Immobilien in München:Der Markt ist heißgelaufen

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Der Immobilienmarkt bremst sich langsam selbst aus, meinen Experten. (Foto: Claus Schunk)
  • Die Mieten sind hoch, die Zinsen günstig - entsprechend groß ist in München die Nachfrage nach Eigentumswohnungen oder Häusern.
  • Obwohl die Preise in den vergangenen Jahren drastisch gestiegen sind, findet sich fast für jedes Objekt ein Käufer.
  • Experten mahnen zur Besonnenheit.

Von Andreas Remien

Täglich rollen Lastwagen auf das Gelände, der Wind fegt den Staub zwischen einem halben Dutzend Kränen und den eingerüsteten Rohbauten durch bis weit auf die Straße. Es ist ungemütlich auf einer der größten Baustellen der Stadt. Gleich neben dem S-Bahn-Halt Berg am Laim braucht man noch viel Vorstellungskraft, um sich das Flair auszumalen, das in dem Quartier "Baumkirchen Mitte" nach den Ideen der Projektpartner Patrizia und CA Immo einmal herrschen soll. Die 170 Wohnungen des ersten Bauabschnitts sind dennoch schon längst verkauft. Seit vergangenem Sommer schon. Das Neubauprojekt ist symptomatisch für den Münchner Markt: Die Nachfrage nach Immobilien ist immens.

"Wir kommen gar nicht mehr dazu, eine Musterwohnung zu bauen", sagt David Christmann, Regionalleiter Süd bei der Patrizia. Die braucht es nämlich gar nicht. Verkauft wird in München seit Jahren "vom Plan weg", wie es in der Branche heißt, also zu einem Zeitpunkt, zu dem das Gebäude noch gar nicht gebaut ist. Von den insgesamt 500 Eigentumswohnungen des Projekts "Baumkirchen Mitte" sind bereits 391 vergeben, obwohl das gesamte Quartier erst 2018 fertig werden wird. Dabei profitieren die Projektentwickler in Berg am Laim auch von den extremen Preisen in der Innenstadt, die vor allem Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen weiter nach außen drängen. "Unter unseren Käufern sind viele aus der Au oder aus Haidhausen, die sich diese Lagen nicht mehr leisten können", berichtet Christmann.

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Auch Bestandswohnungen sind schwer zu kriegen

Wem das Geld für einen Neubau fehlt, der kann immer noch auf eine Bestandswohnung ausweichen - diese Regel galt bis vor ein paar Jahren. Heute sieht es auf dem Markt für "gebrauchte Immobilien", der etwa 70 Prozent der Verkäufe ausmacht, aus Käufersicht nicht viel besser aus. Wer eine Bestandswohnung erwerben will, muss in München laut den Daten des Analyseunternehmens Bulwiengesa im Durchschnitt mit 5200 Euro pro Quadratmeter rechnen. Damit haben sich die Preise im Vergleich zu 2006 exakt verdoppelt. Der Preisanstieg für Neubauten im selben Zeitraum beträgt "nur" 78 Prozent, von 3700 auf 6500 Euro pro Quadratmeter.

Hitzig geht es vor allem dann zu, wenn besondere Angebote auf den Markt kommen. "Liebhaberprojekte" heißen sie in der Branche, und sie gehen dann auch zu "Liebhaberpreisen" weg. Der Klassiker: die Altbauwohnung in Schwabing. "Im Vergleich zum Neubau sind solche Objekte nicht vermehrbar", sagt Günther Gültling, Makler und Vorstandsmitglied im Immobilienverband IVD Süd. Dann komme es immer wieder vor, dass sich die Kaufinteressenten mit immer höheren Summen überböten. "Solche Bietergefechte sind aber relativ selten, denn die Verkäufer versuchen schließlich schon im Vorfeld, den Markt auszureizen", sagt Gültling. Die meisten Objekte seien nach spätestens sechs bis acht Wochen verkauft.

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Selbst einstige Ladenhüter finden Käufer

Schnell einen neuen Eigentümer finden nicht nur Neubau- oder Schwabinger Altbauwohnungen, sondern auch Objekte, die eher nicht den Kriterien eines Traumdomizils entsprechen. Ob Bruchbude oder eine Lage direkt an einer Verkehrsader wie der Lindwurmstraße: Interessenten stehen auch Schlange für Wohnungen, die vor ein paar Jahren noch Ladenhüter waren. "Es gibt viel Schrott auf dem Markt", bedauert Gültling, "gekauft wird er trotzdem."

Vor allem über Kapitalanleger kann sich der Immobilienberater oft nur wundern. "Manche kaufen, als ob sie nicht rechnen könnten." Dabei ist die Rechnung ziemlich einfach. Weil die Schere zwischen Kaufpreisen und Mieten immer weiter auseinandergeht, sinken für Käufer die Mietrenditen. Während die Preise für Bestandswohnungen in den vergangenen fünf Jahren um gut 57 Prozent geklettert sind, haben sich die Mieten im selben Zeitraum um etwa 19 Prozent verteuert. Wer heute eine Wohnung kauft, muss in der Regel mindestens das 30-fache der Jahresmiete bezahlen.

Viele Käufer sind auch bereit, deutlich mehr auf den Tisch zu legen. "Eine Zeit lang konnte man noch damit spekulieren, dass die Preise weiter steigen und die Wohnung dann mit Gewinn verkaufen", sagt Gültling. Jetzt sei aber wahrscheinlich "die Luft raus". Auch Jürgen Schorn glaubt, dass die ganz verrückten Zeiten vorbei sind.

Als geschäftsführender Gesellschafter von Bauwerk Capital vermarktet er Immobilienprojekte, darunter zum Beispiel die beiden "Friends"-Hochhäuser an der Friedenheimer Brücke. "Vor zwei Jahren noch haben manche Interessenten eine Wohnung gekauft, ohne die Verkaufsunterlagen gelesen zu haben", berichtet Schorn, "die haben sich weniger Zeit genommen als bei einem Autokauf." Diese Zeiten seien jedoch vorbei. Auch gebe es keine "Panikkäufe" mehr von Anlegern, die möglichst schnell ihr Geld in Sicherheit bringen wollten.

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Die kritische Schwelle: 800 000 Euro

Der Markt ist so heiß gelaufen, dass er sich langsam selbst ausbremst. Wachstum und Zuzug sorgen zwar weiterhin dafür, dass unvermindert viele Münchner eine Wohnung suchen. So melden sich beim Vermarkter Bauwerk Capital nach wie vor jede Woche gut hundert Interessenten. "Aber es gibt immer weniger Menschen, die sich dann auch eine Immobilie leisten können", sagt Schorn. Für viele Käufer sei das frustrierend. Die erste kritische Schwelle liege bei circa 800 000 Euro. "Danach nimmt die Anzahl der potenziellen Käufer deutlich ab", berichtet Schorn. Richtig dünn werde es dann ab einer Million Euro. "Dies ist die ganz harte Hürde" - selbst auf dem Münchner Markt.

Und die kritischen Schwellen werden in München von immer mehr Wohnungen erreicht. Ein Blick in die aktuellen Angebote zeigt: Wer viel Geld ausgeben kann, hat in München wieder eine große Auswahl. Für die Bauträger wird der Markt damit immer riskanter: Sie müssen Flächen sehr teuer einkaufen und hoffen, dass sich später für die gebauten Wohnungen Käufer finden.

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Höhere Zinsen können Fluch und Segen sein

Wegen der hohen Preise sind Kapitalanleger schon seit ein, zwei Jahren auf dem Rückzug. Ob Familie, Single oder junges Paar: Immer mehr Käufer seien wieder "klassische Selbstnutzer", sagt Heike Piasecki, Niederlassungsleiterin von Bulwiengesa. Bei den Preisen gibt es aber noch keinen Trendwechsel. Druck aus dem Kessel könnten nur zwei Faktoren nehmen: mehr Neubau und höhere Zinsen. "Dies sind die entscheidenden Hebel", sagt Piasecki.

Sollten die Zinsen deutlich steigen, würden sich noch viel mehr Kapitalanleger aus dem Markt verabschieden. Sie könnten kaum noch Renditen erzielen und hätten außerdem wieder Anlagealternativen auf den Finanzmärkten. Selbstnutzer hätten dann wieder bessere Chancen, eine Wohnung zu bekommen. Zu früh freuen sollten sie sich dann aber nicht: Wenn die Zinsen steigen, wird schließlich auch die Finanzierung teurer.

© SZ vom 23.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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