Grüne vor neuem Streit um Kandidatenkür:Und plötzlich waren es vier

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Spät "geoutet": Der ehemalige Stadtchef Nikolaus Hoenning will plötzlich auch mitmischen im Kampf um den Chefsessel im Rathaus und tritt als vierter Bewerber an.

Dominik Hutter

Die Nachricht kam völlig überraschend. Auch Nikolaus Hoenning, so erfuhren die verdutzten Münchner Grünen-Chefs Katharina Schulze und Sebastian Weisenburger, will mitmischen im Kampf um den Chefsessel im Rathaus - als Kandidat Nummer vier neben Bürgermeister Hep Monatzeder, Stadträtin Sabine Nallinger und Landeschefin Theresa Schopper. "Ich stehe für Themen, die andere Bewerber nicht so stark vertreten", erklärt der 39-jährige Politikwissenschaftler, der bis zu seiner Abwahl im Mai Stadtchef seiner Partei war.

Nikolaus Hoenning (oben) will OB-Kandidat werden - ebenso wie Theresa Schopper, Hep Monatzeder und Sabine Nallinger. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Dass er sich erst so spät "outet" - der offizielle Anmeldeschluss für eine grüne OB-Kandidatur ist der 30. September -, begründet er mit einem längeren Denkprozess und seinem Engagement in einer Elterninitiative, das ihn den Sommer über auf Trab gehalten habe. Überrumpeln habe er niemanden wollen.

Ob das bei den Grünen jeder so sieht, darf getrost angezweifelt werden. Klar ist, dass Hoennings Kandidatur die Situation der Partei erheblich verkompliziert - vor allem, was die umstrittenen OB-Foren angeht. Denn Hoenning wird in seiner neuen Rolle an dem für Oktober geplanten Gespräch teilnehmen, bei dem der Stadtvorstand und die Bewerber über die Details der umstrittenen OB-Foren diskutieren.

Dabei wird er, das macht er unmissverständlich klar, eine sehr deutliche Position beziehen: Das basisdemokratische Konzept, das noch zu Hoennings Zeit als Grünen-Chef ausgearbeitet und beschlossen wurde, dürfe auf keinen Fall verwässert werden. Heißt: Die Kontrahenten sollen auf Podien gegeneinander antreten und sich anschließend vom Publikum bewerten lassen. "Die Foren stehen und fallen mit der Beteiligung der Leute", findet Hoenning, der im Hauptberuf das Büro der grünen Landtagsabgeordneten Susanna Tausendfreund leitet.

Der Stadtvorstand steht nun vor einem Dilemma. Denn eigentlich hatte sich bereits ein Kompromiss abgezeichnet, mit dem auch Hep Monatzeder leben kann, der dem Kandidaten-"Casting" von Anfang an kritisch gegenüberstand. Weniger Konfrontation, keine Tribunal-Atmosphäre und kein gnadenloser Auslesedruck - in diese Richtung sollte es gehen. Nun aber rückt mit Hoenning ein basisdemokratischer Hardliner in die Runde ein, der die Verhandlungen nicht eben vereinfachen wird. Neue Formen der Bürgerbeteiligung sind das Leib- und Magenthema des Politikwissenschaftlers, der sich auch vor komplizierten Theoriekonstrukten nicht scheut.

Wie wichtig dem früheren Grünen-Chef die OB-Foren sind, steht ausführlich in einem offenen Brief an die Parteifreunde: "Durch meine Teilnahme als Kandidat bei den OB-Foren möchte ich helfen, neue Gruppen zur Mitarbeit zu motivieren", lautet gleich der erste Satz. Noch interessanter freilich ist, was in dem Brief nicht steht: ein Bekenntnis zur eigenen OB-Kandidatur.

In dem Schreiben geht es ausschließlich um die basisdemokratischen Foren zur Bewerberauswahl. Und so ist bei einigen Parteifreunden bereits der Eindruck entstanden, dass Hoenning eigentlich gar nicht ins Rathaus will. Sondern nur danach strebt, sein Forenkonzept zu retten.

Ohnehin ist der 39-Jährige umstritten in der eigenen Partei - seine Abwahl als Parteichef hatten innerparteiliche Gegner bewusst organisiert, weil sie ihn loswerden wollten. Der überzeugte Basisdemokrat steckte aber trotz seiner ebenso knappen wie schmerzlichen Niederlage nicht zurück und überraschte die Grünen wenig später mit einem nicht abgestimmten Vorstoß zu einem Bürgerbegehren: München möge endlich ausreichend Kinderbetreuungsplätze schaffen.

Die grüne Stadtratsfraktion reagierte verschnupft auf diese Forderung, die als unverhohlene Kritik an der Politik des rot-grünen Bündnisses herüberkam. Hoenning hat für seine Initiative bislang 2000 Unterschriften gesammelt.

© SZ vom 22.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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