Gewalt bei der Bahn:Beschimpft, bespuckt, bedroht

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Die Zahl der Übergriffe von Fahrgästen auf Mitarbeiter der Bahn steigt deutlich. Dabei liegt München deutschlandweit an der Spitze. Die Eisenbahner- und Verkehrsgewerkschaft bemängelt fehlende Rückendeckung der Deutschen Bahn für ihre Mitarbeiter. Manche würden sich kaum noch trauen, solche Fälle zu melden.

Marco Völklein

Sie werden beschimpft, bedroht, beleidigt und bespuckt - immer öfter sehen sich die Mitarbeiter der Deutschen Bahn Übergriffen durch Fahrgäste ausgesetzt. Die Anzahl der Körperverletzungen stieg im vergangenen Jahr bundesweit um 80 auf knapp 750. Das geht aus einem internen Bericht hervor, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Die meisten Übergriffe passierten der Übersicht nach zuletzt in Bayern: Allein im vierten Quartal 2011 spielten sich 57 der bundesweit 280 Vorfälle im Bereich Personenverkehr im Freistaat ab - das war der bundesweite Spitzenwert.

Immer häufiger wird das Personal der Bahn Opfer von Übergriffen durch Fahrgäste: Die Eisenbahner- und Verkehrsgewerkschaft fordert Politik und Deutsche Bahn auf, zu handeln. (Foto: dpa)

Als "regionale Schwerpunkte" führt der Bericht neben dem Hauptbahnhof Nürnberg mehrere Orte im Münchner Raum auf: neben dem Haupt- und dem Ostbahnhof die Haltestellen Laim und Hackerbrücke. Zudem kam es auf den Linien S 1 (Flughafen/Freising-Ostbahnhof), S 2 (Erding-Petershausen) und S 3 (Mammendorf-Holzkirchen) verstärkt zu Übergriffen. Für Bayern wird zudem eine "Häufung bei Körperverletzungen nach Diskothekenbesuch" vermerkt.

Offiziell begründet die Bahn den Anstieg der Übergriffe damit, dass sie im vergangenen Jahr die Anzahl ihrer Sicherheitskräfte bundesweit von 3200 auf 3500 erhöht und diese "gezielt zu den Brennpunkten geschickt hat", so ein Konzernsprecher. Dort sei es dann vermehrt zu Rangeleien gekommen. Mit einem speziellen Training zur Deeskalation wollen die Konzernverantwortlichen gegensteuern. Laut dem internen Papier ist in Bayern zudem geplant, sich mit Vertretern der Bundespolizei in regelmäßigen "Sicherheitsrunden" auszutauschen.

Den Gewerkschaften geht das allerdings nicht weit genug. Paul Eichinger von der Eisenbahner- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) fordert vom Management mehr Rückendeckung für die Mitarbeiter. So komme es immer wieder vor, das Reisende in der "DB Lounge" am Münchner Hauptbahnhof ausfällig würden und Mitarbeiter beschimpften, mitunter sogar bespuckten. Die Mitarbeiter würden dann ein Hausverbot gegen den Fahrgast aussprechen, so Eichinger. Doch sobald sich der Fahrgast anschließend bei der Bahn beschwere, hebe der Konzern das Hausverbot wieder auf: "So fällt man den Leuten in den Rücken." Viele Bahner würden sich deshalb schon gar nicht mehr trauen, Übergriffe den Vorgesetzten zu melden, sagt der Gewerkschafter: "Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen."

Der Bahn-Sprecher entgegnet, man habe die Mitarbeiter intern aufgefordert, jede Form von Übergriffen zur Anzeige zu bringen. "Da gibt es kein Pardon und keine Grauzonen." Aus Sicht der EVG ist aber auch die Politik gefordert: So müsse der Freistaat bei der Vergabe von Regionalzugstrecken an die Deutsche Bahn oder deren Konkurrenten künftig mehr darauf achten, dass möglichst viele Züge mit mehreren Zugbegleitern besetzt werden. "Das lässt sich über die Ausschreibungen für die Strecken regeln", sagt EVG-Mann Eichinger. Auch zusätzliche Streifen durch Sicherheitsleute könne der Freistaat über diesen Weg bei den Betreibern der Schienennetze einfordern.

© SZ vom 16.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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