Immobilienmarkt München:Wohnung verzweifelt gesucht

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Wer in München auf Wohnungssuche geht, muss Geduld haben. Die Maschen der Makler sind teilweise mehr als dreist. Ein Erfahrungsbericht.

Christian Meyer

Der übliche Besichtigungstermin in Harlaching, die ältere Tochter hat schon Routine darin, vor Hausbesitzern einen friedlichen, freudigen Eindruck zu machen. Schon beim ersten Anblick des Objekts regen sich die üblichen Zweifel: Ist das wirklich der Garten aus dem Exposé?

Sieht eher aus wie ein Vorgarten, direkt an der Straße, aber sei's drum, die Familie auf Wohnungssuche klingelt unverdrossen, es könnte ja das große Los sein. Es öffnet die Tür: ein freundlich lächelnder Herr im dunklen Anzug, Mitte 30; die Schuhe hat er ausgezogen, die Bewerber folgen brav.

Mietpreis um 300 Euro erhöht

Der schuhlose Herr führt wie ein Hoteldirektor durch das 100-Quadratmeter-Haus aus den dreißiger Jahren, es ist nicht spektakulär, aber ordentlich restauriert; drei Bäder, Designerküche, poliertes Parkett, ausgebauter Dachstuhl, gehobener Standard.

Alles geschmackvoll, der Eigentümer hat jeden Winkel ausgebaut und selbst im Dachgeschoss noch ein zweites Mini-Stockwerk eingezogen, das man nur mit gekrümmten Rücken erreicht: Wohnraum ist knapp in München, jeder Quadratmeter ein kostbares Gut.

"Wissen Sie", sagt der Anzugträger, der sich plötzlich als "Berater" des eigentlichen Besitzers vorstellt, "wir haben aufgrund des großen Interesses jetzt den Mietpreis ein wenig angehoben. 300 Euro, schließlich haben wir hier schon 150 Leute durchgeschleust." 300 Euro Aufschlag, einfach so?

In München gibt es keine Krise

Das ist schon dreist, dabei war der Mietpreis vorher schon am oberen Schmerzlimit. Der Hausherr selbst, der sich zu dieser überraschenden Preiserhöhung nicht äußert, wartet in der von ihm selbst eingerichteten Designerküche auf solvente Kandidaten.

Auf Leute, die das Spiel mitspielen und unverlangt eine kopierte Selbstauskunft mit Verdienstbestätigung auf den Tisch legen. Ist ja Harlaching, hier will jeder hin, selbst wenn man sich das nicht ganz leisten kann.

Es sind, so scheint es, immer genug Spieler da, trotz der Rezession, die auf dem Miet- und Immobilienmarkt in München offenbar wenig Wirkung hinterlassen hat. Wenn manche Makler behaupten, von der Krise nicht das Geringste zu spüren, kann man das in München ruhig glauben.

Auf der nächsten Seite: Frustration gehört für Wohnungssuchende dazu.

Original und Fotografie haben oft wenig gemeinsam

Auch wenn man bei den Internetangeboten, die routinierte Immobilienchecker zwei Mal täglich anklicken, immer wieder auf alte Bekannte trifft. Meist sind das Objekte, die auf den ersten Blick gut aussehen.

Wohnungen, die mit Digitalkameras bei schönsten Sonnenlicht fotografiert und dann mit einer blendenden Bildergalerie online präsentiert werden. Solche Schnäppchen haben allerdings bei näherer Betrachtung die Tendenz, in sich zusammenzufallen.

Kürzlich war in Trudering, Münchens neuer Mittelstands-Kernzone, wieder einmal so ein interessantes Schrumpf-Reihenhaus mit Rundbogentüren zu besichtigen, das alle Annehmlichkeiten einer Puppenstube bot und mit niedrigen Decken und winzigen Schlafzimmern beeindruckte.

Das Häuschen hatte tatsächlich einen Garten oder vielmehr die Andeutung einer kleinen Grünfläche, die allerdings von den ungeheuerlichen Wintergärten der Nachbarn in den Schatten gestellt wurde. Ein tolles Angebot, versicherte der Makler, wird ja alles umgebaut und überhaupt!

Villa zum Spottpreis

Er hatte übrigens bei der Hausführung auch die Schuhe ausgezogen, wahrscheinlich um keine Spuren zu hinterlassen. Gleiches Stadtviertel, neuer Versuch, allerdings nicht im Truderinger Neusiedlungsland, das in jüngster Zeit entstanden ist, um endlich jungen Familien eine Heimat zu bieten.

Erster Eindruck: ein großzügiges, altes Haus, interessant. "Eine Villa eher", flötete die Maklerin schon am Telefon, "und zu einem Spottpreis. Das habe jetzt aber ich gesagt, sollten Sie nicht der Eigentümerin unter die Nase reiben." Beim Termin führt die Maklerin mit säuselndem Charme durch das verwitterte Anwesen, sie preist den verwunschenen Garten an, erwähnt nicht den bröckelnden Balkon, dafür aber die Renovierungsmaßnahmen, die demnächst zur vollsten Zufriedenheit des Mieters erfolgen würden.

Außerdem führt sie noch eine Einliegerwohnung vor, die man offiziell nicht vermieten dürfe, aber im Preis inbegriffen sei. Vielleicht das perfekte Zimmer für das Au-pair-Mädchen? Keines vorhanden, na gut. Beeindruckt von der verblassten Pracht dieser Siebziger-Jahre-Vorstadtperle wähnt man sich schon bei der Einzugsfeier mit Freunden, beim Sonnenuntergang auf der Terrasse mit einem Glas Prosecco in der Hand.

Frustrationspotential sollte vorhanden sein

Man schickt also eine Mietzusage per Fax ins Maklerbüro. Und wartet. Die Vermieterin sei krank, müsse kurz mal in die Klinik, sagt die Maklerin am Telefon. Zwei, drei Versuche, den Vertrag zu unterzeichnen, scheitern. Ist das alles ein großer Bluff, gibt es noch einen geheimnisvollen Mitbieter im Hintergrund?

Die Maklerin flötet wieder, sie windet sich, widerspricht sich, spendet Trost und hat dann noch: ein anderes tolles Angebot. In Trudering, Obergiesing oder Ramersdorf-West, ist ja auch egal. Am Ende ist man froh und dankbar, dass aus der Provision und dem Vertragsabschluss wieder einmal nichts geworden ist.

Grundsätzlich gilt: Wer in München als Normalverdiener mit Kindern eine Wohnung sucht und dabei nicht alle eigenen Vorstellungen aufgeben will, sollte ein hohes Frustrationspotential haben. Die Verhältnisse, sie sind halt so, und am Ende nimmt man, was man kriegt.

© SZ vom 27.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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