SZ-Serie: Der Ferienreporter:Tonnenweise Arbeit

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Den süßlich-moderigen Geruch, der sie bei ihrer Arbeit begleitet, nehmen die Männer der Maisacher Entsorgungsfirma längst nicht mehr wahr. (Foto: Günther Reger)

Wer als Müllmann sein Geld verdient, sollte körperlich fit und nicht geruchsempfindlich sein

Von Lena von Holt, Maisach

Es ist ein warmer Tag. Durch das offene Fenster weht ein angenehm kühler Luftzug, begleitet von einem süßlich-moderigen Geruch. "Das riech ich gar nicht mehr", sagt Thomas Salzmann. Wenn er mit seinem Müllauto an einer Schule vorbeifährt und sieht, wie sich die Kinder die Nase zuhalten, kann er nur lachen. Seit zehn Jahren fährt er nun schon für der Firma Huber, die für den Landkreis Müll einsammelt. In vierter Generation führt Michael Huber gemeinsam mit seinem Vater den Maisacher Entsorgungsfachbetrieb. Direkt nach dem Krieg hatte sein Urgroßvater damit begonnen, Sperrmüll von Privathaushalten abzuholen. 70 Jahre später zählt die Firma 25 Angestellte, zehn Fahrzeuge, 800 Container.

Lässig springt Mehmet vom Trittbrett, das auf der Rückseite des Müllfahrzeugs montiert ist. Routiniert schnappt er sich eine Tonne, die vor einem Einfamilienhaus steht, schiebt sie hinter den Wagen, wo zwei lange kranähnliche Arme sie anhebt und sie elegant in den großen Auffangbehälter entleert. Mehmet Karatas ist 67 Jahre alt, braun gebrannt, trägt Schnurrbart, oranges T-Shirt, orangene Hose. Seit 17 Jahren macht er das nun schon: Abspringen, Tonne holen, Kippen, zurückstellen. Pro Tour an die 300 Mal, jeden Tag. Dass Mehmet die Arbeit nun auch in seinen Bandscheiben spürt, wundert hier keinen. "Das ist schwere Arbeit. Manche halten es keine drei Monate durch", sagt Thomas. Plötzlich versperrt ein Hund die Fahrbahn und kläfft das Müllauto an. "Helmut, der tut nichts", ruft Thomas durch das offene Fenster nach hinten. Kollege Helmut Hirsch ist erst seit zwei Monaten Teil des Teams. Um vier Uhr sind die drei heute aufgestanden, um fünf haben sie die Tour in Überacker gestartet. Um halb acht gab es beim Bäcker dann die erste Pause und gleichzeitig auch ihr erstes Frühstück.

Seinen linken Arm ins offene Fenster lehnend, guckt er abwechselnd in Rückspiegel und Kamera. Um seinen Kollegen die Wege zu verkürzen, versucht er so nah wie möglich an die Tonnen heranzufahren. "Es gibt einen Ehrenkodex", erklärt der 40-jährige Hattenhofener. "Wenn es mehr als vier Tonnen sind, spring ich mit raus. Als die beiden wenig später wieder aufspringen, löst Thomas die Handbremse und fährt weiter. "Man muss zusammenarbeiten, wie ein Zahnrad ineinandergreifen, sonst kostet es Zeit", betont er und zieht an seiner Zigarette. "Ich kenn alle Touren, aber keine Straßennamen." Aber die braucht Thomas auch gar nicht. Er orientiert sich an Hausformen oder Ziegelfarben.

Am Ende des Tages sehe man, was man geleistet hat. Außerdem lerne man viele Leute kennen. Das macht den Beruf für Thomas so besonders. "Wir sind nicht nur Müllmänner", sagt er. Erst gestern haben sie in Esting einem alten Mann im Rollstuhl einen Kühlschrank aus dem Keller getragen. "Das waren drei, vier Minuten. Die Zeit hat man immer." Er könnte die Strecke wohl auch im Schlaf fahren und trotzdem begegnen ihm immer wieder neue Herausforderungen: Schnee, schlecht geparkte Autos, zu volle Mülltonnen, Wespennester oder wie heute: eine unangekündigte Baustelle. Helmut holt die erste Tonne, aber dann kommen sie nicht weiter. Die drei beraten sich. Dann dreht Thomas entschlossen um und fährt über einen Radweg an das hintere Straßenende. "Das darf ich eigentlich nicht, aber hilft ja nichts." Als das Müllauto ein paar Minuten später in die nächste Straße einbiegt, sieht man schon von weitem einen kleinen Jungen aus einer Hofeinfahrt laufen. Seine Augen strahlen, als er den weißen Müllwagen sieht. Für den Jungen sind die Männer in Orange Helden.

© SZ vom 07.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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