Umwelt:Machete, Spaten, Schutzkleidung

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Seit Jahren versuchen ehrenamtliche Helfer vom Bund Naturschutz die Ausbreitung des giftigen Riesenbärenklaus zwischen Olching und Gröbenzell zu stoppen. Allein sind sie der Aufgabe aber nicht mehr gewachsen

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell/Olching

Barbara Chandani Sittl macht sich regelmäßig ausgerüstet mit einem Pickel, einem Spaten, einer etwa 70 Zentimeter langen Machete und großen Müllsäcken auf den Weg zum kleinen Olchinger See. Spaziergänge wie die, die sie sonst mit ihrem Hund macht, sind das keine, sondern harte Arbeitseinsätze. Die zierliche Frau tut etwas, was eigentlich die Aufgabe von Grundstückseigentümern und Kommunen wäre, wie sie sagt, und nicht von ehrenamtlichen Mitgliedern vom Bund Naturschutz, bei dem sich Sittl engagiert. Sie versucht zu verhindern, dass sich der Riesenbärenklau, der auch Herkulesstaude genannt wird, in dem Erholungsgebiet weiter ausbreitet. Allerdings ist die explosionsartige Verbreitung bereits voll im Gang und Sittl hat eingesehen, dass ihre Bemühungen fast aussichtslos sind.

Schließlich gibt es hier am Rand von Spazierwegen und Pfaden durch die Maisfelder beachtliche Bestände des drei bis vier, in Ausnahmefällen sogar fünf Meter hohen invasiven Neophyten, dessen Blätter einen Durchmesser von bis zu einem Meter haben können. Und jede einzelne Pflanze bildet an riesigen weißen Blütendolden bis zu 5000 äußerst widerstandsfähige Samenkörner aus. Sollten diese, wie westlich vom kleinen Olchinger See, in einen Graben fallen und irgendwo angetrieben werden, können sie noch nach sechs oder sieben Jahren keimen und austreiben.

Naturschützer fühlen sich im Kampf gegen die Herkulesstauden alleingelassen. Barbara Sittl (links) und Ariane Zuber aus Gröbenzell demonstrieren in der Nähe des kleinen Olchinger Sees, wie Herkulesstauden beseitigt werden. (Foto: Johannes Simon)

Trotzdem passiert fast nichts, was für Ariane Zuber, die Vorsitzende der Gröbenzeller Ortsgruppe vom Bund Naturschutz (BN) völlig unverständlich ist. Kreisrätin Ingrid Jaschke (Grüne) hat sich bereits ans Landratsamt und die Stadt Olching gewandt. Von den Reaktionen ist sie enttäuscht. So wies Landrat Thomas Karmasin (CSU) die Grüne in seiner Antwort darauf hin, dass seine Behörde seit Jahren die Kommunen und die Bevölkerung regelmäßig informiere und sensibilisiere, die gefährlichen Pflanzen zu bekämpfen.

Die Stadtverwaltung Olching erinnerte Jaschke daran, dass Mitglieder der Ortsgruppen Gröbenzell und Olching vom Bund Naturschutz am Zitzstaudengraben ihren Aktivitäten einstellten, weil private Grundstückseigentümer sie nicht unterstützt hätten. Erwähnt werden aber auch Experten, die auf die Bedeutung des aus dem Kaukasus als Zierpflanze eingeführten Riesenbärenklaus als Bienenweide in einer ausgeräumten Agrarlandschaft hinweisen. Jaschke und Sittel empfinden solche Antworten als Hohn.

Mit verheerenden Folgen. Ist eine einzelne Pflanze schon eindrucksvoll, ist der Anblick des größten Bestands zwischen Olching und Gröbenzell mit weit mehr als 500 dieser grünen Riesen einerseits sehr eindrucksvoll, andererseits mindestens ebenso befremdlich. Man fühlt sich in eine andere Welt versetzt, im Hochsommer wähnt man sich fast wie am Rand eines Tropenwalds. Dazu kommt ein mulmiges Gefühl. Sind doch die Herkulesstauden auch noch gefährlich. Die Folgen sind den Händen von Sittl anzusehen. An mehreren Stellen ist deren Haut auf größeren Flächen rot verfärbt. Schon eine Berührung mit der Pflanze kann zu Verbrennungen und schmerzhaften Quaddeln führen, die oft erst nach Wochen oder Monaten verheilen, sagt die Gröbenzellerin. Vor allem Kinder, die sich regelmäßig in dem Gebiet aufhalten, seien zu schützen, fordert Zuber.

Die Verbrennungsgefahr ist auch der Grund, weshalb der Riesenbärenklau 2008 zur Giftpflanze des Jahres erklärt wurde. Sie sondert fotosensibilisierende Substanzen oder Furanocumarine ab, die vor allem bei Sonnenschein den natürlichen Sonnenschutz der Haut auflösen. Obwohl Sittl bei ihrer Arbeit in der Nähe des kleinen Olchinger Sees Gummihandschuhe trägt - unbedingt geraten wird sonst noch zu Schutzkleidung, Schutzbrille, Gesichtsschutz und Gummistiefeln - verletzt sie sich immer wieder. Die Inhaltsstoffe des Pflanzensaftes durchdringen nämlich Textilien, aber auch Gummihandschuhe. Weshalb das Brucker Landratsamt dazu rät, Gummistiefel nach der Bekämpfung des Riesenbärenklaus von oben her mit einem Desinfektionsmittel abzubürsten. Beim Pressetermin verzichten Sittl und Zuber weitgehend auf die übliche Schutzkleider. Wollen sie doch auf den Fotos noch zu erkennen sein.

Die Beseitigung der krautigen Staudenpflanzen ist eine mühsame, langwierige Angelegenheit. Zuerst werden die Blütendolden und Blätter mit der Machete abgeschlagen und in Säcke verpackt, dann der Strunk gekürzt. Erst jetzt kommt der Pickel zum Einsatz. Um die Wurzel auszugraben, lockert die Naturschützerin mit ihm kreisförmig um den Strunk das Erdreich auf. Dann kann sie mit dem Spaten die kräftige Wurzel herausstechen und ebenfalls in einem Sack verpacken. Die Tüten bringt sie später zum Sperrmüll, damit die Pflanzen verbrannt werden. Eine Beseitigung als Gartenabfall oder Grüngut wäre leichtfertig, da das nur zur weiteren Verbreitung beitragen würde. Wird nur die krautige Staude abgeschlagen, wachsen neue Fruchtstände nach. Unreife abgeschlagene Blütenstände können eine Notreife durchmachen, weshalb auch sie unbedingt verbrannt werden sollen.

Seit fünf Jahren kümmert sich Sittl mit Helfern um die Beseitigung eines Großbestands von Herkulesstauden nördlich der Staatsstraße zwischen Olching und ihrem Wohnort. Hier sind sie und ihre Unterstützter relativ erfolgreich gewesen. In diesem Jahr blühten dort nur noch vier bis fünf Stauden. Nach Sittls Erfahrungen wachsen immer wieder Pflanzen nach, weshalb es sechs bis sieben Jahre dauert, bis ein Bestand endgültig ausgerottet ist.

Allerdings schreitet in dem Gebiet zwischen Olching und Gröbenzell die Verbreitung auf anderen Flächen so rapide voran, dass sich die freiwilligen Helfer überfordert fühlen. Barbara Sittl fordert deshalb eine gemeinsame Aktion von Kommunen, Landratsamt, Bauhöfen, Grundstückseigentümern und ehrenamtlichen Helfern, um die Ausbreitung des Neophyten und die Verdrängung einheimischer Pflanzen zu stoppen. Am liebsten wären ihr zudem noch Paten, die sich so lange um einen bestimmten Bestand kümmern, bis dieser ausgerottet ist.

Laut Eugenie Scherb, der BN-Kreisvorsitzenden, breitet sich der gefährliche Riesenbärenklau inzwischen im gesamten Landkreis aus. Ohne die Unterstützung der Kommunen könnten ehrenamtliche Naturschützer die Aufgabe nicht mehr bewältigen, beteuert auch sie. Weshalb die Gröbenzeller BN-Ortsvorsitzende Ariane Zuber kein Verständnis dafür hat, dass die Städte und Gemeinden kaum etwas unternehmen. Der größte Fehler bestehe darin, dass sich niemand verantwortlich fühle, sagt Barbara Chandani Sittl. Das müsse sich ändern. "Es ist Zeit, dass die Menschen etwas für die Natur tun. Das ist mein Anliegen", beteuert sie. Für dieses Anliegen nimmt die Naturschützerin große Brandblasen an ihren Händen in Kauf. Das schmerzt sie weit weniger als die Folgen der explosionsartigen Ausbreitung der Herkulesstaude. Wo sich der Riesenbärenklau ansiedelt, verdrängt er nämlich die einheimische Vegetation fast völlig.

© SZ vom 25.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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