Grippewelle in München:Vorsicht, ansteckend!

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Das Grippevirus breitet sich derzeit wieder in ganz Deutschland aus. (Foto: imago/UIG)
  • Tückisches Virus: Seit Jahresbeginn hat das Gesundheitsreferat in München 850 Influenzafälle registriert. 2014 waren es im gleichen Zeitraum nur 125 Fälle.
  • Tagsüber sind derzeit die Wartezimmer in München voll, am Abend, wenn die Praxen schließen, beginnt der Ansturm auf die Notfallambulanzen.
  • Auch die Münchner Kulturlandschaft kommt in der Erkältungszeit ins Straucheln, das Kultusministerium sorgt in der Erkältungszeit mit einer "mobilen Reserve" für Grund- und Mittelschulen vor.

Von Anne Kostrzewa

Busse und Bahnen gelten eigentlich als sichere Verkehrsmittel. Momentan aber sind die Züge die reinsten Gefahrenzonen. Es wird gehustet und geschnieft, nach jeder Station in einer neuen Zusammensetzung. Die Viren fahren mit - auch in der Fahrerkabine: Rund zehn Prozent der Lokführer der S-Bahn München sind derzeit krankgeschrieben. Mehr als doppelt so viele wie üblich, meldete die Deutsche Bahn am Mittwoch.

Für Zugausfälle die Grippe verantwortlich machen zu können, ist selbst der Bahn neu. Dabei folgen die Lokführer mit ihrem Krankenstand einem bundesweiten Trend, der auch vor München nicht Halt macht: Anders als so mancher Zug rollt die Grippewelle an. Und sie rollt gewaltig, deutlich stärker als in den Vorjahren.

Seit Jahresbeginn hat das Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) 850 Influenzafälle registriert. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr waren es im gleichen Zeitraum nur 125 Fälle. Und die Dunkelziffer dürfte um einiges höher liegen. Denn Grippeerkrankungen sind nicht meldepflichtig.

Nur die Schweinegrippe ist meldepflichtig

Eine Ausnahme war die Schweinegrippe im Jahr 2009 - und seitdem gab es laut RGU in keinem Jahr einen stärkeren Anstieg der Influenzafälle als in den vergangenen sechs Wochen. Zudem trägt nicht jeder seine Grippesymptome zum Arzt. Und wenn er das tut, macht der Mediziner nicht zwangsläufig einen Rachenabstrich fürs Labor. Doch nur die im Labor positiv getesteten Proben zählen für die Statistik.

Einen Ausblick darauf, wie heftig die Grippewelle um sich greift, errechnet das Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) mithilfe sogenannter Sentinel-Praxen. Rund 70 Ärzte beteiligen sich im Freistaat, gleichmäßig verteilt auf die Landkreise. In München sind vier Haus-, Allgemein- und Kinderarztpraxen dabei. Stichprobenartig nehmen die Ärzte Rachenabstriche von Patienten mit Atemwegserkrankungen, zwei dieser Proben schicken sie jede Woche an das LGL. Und auch dort ist der Trend klar: Mehr als die Hälfte aller eingereichten Abstriche ist positiv. Bayern steckt mitten drin in der Grippewelle.

Erreger verändert sich, Impfstoff passt nicht mehr

Dass diese heuer besonders stark ausfällt, liegt auch an der Tücke des Erregers vom Typ H3N2. Er ist in dieser Saison für fast drei Viertel aller Influenzafälle verantwortlich - und sehr variabel. Gegen ihn und die beiden anderen, selteneren Grippebringer, H1N1 und B-Viren, soll die Grippeimpfung schützen. So ganz gelingt das aber heuer nicht: Das Vakzin war bereits produziert, da veränderte sich der Erreger H3N2 so, dass der Impfstoff nun nicht mehr genau passt.

Bloß nicht anstecken!

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(Foto: Catherina Hess)

Christina I., Prinzessin der Münchner Narrhalla, ist derzeit ganz schön im Stress. "Sich fit halten und nicht krank werden, ist schwierig", sagt sie. Schnupfen ist im Fasching ihr treuer Begleiter. "Dass man mir das nicht ansieht, liegt wahrscheinlich an dem frischen Obst, das ich jeden Morgen esse." Dazu kämen "Vitaminkicks". "Aber sonst müssen auch ein paar Medikamente herhalten." Trotz der Erkältung freut sie sich auf das bevorstehende Faschingsfinale.

Bloß nicht anstecken!

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(Foto: Johannes Simon)

Christian Ziege, Trainer des Fußball-Drittligisten SpVgg Unterhaching, startet mit seinem Team am Samstag in die Restsaison. Bislang hat die aktuelle Grippewelle keinen der Spieler erwischt, obwohl man in Haching auf Impfungen verzichtet. "Ich habe mich einmal impfen lassen und bin prompt krank geworden, das mache ich nie wieder", sagt Ziege. Von seinen bisherigen Klubs habe nur Borussia Mönchengladbach alle Spieler geimpft, so der frühere Nationalspieler.

Bloß nicht anstecken!

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(Foto: Manfred Neubauer)

Claudia Koreck ist, wie sie sagt, "nur selten krank". Das "Mittel" der Sängerin sind ihre zwei Kinder. Die brächten aus dem Kindergarten immer wieder Infekte mit, auch ihr Mann werde dann krank. "Aber eine muss gesund bleiben", sagt Koreck, "als Mama hat man natürliche Abwehrkräfte." Ab und zu ein Gläschen Ramazzotti könne auch nicht schaden. Sie ernähre sich gesund und gehe viel an die frische Luft. Das müsse reichen, auch für die Tournee, die bald beginnt.

Bloß nicht anstecken!

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Helmut Schleich weiß: "Ist der Kabarettist gesund, verdient er seine Brötchen, ist er krank, verdient er nix." Darum heiße es Hände waschen, warm halten, Tee trinken, Sonne tanken und vor allem: nicht ständig in sich hinein horchen, ob man sich möglicherweise schon angesteckt hat und eigentlich schon verloren ist. "So komme ich (fast) jedes Jahr gut bis zum Frühjahr, wo mich dann die Blüten- Pollen absolut zuverlässig niederstrecken. Aber da ist es ja noch ein bisschen hin."

Tagsüber sind derzeit die Wartezimmer in München voll, am Abend, wenn die Praxen schließen, beginnt der Ansturm auf die Notfallambulanzen. Für Patienten heißt das: Nicht nur Husten und Fieber ertragen, sondern auch noch Warten. Drei Stunden im Wartezimmer seien keine Seltenheit, bestätigt Armin Grübl, Leitender Oberarzt der Schwabinger Kinderambulanz. Wie lange es ungefähr dauert, steht im Wartebereich auf einer großen Tafel. Gerade für Eltern oft eine Qual: "Wenn es sehr voll wird, ist die Stimmung manchmal schwierig." Die Sorge der Eltern um ihre Kinder versteht der Mediziner. "Ganz kranke Kinder warten natürlich nicht." Aber genau deshalb dauere es für andere kleine Patienten eben manchmal länger.

Nicht für jedes Kind sofort ein Bett

Notfälle zuerst - das gilt auch im Klinikum Bogenhausen. Wer in die Ambulanz kommt, wird sofort von einer Pflegekraft durchgecheckt. Gegebenenfalls gibt es einen Mundschutz, einen Platz im Isolierzimmer oder es geht direkt in den Behandlungsraum. "Jeder Zehnte kommt derzeit mit Atemwegserkrankungen", sagt Christoph Dodt, Chefarzt des Bogenhauser Notfallzentrums. Zwei von zehn Erkrankten müssten stationär aufgenommen.

Nicht alle Patienten seien tatsächlich ein Fall für die Notaufnahme, sagt der Chefarzt. Mit Grippesymptomen - Fieber über 38,5 Grad, Schüttelfrost, trockener Husten - sollten Haus- oder Kinderarzt die ersten Ansprechpartner sein. Abends und am Wochenende gebe es zudem die Bereitschaftspraxen. Wer es nicht aus dem Bett schafft, kann den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst rufen.

"Unbegrenzte Ressourcen haben wir einfach nicht", sagen beide Ärzte. Gerade in der Erkältungszeit seien natürlich auch Ärzte und Pfleger selbst häufiger krank, sagt Christoph Dodt. "Dann müssen wir die Versorgung auf den Stationen einschränken." Für Armin Grübl sind vor allem die Betten das Problem. Sie seien in der Schwabinger Kinderklinik knapp. "Gerade in der Grippezeit bekommen wir das zu spüren. Manchmal haben wir nicht für jedes Kind sofort ein Bett."

Wettlauf gegen die Zeit

Auch die Münchner Kulturlandschaft kommt in der Erkältungszeit ins Straucheln. Bei den Kammerspielen hat ein Ensemblemitglied Grippe. Der Spielplan musste am Freitag kurzfristig geändert werden, statt "Liliom" gibt es "Exiles" von James Joyce. "An solchen Tagen denkt man bei jedem Anruf: Hoffentlich nicht...", sagt ein Sprecher des Theaters. Sollte es in den nächsten Wochen bei einem Solisten der Bayerischen Staatsoper im Hals kratzen, beginnt dort ein Wettlauf gegen die Zeit.

Je früher das Opernhaus Bescheid weiß, desto eher kann Ersatz organisiert werden. Wenn es sein muss, wird ein Sänger eingeflogen. Aber nicht immer reicht die Zeit für eine Umbesetzung, weiß Sprecher Christoph Koch: "Bei akuten Fällen rufen wir Spezialärzte, die unsere Darsteller über den Abend retten, mit Inhalationsgeräten und speziellen Medikamenten."

"Mobile Reserve" für Grund- und Mittelschulen

Das Kultusministerium sorgt in der Erkältungszeit mit einer "mobilen Reserve" für Grund- und Mittelschulen vor. Die lehrenden Reservisten werden zwischen November und Februar in ganz Bayern flexibel zum Einsatz gerufen, wenn an einer Schule zu viele Lehrer krank werden. Um die Lehrergesundheit in München sei es derzeit aber noch gut bestellt, heißt es beim Referat für Bildung und Sport.

Ganz anders in den städtischen Kindertagesstätten. Dort gebe es "teilweise starke krankheitsbedingte Personalausfälle", sagt eine Sprecherin des Referats. Manche Kitas müssten deshalb früher schließen oder bei benachbarten Einrichtungen um Unterstützung bitten.

© SZ vom 14.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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