Mehr Wohnungen:Fürstenrieder sollen zusammenrücken

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Besonders schützenswert ist dieser Bereich am Südrand der Stadt, wie der Ortstermin mit Rudolf Nützel (links) und Gisela Krupski ergab. (Foto: Bund Naturschutz/oh)

Stadt und Bayerische Versorgungskammer planen im Viertel den Bau von 600 zusätzlichen Wohnungen. Bund Naturschutz und Anwohner fürchten jedoch im Zuge der Nachverdichtung um ökologisch wertvolles Grün

Von Jürgen Wolfram, Fürstenried

In den nächsten Jahren Wohnraum für Zehntausende Menschen zu schaffen, ist das erklärte Ziel der Stadt München. Bestrebungen der Bayerischen Versorgungskammer (BVK) kommen ihr da wie gerufen. Die Vertreterin von fünf berufsständischen und kommunalen Versorgungswerken hat Interesse signalisiert, ihre 13,5 Hektar große Sechzigerjahre-Wohnsiedlung an der Appenzeller Straße und an der Bellinzonastraße in Fürstenried-West nachzuverdichten. Zugleich möchten Privateigentümer auf einem Areal von etwa 0,6 Hektar entlang der Zuger Straße zusätzliche Wohnungen errichten. Unterm Strich könnte das Planungsgebiet um 600 Wohneinheiten wachsen. Aus Sicht des Referats für Stadtplanung und Bauordnung gehen die Vorhaben einher mit der Notwendigkeit zur Errichtung "neuen Wohnraums für die stetig steigende Bevölkerung Münchens bei gleichzeitig knapper werdenden Flächen".

Die "Großwohnanlage Fürstenried-West" sei dafür ein geeigneter Standort. Um ein "qualitätsvolles Gesamtkonzept" zu gewährleisten, wird ein städtebaulicher und landschaftsplanerischer Wettbewerb eröffnet. Die Realisierung soll dann stufenweise vom Jahr 2020 an erfolgen. Bereits begonnen haben unterdessen die Vorbereitungen für den seit längerem beschlossenen Bau eines weiteren Wohnturms beim Sparkassenhochhaus in Fürstenried-Ost. Wegen der Dimension der Nachverdichtungspläne für den Westteil des Stadtviertels, mit denen sich im Februar der Bezirksausschuss (BA) 19 (Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln) befassen wird, ist unter den Anwohnern bereits Nervosität spürbar. Bei einem Ortstermin haben die Anwohnervertreterin Gisela Krupski und der Geschäftsführer der Kreisgruppe München im Bund Naturschutz, Rudolf Nützel, schon einmal aufgelistet, welche Grünflächen unbedingt unangetastet bleiben sollten. Insbesondere der bewaldete Wall an der Grenze zur Gemeinde Neuried sowie mehrere Baumgruppen an den Rändern des Planungsgebiets zählen für Krupski dazu, denn dort seien zahlreiche Vogelarten beheimatet. Gegen die Aufstockung bestehender Gebäude, die neben Neubauten zur Nachverdichtung beitragen sollen, haben die kritischen Begleiter des BVK-Vorhabens keine Einwände. Nützel: "Irgendwo muss die Stadt ja Wohnungen bauen." An Stellungnahmen zum Projekt feilen seit Tagen die Fraktionen im Bezirksausschuss. Die SPD hat vorab einen Fragenkatalog vorgelegt. Sie möchte geklärt wissen, ob in dem betreffenden Gebiet "erhaltenswerte Grünbestandteile" vorhanden sind. Ferner verlangen die Sozialdemokraten Auskunft darüber, ob sich die Parkplatzsituation am Ende so zuspitzen könnte, dass eine Anwohner-Parklizenz nötig wird.

Wie aus dem Entwurf einer Sitzungsvorlage für den Stadtrat hervorgeht, bewertet das Planungsreferat solche Probleme gelassen. Die Behörde bestätigt zwar "einen Bestand zum Großteil erhaltenswerter Bäume" und die Existenz "wichtiger Tier- und Pflanzenarten". Man werde so weit als möglich darauf Rücksicht nehmen. Die Grünstruktur könne durch nutzbare Dachgärten sogar verbessert, die ökologischen Funktionen des Naturhaushalts durch den Rückbau oberirdischer Stellplätze "etwas kompensiert" werden. Eine absehbare Zunahme des fließenden und ruhenden Individualverkehrs wird nicht bestritten. Laut einem Gutachten dürfte das Verkehrsaufkommen als Folge der Nachverdichtung um rund 2000 Kfz-Fahrten pro Tag zunehmen. Andererseits habe eine "intensive Analyse" ergeben, dass das Planungsgebiet "intakt und leistungsfähig" sei. Der Städtebau lasse daher "eine moderate Verdichtung ohne Verlust vorhandener Qualitäten" durchaus zu. Nächstgelegener Knotenpunkt des öffentlichen Nahverkehrs ist der U-Bahn- und Busbahnhof Fürstenried-West. Die Hälfte der geplanten zusätzlichen Wohnungen liege innerhalb eines 600-Meter-Radius' um den U-Bahnhof. Auch der Zubringerbus der Linie 166, der in dem Areal fünf Haltestellen bedient, trage zu einer guten ÖPNV-Abdeckung der Gegend bei. Ergänzungsbedarf hat das Planungsreferat bei der sozialen Infrastruktur ausgemacht. Erkennbar sei ein zusätzlicher Bedarf an Kindertageseinrichtungen. Bei 600 zusätzlichen Wohnungen bedürfe es 49 neuer Krippenplätze, 105 Kindergartenplätze und 127 Grundschulplätze.

Das Nachverdichtungsprojekt befindet sich im Sprengel der Grundschule an der Walliser Straße 5. Erweiterungsmöglichkeiten bestehen dort jedoch nicht. Deshalb werde geprüft, ob der zusätzliche Raumbedarf durch Auslagerung der Mittelschule in einen Neubau auf dem Areal der Grundschule an der Königswieser Straße 7 gedeckt werden könne. Wie sich an derart detaillierten Betrachtungen ablesen lässt, sind die Nachverdichtungspläne weit gediehen. Gisela Krupski, die Naturliebhaberin, würde sich trotzdem wünschen, dass sie ihre Bedenken wegen des Grün-Schwunds noch vorbringen kann.

© SZ vom 20.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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