Gesundheitsvorsorge:Ein Pieks für alle

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Die Stadt will künftig auch Menschen ohne Krankenversicherung einen Impfschutz bieten

Von Inga Rahmsdorf

Das Gesundheitsreferat schlägt vor, eine Impfstelle einzurichten, die auch Menschen nutzen können, die keine Krankenversicherung haben. Bisher haben sie nur die Möglichkeit, von Organisationen wie Ärzte der Welt und Malteser Migranten Medizin kostenlos medizinisch versorgt zu werden. Laut Schätzungen lebten im Jahr 2016 in München mindestens 1000 Menschen, die keinen Versicherungsschutz haben, etwa ein Zehntel von ihnen sind Kinder, die einen besonders hohen Bedarf an Impfungen haben. Das Gesundheitsreferat will den Vorschlag noch in diesem Jahr in den Stadtrat einbringen.

Eine zentrale Impfstelle der Stadt wäre sehr zu begrüßen, sagt Carolin Bader von Ärzte der Welt. Die Organisation bietet in ihrer Anlaufstelle Open.Med und in einem Behandlungsbus kostenlose medizinische Sprechstunden an. Im vergangenen Jahr haben die ehrenamtlichen Ärzte dort 870 Patienten behandelt, wie Bader berichtet, darunter waren etwa 75 Kinder. Die meisten von ihnen hatten keinen oder nur einen unzureichenden Impfschutz. Hinzu kommt, dass die Patienten häufig in sehr prekären Lebensverhältnissen leben, 90 Prozent unterhalb der Armutsgrenze. Die Ärzte der Welt können in den Sprechstunden zwar Kinder impfen, nicht aber die Erwachsenen. Dafür fehlen ihnen die Ressourcen und Kapazitäten. Die Kosten für die Impfstoffe und die Lagerung seien zu hoch, sagt Bader. "Impfung ist ein Thema der öffentlichen Gesundheit." Die Zusammenarbeit mit der Stadt sei gut, das Gesundheitsreferat hatte auch bei den Organisationen angefragt, um zu klären, wie hoch der Bedarf sei.

Wenn Eltern keinen Krankenversicherungsschutz haben, sind ihre Kinder auch nicht versichert. Mindestens zweimal im Monat bieten die Ärzte der Welt daher auch eine Kindersprechstunde an. Der Kinderarzt Peter Schwick betreut die Sprechstunde seit zehn Jahren, und sie sei fast immer voll, berichtet er. Bei den Kindern, die zu ihm kommen, sei meist kein Impfschutz vorhanden oder nur ein sehr rudimentärer. Viele Eltern kämen auch mit Säuglingen. Doch der Bedarf sei viel größer. "Wir erreichen viele Menschen gar nicht", klagt Schwick. Wer nicht versichert sei, für den sei die Hemmschwelle groß, einen Arzt aufzusuchen.

Daher würde Schwick eine kostenlose Anlaufstelle der Stadt begrüßen, bei der sich jeder unabhängig vom Krankenversicherungsschutz impfen lassen könnte. Derzeit übernähmen nur einige Organisationen und Ärzte diese Aufgabe - auf eigene Kosten oder mit Hilfe von Spendern. Doch das sei eigentlich Aufgabe der öffentlichen Hand. Anlaufstellen wie Open.Med, wo Ehrenamtliche diese Arbeit machen, dürfte es in einem reichen Land wie Deutschland eigentlich gar nicht geben, sagt Schwick. Ein flächendeckender Impfschutz sei schließlich nicht nur für die Kinder wichtig, sondern auch für die gesamte Gesellschaft.

© SZ vom 24.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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