SZ-Serie Energiewende 2030:Der Umstieg als Wahlversprechen

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Elf Politiker, die in Bundestag oder Landtag einziehen wollen, legen bei Podiumsdiskussion dar, wie schnell sie die Unabhängigkeit von Öl und Gas erreichen wollen.

Von Stefan Salger

Zwölf auf einen Streich: Die elf Bundestags- und Landtagskandidaten und Moderator Christian Hufnagel auf der Bühne im Säulensaal von Fürstenfeld. (Foto: Günther Reger)

Thomas Goppel und Klaus Wollenberg sind bei einer Podiumsdiskussion am Donnerstag zum Thema Energiewende unter Druck geraten und mussten sich teils scharf formulierter Vorwürfe erwehren. Die Landtagskandidaten von CSU und FDP wurden von den Vertretern der anderen Parteien und Gruppierungen für angebliche Versäumnisse der Regierungskoalition aus CSU und FDP in die Pflicht genommen. Elf Kandidaten, die bei den bevorstehenden Landtags- und Bundestagswahlen für einen Fürstenfeldbrucker Stimm- oder Wahlkreis kandidieren, diskutierten vor rund hundert Zuschauern über Themenfelder wie Stromerzeugung, Wärmedämmung und Nahverkehr.

Alexa Zierl, Vorsitzende des Klimawendevereins Ziel 21, bezeichnete die von SZ-Redaktionsleiter Christian Hufnagel moderierte Expertenrunde als "experimentelle Veranstaltung". Erstmals in diesem Wahlkampf trafen nahezu alle Parteien- und Gruppierungen, die Kandidaten für die beiden Wahlen ins Rennen schicken, direkt aufeinander, um über eines der Themen zu diskutieren, die im Landkreis die Gemüter erhitzen. Nur die Alternative für Deutschland war aus organisatorischen Gründen nicht vertreten. Die Veranstalter, Bund Naturschutz, Sozialforum Amper und Ziel 21, setzen darauf, dass sich die Kandidaten im Falle eines Wahlerfolgs an ihre Ankündigungen halten und damit die Energiewende im Landkreis voranbringen.

Die Weichen für den Ersatz fossiler Energieträger werden zwar auf Landes- und Bundesebene gestellt. Dennoch müsse man die Menschen in Stadt und Gemeinde mitnehmen, machte Hufnagel klar.

Wende wohin und bis wann?

Der Landtagsabgeordnete Thomas Goppel (CSU) warnte davor, dem Bürger zu viel zuzumuten. Die Politik sei auch "nicht dazu da, Träume zu entwickeln". Er schloss zwar die Rückkehr zur Atomkraft aus, will sich aber den Einsatz von Kohle, Erd- und Biogas offenhalten. Auch Landtagskandidat Klaus Wollenberg (FDP) will mit Blick auf hohe Belastungen für Gewerbe und Industrie grundlastfähige Gas- und Kohlekraftwerke erhalten. Eine Meinung, die ihm vom ÖDP-Bundestagsabgeordneten Adrian Heim den Vorwurf einer steinzeitlichen Denkweise eintrug. Heim: "Wir brauchen gar keine Grundlastkraftwerke mehr, sondern lediglich schnell zuschaltbare Gaskraftwerke." Landtagskandidat Gottfried Obermair (Freie Wähler) geißelte fehlenden Ehrgeiz. Würden Energie gespart und Effizienz gesteigert, dann könne der völlige Umstieg sehr wohl gelingen, so Obermair, der sich für die Einrichtung eines Energieministeriums aussprach. Und Bundestagskandidat Michael Schrodi (SPD) war sich einig mit Landtagskandidat Andreas F. Ströhle (Piraten): "Die fossilen Energieträger sind irgendwann mal weg" und würden bei zunehmender Verknappung auch immer teurer. Auch der Landtagsabgeordnete Martin Runge (Grüne) wischte Bedenken vom Tisch. Erdöl sei viel zu schade zum Verbrennen und solle etwa dem Einsatz in der Pharmazie vorbehalten bleiben. Bayern müsste nach Runges Überzeugung mehr Ehrgeiz an den Tag legen, um den heutigen Energieverbrauch auf die Hälfte oder gar ein Drittel zurückzufahren - auch mit Hilfe effizienter Technik, die in der Folge auch exportiert werden kann. Regenerative Energie sei "friedliche Energie", ergänzte Eva Bulling-Schröter, Vorsitzende des Bundestags-Umweltausschusses (Linke). Sie setzt auf Dezentralität und Bürgerbeteiligung.

Wie wird künftig Strom erzeugt?

Bei Wasserkraft und Fotovoltaik sei man schon stark, sagte Runge. Die Einspeisevergütungen seien bereits abgesenkt worden. Würde das System durch ein Quotenmodell ersetzt, mit dem den Energieversorgern lediglich noch die Quote der Erneuerbaren in seinem Strommix vorgeschrieben würde, dann gehe das auf Kosten Bayerns. Dann profitieren große Windparks eher als lokale Kleinerzeuger. Für Wollenberg aber ist es ein Unding, dass die Betreiber von Fotovoltaikanlagen hohe, garantierte Erträge bei Null Risiko hätten. Das Augenmerk müsse mehr der Entwicklung einer Speichertechnologie gelten als dem rasanten Ausbau. Wollenberg sprach sich für die Disziplinierung der vier großen Energieversorgungskonzerne aus. Außerdem, fügte Landtagsabgeordneter Jörn Weichold (Linke) hinzu, seien die Ausnahmeregelungen für besonders energieintensive Konzerne ein Unding. Goppel mahnte beim Thema Fotovoltaik generell mehr Berücksichtigung des Denkmalschutzes an.

Die Forderung Obermairs nach deutlich mehr Windkraft wies er aber mit Hinweis auf die Belange der Bürger ebenfalls zurück. Die Standorte könne man nicht mit dem Vorschlaghammer auswählen. Für die Landtagsabgeordnete Kathrin Sonnenholzner (SPD) ein Beleg, dass die CSU gar nicht wirklich will. Ministerpräsident Seehofer habe mit seinen Plänen, die Mindestabstände deutlich zu vergrößern, eine unsinnige Debatte entfacht: "Wir waren im Landkreis auf einem guten Weg". Und dann mache Seehofer das Sankt-Florians-Prinzip salonfähig und gefährde die Energiewende. Die Akzeptanz will Sonnenholzner durch mehr Bürgerbeteiligung und Einnahmen vor Ort fördern - eine Strategie, die auch Heim empfiehlt. Die Energiewende müsse man den Menschen besser erklären, forderte Obermair der als Feuerwehrkommandant auch die Sorgen einer Zuschauerin zerstreute, Fotovoltaik auf dem Dach gehe einher mit größerer Brandgefahr. Und erwiesen sich solche Anlagen, oder jene zur Nutzung der Windkraft, irgendwann als technisch überholt, könne man sie "viel, viel schneller wieder abbauen als ein Atomkraftwerk". Nicht immer sei wohl ein Abstand von 2000 Metern nötig, räumte Wollenberg ein, auch wenn er Verständnis für Bürgerinitiativen wie die in Aich signalisierte. Er riet zur individuellen Prüfung von Standorten. Mit solchen Vorbehalten riskiere man die Windkraft ganz zum Erliegen zu bringen, schimpfte Runge. Eine solche feste Abstandsgrenze lasse sich gar nicht rechtfertigen. Mit seiner dummen Verunsicherungspolitik habe "Drehhofer" just an diesem Tag eine Bauchlandung im Bundesrat gemacht. "Seehofer hat alles über Bord geworfen", pflichtete Schrodi bei, der vor allem auf mehr Planungssicherheit pochte.

Mehr Förderung für Dämmung?

Mit Hilfe eines KfW-Darlehens habe er sein eigenes Haus gedämmt, so Bundestagskandidat Bernd Heilmeier (Freie Wähler). "Statt 2500 Euro habe ich jährlich nur noch 800 Euro Heizkosten, nach zehn Jahren mache ich plus. Man muss das den Leuten nur kommunizieren." Weil 40 Prozent der CO2-Emissionen auf den Heizungsbereich entfällt, sieht Runge Bund und Land in der Pflicht, mehr steuerliche Anreize zu setzen. Flankiert werden könne eine Dämmung mit einer solarthermischen und damit höchst effizienten Anlage. Förderprogramme seien zu unübersichtlich, klagte Sonnenholzner, die sich für eine "Abwrackprämie" für alte Heizkessel aussprach und für ein Wärmekataster des Landkreises, anhand dessen nutzbare Abwärme im eigenen Umfeld sichtbar wird. Außerdem solle der Bund doch bitteschön die Gemeinden bei der Sanierung eigener Liegenschaften unterstützen. Wichtig ist es nach Ansicht Bulling-Schröters, durch eine Kompensation zu verhindern, dass die Mieten durch eine energetische Sanierung in die Höhe getrieben werden: "Sonst wird die Wende nicht akzeptiert."

Was ist mit dem Verkehr?

Im Ausbau von Flughäfen und Straßen und der Steuerbefreiung von Flugbenzin sehen Runge und Heim einen Irrweg. Der Individualverkehr würde sich nach Wollenbergs Überzeugung aber vor allem durch die Schaffung von qualifizierten Arbeitsplätzen am Wohnort reduzieren lassen. Obermair kritisierte die in Bruck geplanten Parkgebühren am S-Bahnhof ebenso wie die Verzögerungen beim viergleisigen Ausbau der S 4. Runge wies der Staatsregierung die Hauptschuld am stockenden Ausbau zu. Diese habe ihre Prioritäten geändert und das Projekt "beim Bund abgemeldet", auch wenn Goppel nun versuche, der Bahn die Schuld in die Schuhe zu schieben. Die Bahn sei ohnehin "eine öffentliche Aufgabe", und den Mangel an Zuggarnituren hält Runge für einen Skandal.

© SZ vom 07.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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