Türkenfeld:Auf Biegen und Brechen

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Der Türkenfelder Künstler Gerd Jacobsen erschafft dreidimensionale Grafiken. Sie beschäftigen sich mit einem unauflösbaren Konflikt

Von Florian J. Haamann, Türkenfeld

Die Kunstwerke von Gerd Jacobsen werden in großer Hitze geboren, in einem schweißtreibenden Prozess. Denn, so erzählt der 76-Jährige, die Ideen für seine plastischen Grafiken kommen ihm meist in der Sauna. Dort bekomme er den Kopf frei und die Kunstwerke entstünden wie von selbst vor seinem inneren Auge. "Danach ist das Werk eigentlich schon komplett fertig, ich muss es dann nur noch umsetzen", erzählt Jacobsen. Auch das ein anstrengender Akt - denn für die metergroßen, quadratischen und dreidimensionalen Kunstwerke verarbeitet er Materialien wie Holz, Plastik und Metal. Deshalb sieht sein Arbeitszimmer mit einem Schraubstock in der Mitte und mehreren Arbeitsbänken auch eher nach Werkstatt als nach Atelier aus.

Aktuell arbeitet er an zwei Werken gleichzeitig, etwa zwei Monate braucht er dafür jeweils. In einem der weißen Rahmen liegt spiralförmig ein Kupferrohr. "Irgendwie komme ich damit momentan nur schwer voran. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Biegen und Brechen. Deswegen habe ich noch etwas anderes angefangen", sagt Jacobsen. Im zweiten Rahmen hat er bereits mehrere Metallspiralen befestigt. "Da ich Rentner bin, habe ich nicht zu viel Geld für Material. Fehlkäufe kann ich mir nicht leisten. Deswegen muss alles so werden, wie ich es mir vorher denke. Das ist unausweichlich", so Jacobsen. Trotz zahlreicher Angebote will er seine Bilder nicht verkaufen - zumindest noch nicht. Er wolle sein Werk einfach zusammenhalten. "Doch irgendwann werde ich verkaufen müssen, dass weiß ich. Aber soweit bin ich noch nicht. Vielleicht in ein, zwei Jahren."

Seine ersten künstlerischen Schritte hat Jacobsen in Paris gemacht. Dorthin ist er Anfang der Sechzigerjahre als 21-Jähriger gegangen. "Ich stamme aus einer einfachen Familie und wollte einfach weg. Irgendwie hat mich Paris angezogen, irgendetwas war dort, was ich erleben wollte. Und ich habe schnell Leute kennen gelernt, die genauso dachten. Wir sind durch die Museen gezogen und haben und alles angeschaut. Es war faszinierend", erinnert sich der gebürtige Hamburger. Besonders die Impressionisten und die Expressionisten hätten ihn damals begeistert. "Irgendwann springt dich etwas an und du weißt genau, ja, das ist es." In der ersten Zeit habe er vor allem konkrete Dinge gezeichnet, überall, jederzeit. Auch später auf der Hochzeitsreise mit seiner Frau, die er in Deutschland kennengelernt hat. Dann allerdings, als das erste Kind unterwegs war, hat der Autodidakt Jacobsen die Kunst erst einmal Ruhen lassen - für volle dreißig Jahre - und in einem Verlag gearbeitet. Erst als er 2006 in Rente ging, hat er wieder angefangen. Und sich auf seine Grafiken gestürzt. Seitdem arbeitet er täglich daran.

Das große Thema seiner Kunst ist das Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichen Strukturen und der - am Ende doch unerreichbaren - Freiheit. Seine Grafiken zeigen perfekte Strukturen, vor allem Kreise und Linien. "Aber in jedem Bild muss irgendetwas nicht stimmen und sei es ein einzelnes Holzstäbchen das nicht genau ausgerichtet ist", so Jacobsen. In vielen seiner Werke findet sich in der Mitte eine meist metallene Kugel. Naben gibt er den Bildern nicht. "Ich möchte dem Betrachter nicht schon von vornherein irgendeine Richtung oder meine Interpretation vorgeben." Eines seiner neusten Werke, besteht aus einem dunkeln Holzring durch den sich von beiden Rändern des Bildes mehrere Stäbe bohren, die zur Mitte hin immer dunkler werden. Auch hier sieht man wieder den Versuch eines Durchbruchs, einer Flucht aus der Struktur. Aber egal, wie sehr sich die Stäbe sich strecken, sie werden niemals die Enge des Rings verlassen können.

Einmal wäre Jacobsens Weigerung zu verkaufen fast schief gegangen. Bei einer Ausstellung in Deutschland hat er einen französischen Maler und Galeristen kennengelernt. Dem haben die Werke so gut gefallen, dass er Jacobsen eingeladen hat, in Frankreich auszustellen. Mit einem befreundeten Künstler und einem Anhänger voller Kunst ist er dann nach Frankreich gefahren. "Beim Abladen hat mich eine der Organisatorinnen dann gefragt, wie viel ich für die Bilder verlange und ich habe ihr gesagt, dass ich nicht verkaufe. Sie meinte, dann könne ich auch nicht ausstellen". Erst durch die Intervention des Galeristen durfte Jacobsen doch teilnehmen. "Allerdings musste ich 200 Euro Gebühr bezahlen. Ich habe ihm gesagt, dass das ganz schön weh tut. Er hat dann etwas sehr Wahres geantwortet: Das macht gar nichts. Kunst muss weh tun."

Die Werke von Gerd Jacobsen sind von 26. Juni bis zum 5. Juli jeweils am Wochenende von 14 bis 18 Uhr im Studio Rose in Schondorf zu sehen. Dort stellt er gemeinsam mit Eugen Winter aus.

© SZ vom 20.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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