Gedenkort im Olympiadorf:Ein guter Kompromiss

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Ankie Spitzer wünscht sich ein lebendiges Gedenken an das Olympia-Attentat von 1972. Das Foto zeigt sie bei einer Gedenkfeier 2012. (Foto: Johannes Simon)

Bei dem Olympia-Attentat hat Ankie Spitzer ihren Mann verloren, noch heute fallen ihr Besuche in München schwer. Doch von den umstrittenen Plänen für einen Gedenkort im Olympiadorf ist die Sprecherin der Opfer des Olympia-Attentats angetan.

Von Dominik Hutter

Es kommt kein böses Wort über ihre Lippen. "Ich verstehe die Problematik", sagt Ankie Spitzer, und wichtig sei ja vor allem, dass das Projekt vorankommt. Das Projekt, das ist der geplante Gedenkort an das Olympia-Attentat von 1972. Spitzer hat damals ihren Mann verloren, den israelischen Fechter André Spitzer. Um ihn und die elf weiteren Opfer der palästinensischen Terrorgruppe Schwarzer September soll es gehen in der neuen Erinnerungsstätte auf einem Hügel an der Connollystraße im Olympiadorf. Um ihre Biografie, um die Ereignisse jener Septembertage, aber auch um die symbolische Bedeutung der Spiele und den internationalen Terrorismus.

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Den Anwohnern im Olympiadorf geht es um ihren Schlittenhügel, den sie nicht opfern wollen, um Sicherheitsbedenken und das Gefühl, nicht rechtzeitig gefragt worden zu sein. Mehr als 900 Unterschriften haben sie gegen den Standort Connollyberg gesammelt. Kann man das wirklich verstehen? Muss man?

Ein Kompromiss, der funktioniert

Mit dem nun von Kultusminister Ludwig Spaenle vorgeschlagenen Ersatzstandort etwa 100 Meter weiter östlich kann sich Spitzer durchaus anfreunden. Ein Kompromiss sei das, sagt sie bei einem Besuch im Maximilianeum. Und sie sagt, dass es stets schwierig sei, nach München zurückzukommen. Jetzt aber, da es das Projekt gebe, falle die Reise leichter. Spitzer will bei einem der nächsten Besuche ihre Kinder und ihren Enkel mitbringen. Daheim in Israel will sie die Pläne aus dem fernen München mit den Familien der anderen Opfer besprechen. Besonders bedeutsam sei, dass eine Stätte entstehen soll, mit der auch die Persönlichkeiten der Opfer gewürdigt werden. Das sei viel, viel mehr als ein einfacher Gedenkstein bieten könne. "Das ist sehr wichtig."

Die Debatte in München hat längst eine internationale Dimension bekommen, wie Spaenle berichtet. Der Minister hat das Konzept an Pfingsten bei einem Israel-Besuch im dortigen Außenministerium vorgestellt und war nach eigener Auskunft auf Zustimmung gestoßen. In israelischen Zeitungen, so erzählt Spitzer, sei der geplante Erinnerungsraum in München immer wieder ein Thema.

An der Connollystraße 31, wo die Geiselnahme am 5. September 1972 begann, erinnert bislang nur eine Gedenktafel an die israelischen Opfer. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Spitzer ist eigens für drei Tage nach München gereist, um sich über die Gedenkstätte zu informieren - zusammen mit Ilana Romano, der Witwe des Gewichthebers Josef Romano, den die Geiselnehmer noch in der israelischen Sportlerunterkunft an der Connollystraße 31 angeschossen hatten und dann verbluten ließen. Die beiden Frauen haben sich zusammen mit dem israelischen Generalkonsul Konzept und architektonische Entwürfe vorstellen lassen, und sie haben einen ausführlichen Besuch auf dem Olympiagelände absolviert. Wobei ihnen wohl nicht entgangen sein dürfte, dass dort eigentlich kein Mangel an schlittentauglichen Hügeln besteht. Spitzer und Romano aber ging es vor allem um die beiden Standorte: den alten, schon abgelehnten, und den neuen, gegen den sich schon wieder Widerstand regt. Einige Anwohner wollen entlang der Dämme rund um die Connollystraße überhaupt keinen Eingriff dulden. Ein Studentensprecher erinnerte bei der jüngsten Sitzung des örtlichen Bezirksausschusses an die vielen lustigen Partys, die dort des Sommers geschmissen würden.

Die Konzeption soll gleich bleiben

Den Verantwortlichen im Ministerium gefällt besonders, dass vom neuen Standort der Gedenkstätte aus der alte, also der Connollyberg, zu sehen sein wird. Der ist auch von Pressefotos bekannt. Im September 1972 drängelten sich die Journalisten auf dem kleinen Gipfel, um möglichst viel mitzubekommen von dem Geschehen in der nahe gelegenen Connollystraße 31. Ein Bild, das unverkennbar aus einer anderen Zeit stammt - dass die Weltpresse so nahe an den Ort einer bewaffneten Geiselnahme gelassen wurde, wäre angesichts heutiger Sicherheitsphilosophien unmöglich. Damals aber zählte Offenheit zu den Prinzipien der Spiele, bei denen nichts an den martialischen Pomp von Berlin 1936 erinnern sollte.

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Die Konzeption des Erinnerungsorts soll auch am neuen Standort gleich bleiben. Geplant ist ein symbolischer Einschnitt in den Olympiapark: Die Spitze des Hügels wird abgetrennt und mit Säulen einen Meter nach oben versetzt. In die eigentliche Gedenkstätte hingegen geht es einige Stufen abwärts, der Raum dazwischen soll die Ausstellung aufnehmen. Nach jetzigem Stand ist eine Rund-um-die-Uhr-Öffnung bei freiem Eintritt geplant. Spaenle setzt nun auf einen moderierten Dialog mit den Anwohnern und will im März 2015 die weiterentwickelten Entwürfe vorstellen. Sollte es klappen mit einem Baubeginn noch 2015, könnte der Gedenkort im September 2016 eröffnet werden.

© SZ vom 28.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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