50 Jahre Geschwister-Scholl-Insitut:"Fehden sind Teil des akademischen Lebens"

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Ex-GSI-Forscher Dietmar Herz über die Politikwissenschaft an der LMU und ihre wechselvolle Geschichte.

Martin Thurau

Es ist eine der großen und bekannten Einrichtungen für Politikwissenschaft in Deutschland. Am heutigen Freitag feiert das Geschwister-Scholl-Institut (GSI) der Universität München (LMU) sein 50-jähriges Bestehen. Die SZ bat den Erfurter Politikwissenschaftler Dietmar Herz, lange Jahre Mitarbeiter am GSI, um eine kritische Würdigung.

50 Jahre Geschwister-Scholl-Institut der LMU: Politikwissenschaftler Dietmar Herz über Ausrichtung und Ruf des Instituts. (Foto: Foto: Haas)

SZ: Es begann mit großen Namen, dann hatte das Institut, vorsichtig gesagt, einige Zeit in manchen Dingen keinen guten Lauf. In welchem Zustand ist das GSI heute? Was zählt es in der Hochschul- und Wissenschaftslandschaft?

Herz: Aus der Ferne betrachtet ist das GSI in einem ganz guten Zustand. Es ist allerdings heute ein ganz anderes Institut als noch vor wenigen Jahren. Die Politische Theorie hat ihre dominierende Stellung eingebüßt, das Haus ist stark empirisch ausgerichtet und an ökonomischen Fragestellungen interessiert, hat die Methodologie und die Politische Soziologie gestärkt.

SZ: Hat das Institut heute international einen guten Ruf?

Herz: Die Politikwissenschaft ist sehr stark von anglo-amerikanischen Universitäten dominiert. Wenn man ehrlich ist, gibt es kaum ein Institut in Deutschland, das international eine führende Rolle spielt. Unter den deutschen Einrichtungen genießt das GSI einen guten Ruf.

SZ: Lange Jahre galt die Lehre am Institut als Beispiel dafür, was das Wort Massenfach bedeutet. Wie ist es heute?

Herz: Das hat sich sicher etwas entspannt in den vergangenen Jahren, die Zeiten des ganz großen Zuspruches zu Politik- und anderen Sozialwissenschaften sind vorüber. Ich selbst habe im Übrigen in den 80ern in München Politik und Jura parallel studiert. Und ich fand damals die Ausprägungen der Massenuniversität bei den Juristen sehr viel schlimmer.

SZ: Nach seiner Gründung Ende der 50er Jahre etablierte sich das GSI schnell als eine Art konservatives Gegenstück zum 68er-inspirierten Otto-Suhr-Institut an der FU Berlin. Mit welchen Größen des Faches ist dieser Ruf verknüpft?

Herz: Vor allem mit dem Namen Eric Voegelin, in der Politischen Theorie einer der bedeutenderen konservativen Denker, der sich vor allem mit der Analyse von politischen Religionen und dem religiösen Charakter von Massenbewegungen beschäftigte. Die Gründung des GSI 1958 war wegweisend; es war der Versuch, Demokratiewissenschaft zu etablieren, und auch ein Akt der akademischen Wiedergutmachung an einem Emigranten. Später dann waren es Personen wie Nikolaus Lobkowicz und der spätere bayerische Kultusminister Hans Maier, die das Institut lange Zeit prägten. Wobei der Begriff konservativ sowohl die Position Voegelins nur ungenau umschreibt, als auch die schillernde Mischung der Strömungen am Institut. Es entstand schon früh ein Schwerpunkt in Internationaler Politik um Gottfried-Karl Kindermann, später auch Peter Opitz, der entwicklungspolitische Fragestellungen aufnahm und sich mit Ostasien beschäftigte.

SZ: Lange Jahre fiel das GSI durch spektakuläre, öffentlich ausgetragene Fehden auf. Was lief da schief im Hause?

Herz: Fehden sind leider Teil des akademischen Lebens. Ich muss sagen, ich habe andernorts Schlimmeres erlebt. Aber natürlich haben solche Auseinandersetzungen die Tendenz, sich strukturell festzusetzen und fortzupflanzen. Auch wenn neue Protagonisten kommen, sind die alten Gegensätze nicht leicht auszuräumen. Bedauerlich, weil es das Klima partiell vergiften kann. Trotzdem hat es sich um Streitereien Einzelner gehandelt und auf Lehre und Forschung keinen großen Einfluss gehabt. So zumindest habe ich das auch in meiner Zeit als Assistent und Privatdozent zwischen 1989 und 1997 erlebt; die Arbeitsbedingungen waren gut.

SZ: Ein großer Alter des Faches, Kurt Sontheimer, beispielsweise hat seinen Kollegen Mittelmäßigkeit attestiert - öffentlich.

Herz: Auch das ist ein Vorwurf, mit dem Akademiker untereinander schnell mal bei der Hand sind, meist allerdings intern. Kurt Sontheimer hat es öffentlich gemacht, das hat der Situation die Schärfe gegeben. Dieser Angriff war im Übrigen nicht wirklich fair, weil der Vorwurf pauschal sicher nicht zutraf.

SZ: Später wurde das Politik-Institut zum Spielball der Politik. Die Staatsregierung wollte den CSU-nahen Passauer Professor Heinrich Oberreuter installieren - zum Aufräumen, wie kolportiert wurde. Wie haben Sie das, damals schon von außen, wahrgenommen?

Herz: Ich fand es seltsam, dass da eine Staatsregierung versucht hat, einen ihrer Kandidaten durchzusetzen. Das war wohl einer der letzten Versuche der Politik, direkten Einfluss auf das Fach zu nehmen. Das kam in anderen Bundesländern auch vor. Und es ist gut, dass sich das GSI dagegen erfolgreich wehren konnte. Inzwischen haben die Hochschulgesetze den Universitäten mehr Autonomie gegeben.

SZ: Das Sondervotum allerdings, das Oberreuter neben der Berufungsliste ins Spiel brachte, stammt von zwei GSI-Professoren.

Herz: Natürlich ist es auch ein beliebtes Spiel innerhalb eines Instituts, in dem es verschiedene politische Meinungen und wissenschaftliche Interessen gibt, seine Ziele in Koalitionen mit Kräften von außen oder dem Ministerium durchzusetzen. Es hat natürlich eine fatale Außenwirkung, wenn die Streitigkeiten wie im Fall des GSI in der Presse oder vor Gericht ausgetragen werden.

SZ: Im Jahre 2003, als der Freistaat den Rotstift bei den Hochschulen ansetzte, galt das Institut gar als Streichkandidat der Uni. Wie konnte das geschehen?

Herz: Es ist ja Gott sei Dank nicht zur Schließung des Instituts gekommen. Sozialwissenschaftliche Forschungseinrichtungen sind eben leicht mal Kandidaten auf Streichlisten. Wenn man schon sparen muss, so lautet die kurzsichtige Argumentation, dann ist es politisch nicht opportun, Natur- und Ingenieurwissenschaften einzudampfen.

SZ: Jetzt hat Julian Nida-Rümelin zum Sommersemester dem GSI den Rücken gekehrt und seinen Lehrstuhl in die Philosophische Fakultät umsetzen lassen. Ausdruck einer Schieflage am GSI?

Herz: Ich finde es bedauerlich. Es zeigt einmal mehr, dass die Politische Theorie innerhalb der Münchner Politikwissenschaft nicht mehr den Stellenwert hat, der ihr eigentlich zukommt.

© SZ vom 24.04.2009/brei - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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