, und aus Erzählungen weiß er, dass sein Vater in einer Bombennacht auf der Dachterrasse stand und Schnee auf das brennende Dach schippte.

Im "Bruder-Konrad-Saal" feierte die Gemeinde bis März 1948. Dann wurde vor den Trümmern der alten Kirche eine hölzerne Notkirche geweiht. Wie eine Baracke mit einem kleinen Dachreiter-Türmchen habe sie ausgesehen, sagt Bauer. Als Altar diente ein früherer Seitenaltar der Ludwigskirche, das Gestühl war eine Leihgabe aus Lenggries. Zur Einweihung kam Erzbischof Michael von Faulhaber. Der junge Paul Bauer durfte dem Kardinal auf einem roten Samtkissen den Schlüssel überreichen. "Das war eine große Ehre für mich", erinnert er sich heute. Auch davon gibt es ein Foto in der Festschrift.

Früher war vieles komplizierter

1952 war die Josephskirche wieder benutzbar, die Notkirche wurde an die Pfarrei Sankt Christoph in der Fasanerie Nord weitergereicht. "Es hat ja damals fast nichts gegeben", sagt Bauer. Auch die Josephskirche war noch recht leer, und die Abläufe waren komplizierter. So habe er etwa das Messbuch mehrmals von einer Seite des Altars auf die andere tragen müssen, erzählt er: links drei Stufen hinunter, in der Mitte eine Kniebeuge, rechts wieder hinauf. Einmal sei er dabei gestolpert, und das Messbuch fiel mit lautem Poltern auf den Boden.

Vieles hat sich seitdem verändert. Als junger Ministrant hatte er noch aus einem kleinen Buch lateinische Gebete auswendig gelernt, sie sind ihm bis heute im Gedächtnis geblieben. Später wurden die Gebete deutsch, die Kirche bekam einen Volksaltar. Und Stück für Stück wurde die Josephskirche neu eingerichtet, in Erding wurden neue Glocken gegossen, und fast ein Dutzend Pfarrvikare aus dem Kapuzinerorden kamen und gingen, bis die Brüder im August 2013 das benachbarte Kloster verlassen mussten. Dem Orden war der Nachwuchs ausgegangen. Bauer blieb.

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Voller Einsatz um 9 Uhr in der Früh

Als Bauer studierte, sei er kürzer getreten, erzählt er. Doch 1969 bat ihn der Kapuzinerpater Simon Neugebauer, Kommunionhelfer zu werden. Und Bauer kehrte zurück in den Dienst am Altar. Auch als er in Deggendorf arbeitete, sei er seltener im Einsatz gewesen, aber an den Wochenenden kam er heim zur Pfarrei und zu seiner Mutter, die er pflegte. Wirklich regelmäßig ministriert er wieder, seit er pensioniert ist. Zur Zeit ist er fast täglich im Einsatz, vor allem an den Wochentagen um 9 Uhr am Morgen, wenn die jüngeren Ministranten in der Schule sind. An den Wochenenden helfe er meistens nur, trage den Jüngeren das Kreuz oder übernehme das Rauchfass, er wolle sich nicht aufdrängen.

Eigene Kinder hat Bauer nicht, verheiratet war er nie. Tagsüber kümmert er sich nun um die Schwägerin, so wie früher um die Mutter. Die Frau lebt im selben Haus, er hilft beim Einkaufen und im Haushalt. "Machen's den Artikel nicht so aufwendig", sagt er , dann geht er nach Hause. Am nächsten Tag um neun Uhr morgens ist wieder Gottesdienst.

© SZ vom 17.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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