Islam-Zentrum in München:"Das ist das Gegenteil von Verfassungsfeindlichkeit"

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CSU-Rathaus-Fraktionschef Josef Schmid sieht keinerlei Grund, an den guten Absichten des Penzberger Imams zu zweifeln.

Joachim Käppner

SZ: Die Penzberger Gemeinde fühlt sich vom Verfassungsschutz und dem Beschluss des Verwaltungsgerichtes offenkundig diskriminiert. Zu Recht?

CSU-Stadtratsfraktionschef Josef Schmid ist enttäuscht über den Beschluss des Verwaltungsgerichts. (Foto: sz.sonstige)

Schmid: Der Beschluss des Verwaltungsgerichtes hat uns enttäuscht. Ich hatte mit einem anderen Ausgang gerechnet. Ich habe nach intensiver Befassung mit den Fakten schon vor dem Beschluss gesagt: Ich ziehe nicht denselben Schluss wie der bayerische Verfassungsschutz.

SZ: Also verstehen Sie, wie verletzt Imam Idriz reagiert hat?

Schmid: Das Gericht hat die Sichtweise des Verfassungsschutzes bestätigt, die Distanzierung der Penzberger Gemeinde von islamistischen Gruppen sei lediglich formal. Das ist ein einschneidendes Ereignis, selbst wenn OB Ude sagt, der Gerichtsbeschluss spiele keine so große Rolle. Aber das Integrationsprojekt Ziem ist nicht nur auf die Stadt, sondern auch auf den Freistaat angewiesen. Die Ausbildung der Imame muss gemeinsam mit Kultus- und Wissenschaftsministerium erfolgen, und mit den Universitäten. Deshalb ist der Beschluss für den Fortgang des Projekts ein Problem.

SZ: Sie halten den Gerichtsbeschluss also für falsch?

Schmid: Ich kann die Argumente des bayerischen Verfassungsschutzes jedenfalls so nicht nachvollziehen. Man muss sich doch nur einmal die Protokolle der abgehörten Telefonate ansehen; auf ihnen beruht die Analyse der Verfassungsschützer ja zu erheblichen Teilen. Sie behaupten, es lasse sich daraus erkennen, dass sich Herr Idriz muslimischen Organisationen mit extremistischen Tendenzen unterordne. Aber was er wirklich getan hat, ist doch genau das Gegenteil. Er spricht sich gegen den Extremismus aus. Deswegen wird er doch in einem der abgehörten Telefonate gerüffelt. Was maßt Du dir an, sagt sein Gesprächspartner, über andere muslimische Glaubensbrüder zu urteilen? Und da ist keine Spur von einer "Befehlsstruktur" zu sehen, die der Verfassungsschutz zu erkennen glaubt: Herr Idriz wird beschimpft, weil er sich von islamistischen Ansichten anderer Muslime distanziert hat.

SZ: Die Penzberger Gemeinde beklagt, seit Jahren würden ihre guten Absichten in Frage gestellt. Was raten Sie Herrn Idriz?

Schmid: Es ist notwendig, dass er jetzt in die nächste Instanz geht. Dann werden wir ja sehen, ob der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auch zur gleichen Sicht der Dinge kommt wie die Vorinstanz. Und Ziem hat ja auch die Möglichkeit, sich konstruktiv mit den Gründen des Beschlusses auseinanderzusetzen. Darin steht zum Beispiel, dass die Vereinssatzung keinen Mitgliedsausschluss vorsieht; theoretisch sei es also möglich, dass man Mitglieder, die durch extremistische Positionen oder Organisationen auffallen, nicht ausschließen kann.

SZ: Halten Sie das für realistisch?

Schmid: Es steht doch ausdrücklich in der Satzung, dass sich die Mitglieder zu den Zielen von Ziem bekennen müssen - und die heißen: Ja zu Toleranz, Demokratie und Verfassung. Und sie wollen die Imame in deutscher Sprache ausbilden. Was müssen Muslime denn noch tun, um nicht in Extremismusverdacht zu geraten? Aber wenn das Gericht diesen Punkt für bedeutsam hält, kann Ziem die Verfassungstreue ausdrücklich in die Satzung aufnehmen. Und der Vorstand will das in Reaktion auf den Beschluss tun, was zeigt, dass er kooperativ ist und nichts verbergen will.

SZ: Welche Bedeutung hat das Ziem-Projekt aus Ihrer Sicht?

Schmid: Wir müssen doch einmal sehen, über welche muslimische Gemeinschaft wir hier sprechen. Die erste nämlich, die ganz klar sagt: Es gibt unter uns Muslimen in Deutschland leider Menschen, die sich von der Gesellschaft abschotten, in Parallelgesellschaften leben, extremistischen Gedanken anhängen. Von denen distanzieren wir uns. Das gab es noch nie. Im Gegenteil: Die Penzberger Gemeinde bekennt sich zum deutschen Grundgesetz und zur bayerischen Verfassung. Das ist das Gegenteil von Verfassungsfeindlichkeit.

SZ: Wenn schon die Penzberger Gemeinde ins Visier gerät: Stehen die Muslime im Freistaat unter Generalverdacht?

Schmid: Nein, der Verfassungsschutz leistet eine wichtige Arbeit. Aber aus integrationspolitischen Gründen müssen wir gutmeinenden Muslimen die Hand reichen. Ich halte es nicht für zielführend, wenn das Ziem-Projekt als "trojanisches Pferd" bezeichnet wird: Außen sei alles ohne Tadel, aber drinnen sehe es ganz anders aus. Ich sage dagegen: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen! Und an den Taten von Herrn Idriz und der Gemeinde Penzberg erkenne ich nichts, was diesen Vorwurf rechtfertigen würde.

SZ: Aber der Vorwurf der Kontakte zu Extremisten ist ja erwiesen.

Schmid: Wichtig für unser Urteil über die Ziem-Betreiber kann doch nicht sein, ob sie mit anderen Muslimen reden, die nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Das haben deutsche Regierungsstellen und die Stadt München auch getan. Wichtig ist, was man selbst sagt, ob man verfassungstreu ist. Und da hat die Penzberger Gemeinde bislang keinen Anlass zu Zweifeln geboten. Wir brauchen in Deutschland die weltoffeneren Gedanken des europäischen Islam, wie ihn Herr Idriz vertritt.

SZ: Für die CSU-Stadtratsfraktion bleibt Imam Idriz ein Gesprächspartner?

Schmid: Zunächst müssen für den Fortgang des Projekts Ziem einige Dinge geklärt werden: Was Herr Idriz und seine Gemeinde praktizieren, ist doch das, was wir benötigen, damit die Integration der Muslime gelingt: Einmal im Monat ist das Freitagsgebet schon auf Deutsch. Und der Vorstand in Penzberg hat sich tief betroffen über den Tod "unserer Soldaten" in Afghanistan gezeigt. Für Extremisten in Deutschland sind das "Eure Soldaten", und betroffen sind sie bestimmt nicht über deren Schicksal.

SZ: Es fällt nicht ganz leicht, sich einen Münchner CSU-Fraktionschef vorzustellen, der vor zehn Jahren solche Positionen vertreten hätte...

Schmid: Das liegt am Generationenwandel und den veränderten gesellschaftlichen Herausforderungen. Ich bin in meiner Straße in Allach mit Spielkameraden aus der Türkei, aus Griechenland und dem damaligen Jugoslawien aufgewachsen. Das waren der Beytürk, der Theo und der Igor. Später habe ich mit muslimischen Bosniern im Handballverein gespielt. Wir mussten uns alle zusammenraufen, aber es hat auf Basis unserer deutschen Regeln gut geklappt.

SZ: Die Partei muss sich auch wandeln - schließlich wird der muslimische Bevölkerungsanteil stetig wachsen.

Schmid: Darüber machen sich viel zu wenige jener Leute Gedanken, die sich ständig nur kritisch über den Islam äußern. In 20 Jahren werden wir durch die höheren Geburtenraten viel mehr Muslime haben als bisher. Gerade darum wird es Zeit, dass wir endlich Projekte wie das Ziem aufbauen, dass wir Imame in Deutschland ausbilden - im Sinne deutscher Verfassungswerte, in Zusammenarbeit mit dem Staat und einer deutschen Uni. Heute kommen häufig Imame aus der Türkei, deren Hintergrund niemand kennt, mit befristetem Aufenthalt, sie sprechen kein Deutsch und predigen in den Hinterhöfen. Dort liegen die Gefahren. Das haben einige offenbar noch nicht verstanden.

SZ: Weil sie Angst haben? Oder sich Angst machen lassen?

Schmid: Viele Menschen haben Angst vor einer Bedrohung unserer Kultur durch den Islam. Gefährlich sind aber nur die Extremisten, nicht die friedlichen Muslime. Diesen Menschen, die sich bedroht fühlen, müssen wir sagen: Dieses Zentrum ist ein Mittel, mit dem man eine solche Bedrohung vermeiden kann.

SZ: Hatten Sie zuletzt Kontakt zu Imam Idriz?

Schmid: Ja, und wissen Sie, wo? Zufällig auf dem Ökumenischen Kirchentag hier in München. Er saß mit seiner Frau irgendwo mitten im Publikum. Wir haben nachher kurz gesprochen. Seine Teilnahme war auch ein sehr gutes Signal. Er wollte keine Show mit einem großen Auftritt abziehen, sondern war als "normaler" Gast beim Eröffnungsgottesdienst.

SZ: Wie wird es nun mit dem Ziem weitergehen?

Schmid: Herr Idriz hat ja Ministerpräsident Horst Seehofer um ein Gespräch gebeten. Nun soll sich der bayerische Innenminister Herrmann mit Herrn Idriz zusammensetzen. Auf dieses Gespräch hoffe ich sehr.

© SZ vom 25.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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