Geocacher in München:Die Koordinaten im Blick

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Seit zehn Jahren sind Geocacher als Schatzsucher unterwegs. Ein Gespräch über Bedrohung, Verletzungsrisiko und die bösen Medien.

Renate Silberbauer

Geocaching ist eine moderne Schnitzeljagd mittels GPS-Gerät. Die Münchner gehen nicht nur gemeinsam auf Schatzsuche, sondern haben auch einen Stammtisch eingerichtet und sind in einem Internet-Forum sehr aktiv. Wolfgang Wintersberger (1100 Funde) und Bernd Hartl (2800 Funde), zwei Insider der Münchner Geocaching-Szene, haben zum zehnten Geburtstag ihres Hobbys sueddeutsche.de erzählt, vor welchen Problemen ihre Freizeitbeschäftigung steht, was München für Geocacher attraktiv macht, was typische Geocacher-Verletzungen sind und warum sie auf die Medien nicht gut zu sprechen sind.

Bernd Hartl, Rainer Geier, Sabine Egel, Ingo Gegner und Wolfgang Wintersberger (von links) gehören zu den Urgesteinen der Münchner Geocaching-Szene. (Foto: Foto: Renate Silberbauer)

sueddeutsche.de: Wie sind Sie auf Geocaching aufmerksam geworden?

Wolfgang Wintersberger: Ich habe 2002 im Fernsehen einen Bericht über Geocaching gesehen und war gleich angetan. Leider hatte ich damals nicht das nötige Kleingeld, um mir ein GPS-Gerät kaufen zu können. Einige Zeit später hat mir ein Freund sein GPS-Gerät geliehen, ich bin cachen gegangen und an dem Hobby kleben geblieben.

Bernd Hartl: Mich hat mein Schwager auf das Hobby aufmerksam gemacht. Früher bin ich keinen Meter zu Fuß gegangen. Mit Geocaching habe ich mit meiner Frau, die gerne spazieren geht, einen Kompromiss gefunden: Wenn wir spazieren gehen, dann zu Caches. Am Anfang war es meist ein Familienausflug mit Frau und Kind. Inzwischen suche ich oft nach anspruchsvollen Caches, so dass meine Frau nicht mehr ganz so oft dabei ist.

sueddeutsche.de: Die Geocaching-Szene in München ist sehr aktiv. Es gibt ein Forum, regelmäßige Stammtische und Events.

Wintersberger: Genau. Zu den Stammtischen kommen zwischen 80 und 150 Leute. Wie viele Personen die Münchner Szene umfasst, kann man schlecht sagen, da zwar immer wieder Neulinge hinzukommen, aber oft auch Geocacher von der Bildfläche verschwinden. Schätzungsweise sind im Großraum München zwischen 500 und 600 Geocacher unterwegs.

sueddeutsche.de: Gibt es in München Caches, die nur mit spezieller Ausrüstung und entsprechendem Körpereinsatz zu finden sind?

Wintersberger: Es gibt diverse Kletter-Caches im Großraum München, für die man eine entsprechende Ausrüstung benötigt. Einige Caches sind in der Isar versteckt, für die der Geocacher ins Wasser muss. Manchmal rücken wir auch mit einer Leiter oder einem Schlauchboot aus. Die Auswahl des Versteckes kennt keine Grenzen. Einige Nacht-Caches kann man sogar nur mit Nachtsichtgeräten oder UV-Lampen finden.

Hartl: Die große Mehrheit sucht aber nicht nach Caches, für die man eine Spezialausrüstung benötigt. Da der Altersdurchschnitt der Geocacher in München nicht bei Mitte 20 sondern eher bei Mitte 40 liegt, sind viele nicht bereit, auf einen Baum zu klettern, nur um einen Cache zu finden.

sueddeutsche.de: Einen gewissen Risikofaktor kann man also nicht leugnen.

Wintersberger: Eine zerrissene Hose kommt öfter vor. Schmutzig wird man beim Geocachen regelmäßig. Richtig verletzt habe ich mich aber erst einmal. Da war ich in einer Höhle unterwegs und hab mir das Schienbein aufgeschlagen. Das hat sich entzündet und ich lag einige Tage im Krankenhaus. Aber abhalten lässt man sich von solchen Verletzungen nicht. Man muss auch nicht jeden Cache machen. Wenn ich mir etwas nicht zutraue, dann lasse ich es eben sein.

Hartl: Ich bin bisher mit einigen Zeckenbissen davon gekommen.

sueddeutsche.de: Auf die Presse sind Geocacher in der Regel nicht sehr gut zu sprechen. Wie ist es zu diesem Zerwürfnis gekommen?

Wintersberger: Wenn Reporter zum Geocaching mitkommen, besteht immer ein Risiko. Denn oft beschreiben sie in ihren Artikeln detailliert das Versteck. So sind schon viele Caches zerstört worden.

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Renate Silberbauer

sueddeutsche.de: Der Geocaching-Hype ist nach wie vor ungebrochen. Hat er Ihrem Hobby geschadet?

Wintersberger: Wir finden es nicht gut, dass inzwischen so viele Geocacher unterwegs sind. Wir wollen die neuen Geocacher nicht verteufeln, aber unser Problem ist momentan wirklich hausgemacht. Es sind zu viele einfache Caches ausgelegt worden, die irgendwo hinter Leitplanken und unter Bänken kleben. Diese zu suchen macht langfristig keinen Spaß. Neulinge machen sich anfangs meist auf die Suche nach einfachen Caches. Nach zehn Caches wollen sie selber einen legen und raus kommt dabei wieder ein Cache hinter einer Leitplanke. Ein Teufelskreis. Viel besser sind Caches über mehrere Stationen oder an interessanten Orten.

sueddeutsche.de: Wenn Sie einen Geocaching-Knigge aufstellen müsstet, welche Punkte würde dieser beinhalten?

Wintersberger: Man sollte sowohl beim Suchen als auch beim Verstecken das Hirn einschalten. Gänzlich ungeeignet als Versteck ist zum Beispiel eine Natursteinmauer. Wenn da einen Handvoll Geocacher auf der Suche waren und der Cache einigermaßen gut versteckt wurde, wird die Mauer zwangsläufig beschädigt. Man muss sich immer überlegen, ob Schaden entstehen kann, wenn sich 50 oder 100 Geocacher auf die Suche machen.

Hartl: Durch schlecht platzierte Caches kann man auch Anwohner in Angst und Schrecken versetzen. Wird ein Cache gelegt, ist es immer wichtig, sich in die Lage der Anwohner zu versetzen. Möchte ich, dass täglich fremde Menschen vor meinem Haus rumschleichen? Nein, das möchte ich nicht.

sueddeutsche.de: Unter Geocachern ist es verpönt, die Natur zu schädigen.

Hartl: Uns ist wichtig, dass nichts kaputt gemacht und mit der Natur pfleglich umgegangen wird. Durch die Massenbewegung sind immer mehr Geocacher in der Natur unterwegs und hinterlassen auch Spuren. Das ist beim Mountainbiking nicht anders. Wir bemühen uns um Rücksicht und wollen der Natur keinesfalls Schaden zufügen. Aber schwarze Schafe gibt es eben auch unter Geocachern.

sueddeutsche.de: Ein anderer Problempunkt von Geocaching ist das Verstecken von Caches an Bahnhöfen und Flughäfen. Dort haben die unscheinbaren Dosen schon den ein oder anderen Bombenalarm ausgelöst.

Hartl: Inzwischen sind schon einige Besitzer der Caches zur Rechenschaft gezogen worden. Sie haben den Polizeieinsatz bezahlen müssen und das ist sicherlich nicht wenig. Beim nächsten Mal werden sie ihre Verstecke hoffentlich überlegter auswählen.

Wintersberger: Ich hatte auch schon einmal Kontakt mit der Polizei, die wegen einer meiner Dosen alarmiert worden war. Ich hatte im Wald einen Munitionsbehälter der US-Armee versteckt. Mit dem Jagdpächter war es abgesprochen und den Behälter habe ich auffällig beschriftet: "Geocache. Teil eines Spiels. Bitte nicht entfernen." Sogar meine Telefonnummer stand drauf. Ein Spaziergänger hatte trotzdem Angst und hat die Polizei alarmiert. Konsequenzen hatte es für mich nicht. Der Polizeibeamte gab mir den Tipp, ich solle doch den Cache etwas harmloser aussehen lassen. Also hab ich rosa Blümchen auf den Munitionsbehälter geklebt und jetzt liegt er wieder im Wald.

sueddeutsche.de: Dass ihr mit der Polizei ein durchwegs gesundes Verhältnis pflegt, zeigt die Tatsache, dass die Kripo Erding kürzlich um die Mithilfe der Geocacher-Gemeinschaft bei der Aufklärung eines Mordfalls gebeten hat.

Wintersberger: Genau, in der Nähe des Tatortes liegt ein Geocache. Es könnte also durchaus sein, dass Cacher zum Tatzeitpunkt unterwegs waren und etwas Verdächtiges beobachtet haben. Deswegen hat die Polizei um unsere Mithilfe gebeten.

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