Hebammenmangel in München:Ein bisschen Hilfe für die Helferinnen

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Manche Schwangere findet in München keine Hebamme. (Foto: Johannes Simon)

Bis zu 15 Hebammen müssen Schwangere in München abtelefonieren. Nun gibt es erste Schritte, um die Suche für beide Seiten zu vereinfachen. Auch Nachwuchshebammen sollen Unterstützung bekommen.

Von Melanie Staudinger, München

Beim ersten Kind hatte Anne Meindl kein Problem: Sie wandte sich an eine Vermittlungsstelle und bekam eine Hebamme. Das war vor dreieinhalb Jahren. Als Meindl, die in Wahrheit anders heißt, wieder schwanger wurde, lief alles anders. Sie rief bei derselben Agentur an. "Doch die sagten mir unfassbar unfreundlich, dass ich keine Chance auf eine Hebamme habe", erzählt sie. Der Grund: Der Geburtstermin sollte im Juli liegen, mitten in der Urlaubszeit also. Meindl bekam eine Liste mit anderen Hebammen und telefonierte sie durch - erfolglos. Als ihre zweite Tochter gekommen war, stand sie ohne Hebamme da. "Ich kannte mich ja zum Glück schon aus", sagt sie. Dennoch habe sie sich geärgert: Der Betreuungsanspruch durch eine Hebamme sei in München nicht gedeckt.

Meindls Fall ist ein extremer. Eine Umfrage des städtischen Gesundheitsreferats hat ergeben, dass 97 Prozent der Münchner Frauen letztlich eine Wochenbettbetreuung erhalten - wegen des Hebammenmangels in der Stadt allerdings nur unter großen Anstrengungen. Zwölf bis 15 Hebammen müssten die schwangeren Frauen im Schnitt abtelefonieren. Eine Situation, die die Schwangeren extrem belastet und die sich nun ändern soll. Der Bayerische Hebammenlandesverband arbeitet an einem zentralen Vermittlungsportal im Internet.

Ein Vermittlungsportal soll helfen

"Das soll die Suche nach einer Hebamme für beide Seiten vereinfachen", sagt die Vorsitzende Astrid Giesen. Auch freiberufliche Hebammen litten unter der Situation. "Sie müssen Frauen, die dringend Hilfe brauchen, absagen, weil sie einfach keine Kapazitäten mehr haben", sagt Giesen. Zudem seien die vielen Telefongespräche zeitraubend, in denen Hebammen erklären müssten, warum sie keine Zeit hätten.

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Im geplanten Portal können die Hebammen freie Kapazitäten eingeben. Schwangere haben so die Möglichkeit, gezielt nach Geburtshelferinnen zu suchen, die am Geburtstermin ihres Kindes auch Zeit haben. "Ich hoffe, dass sich viele Hebammen daran beteiligen werden", sagt Giesen. Derzeit bereite der Landesverband einen Antrag an die Stadt vor. Diese soll das Projekt mit Geld unterstützen. "Es gab erste Gespräche", bestätigt eine Pressesprecherin des Gesundheitsreferats. Nun müsse geklärt werden, ob und wie die Stadt sich konkret beteiligt.

Bei einer anderen Forderung hingegen hat das Gesundheitsreferat gute Nachrichten. Nachwuchshebammen dürfen sich über finanzielle Hilfe freuen, zumindest diejenigen, die in der außerklinischen Geburtshilfe arbeiten wollen. Der Stadtrat hatte im September des vergangenen Jahres beschlossen, dass Hausgeburts-Hebammen und solche, die in Geburtshäusern tätig sind, einen Zuschuss über Stiftungsgeld erhalten sollen. Nach Angaben des Gesundheitsreferats hat die Heidehof-Stiftung GmbH, die soziale Einrichtungen fördert, 25 500 Euro zur Verfügung gestellt. Von diesem Betrag sollen in den Jahren 2015 und 2016 je fünf Hebammen die Hälfte ihrer Haftpflichtprämie ersetzt bekommen. Sie müssen dafür bis Ende November einen Antrag bei der Beratungsstelle für natürliche Geburt und Elternsein stellen.

Berufsanfängerinnen bekommen Hilfe

"Diese Unterstützung ist sehr wichtig", sagt die Landesvorsitzende Giesen. Es sei für Berufsanfängerinnen sinnvoll, dass sie in der ersten Zeit erfahrene Hebammen zu Hausgeburten begleiteten und von ihnen lernten. Währenddessen erhielten die Neulinge weniger Geld von den Krankenkassen - hätten aber die gleichen Ausgaben wie ihre vollbezahlten Kolleginnen.

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"Wir sind sehr dankbar, dass es kleine Schritte in die richtige Richtung gibt", sagt Giesen. Allerdings weist sie auch darauf hin, dass das so entstehende Flickwerk keine Lösung für die grundsätzlichen Probleme ihres Berufsstandes bringt. So verdiene eine Hebamme im Schnitt 30 Euro in der Stunde - als Freiberuflerin, die alle ihre Kosten selbst tragen müsse. Zu den üblichen Sozialbeiträgen komme die Haftpflichtgebühr in Höhe von 5090 Euro im Jahr. "Wenn Sie nur in Teilzeit arbeiten wollen, lohnt sich das kaum. Da arbeiten Sie nur für die Versicherungen", sagt Giesen. Viele Hebammen hörten deshalb auf, andere ließen sich erst gar nicht mehr ausbilden und suchten sich gleich einen anderen Job. Nach Angaben des Gesundheitsreferats gibt es insgesamt etwa 450 Hebammen in der Landeshauptstadt. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr zählten die Statistiker 15 951 Geburten in München.

"Die Belastung ist groß", sagt Corinna Koebe. Sie arbeitet seit 25 Jahren als freiberufliche Hebamme in München. Auf ihrem Anrufbeantworter weist sie Interessentinnen darauf hin, dass sie bis Ende März ausgebucht ist. "Ich finde das schrecklich, aber mir bleibt nichts anderes übrig", sagt sie. Hebammen, die sich um eine gründliche Nachsorge kümmerten, könnten nicht zehn oder 15 Frauen im Monat betreuen. "Das geht auf Kosten der Qualität", sagt Koebe. Dennoch tue ihr jede Absage leid: "Ich habe meinen Beruf schließlich gewählt, um Frauen zu helfen, und nicht, um sie zu vertrösten."

© SZ vom 05.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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