Stammtischparolen:Warum-Fragen als Gegenmittel

Lesezeit: 2 min

Auch mit Populisten kann man reden, sagt der Augsburger Hochschullehrer Christian Boeser-Schnebel. In einem Vortrag an der Volkshochschule Gröbenzell gibt er Tipps, wie das geht

Von Karl-Wilhelm Götte, Gröbenzell

Kann man mit Populisten oder Menschen, die Stammtischparolen verbreiten, gewinnbringend diskutieren? "Ja, man kann das", versuchte Christian Boeser-Schnebel in seinem Vortrag "Streitet Euch - Über den Umgang mit Populismus und Stammtischparolen" der VHS Gröbenzell zu vermitteln. Der vielseitig ausgebildete Augsburger Hochschullehrer empfahl den 30 Besuchern des eineinhalbstündigen Vortrages in Gesprächen mit Populisten in "ruhiger Atmosphäre nachzufragen" und trotz aller Meinungsunterschiede "nach Gemeinsamkeiten zu suchen". Auch im privaten Bereich, so Boeser-Schnebel, könne bei Streit auf diese Weise eine Annäherung oder gar ein Konsens erreicht werden.

Der Referent beleuchtete erst einmal den politischen Streit. "Was wäre eine Gesellschaft ohne Streit?", begann Boeser-Schnebel seine Ausführungen. Der Streit solle jedoch, wenn er Sinn haben soll, nicht feindselig sein. Populismus sei grundsätzlich bei allen Politikern "attraktiv", sagte der Hochschullehrer. "Wir sprechen für das Volk", sagte der Referent, sei die beliebte Politikerformel, ohne zu sagen, was denn der Volkswille sein könnte. Die anderen sind dann die "Volksfeinde". US-Präsident Donald Trump formuliert das, "wie ein gütiger Papa": "Wir geben die Macht an das Volk zurück." Zudem enthält der politische Populismus immer auch die Kritik an den Eliten.

Interessant war die Zuordnung von Politikersprüchen, die der Augsburger ohne Namen präsentierte. Dass Populismus nicht nur eine Sache von AfD-Politikern ist, zeigte Boeser-Schnebel an substanzlosen Äußerungen von Barack Obama bis Kanzlerkandidat Martin Schulz. Auch Angela Merkel bediene sich solcher nichts sagenden Rhetorik: "Lassen Sie uns verzichten auf eingeübte Rituale, auf reflexartigen Aufschrei, wenn wir etwas verändern wollen." Sie spricht dabei in populärer Weise nicht von sich, sondern im Plural von "uns" und "wir". Boeser-Schnebel ging es auch um die Bereitschaft zur Überwindung des "Die-Wir-Denkens", die aus der Politikverdrossenheit der Bürger erwachsen ist. Die Kontaktvermeidung der Bürger zu den Politikern zeige sich besonders in der Halbierung der Zahl der Parteimitgliedschaften seit 1990.

"Die Politiker sind aber auch bürgerverdrossen", sagte der Redner. Sagen dürften die das jedoch nicht. "Die Bürger haben feige Politiker verdient", erinnerte der Referent an den Satz der ehemaligen Grünen-Gesundheitsministerin Andrea Fischer. Wie geht man mit Stammtischparolen um? Sprüche wie: "Die wollen sich doch gar nicht integrieren", oder: "Die lehnen unserer Werte ab", führte Boeser-Schnebel als Beispiele an. Dazu werde dann auf politischer Seite mit dem Anschieben einer Leitkulturdebatte und mit der Androhung, den Doppelpass zu entziehen, reagiert. Der Redner empfahl, mit Warum-Fragen Stammtischparolen auszuhebeln und das Die-Wir-Denken zu überwinden. Dabei ist es entscheidend, den Stammtischparolen mit einer eigenen Haltung zu begegnen. Man dürfe jedoch nicht missionarisch auftreten. "Dann funktioniert kein Gespräch", warnte der Redner. Würde der Gegenüber eine aggressive emotionale Attacke reiten, sollte man das Gespräch verschieben, weil es erfahrungsgemäß mindestens fünf bis acht Minuten dauere, bis dieser aus dem Alarmzustand seines Körpers wieder herauskomme und rational argumentiere.

Interessant wurde es für die Zuhörer, als Boeser-Schnebel ein ganz persönliches Beispiel einbrachte, das bei ihm zu Hause häufig zu Konflikten geführt habe. Seine Frau sei notorisch unpünktlich. Auf seine Vorwürfe reagierte sie mit dem Gegenvorwurf, er sei ein klein karierter Spießer. "Auf der Ebene komme man nicht weiter", sagte Boeser-Schnebel aus Erfahrung. Zwischen den Kategorien "verbindlich/zuverlässig", die er für sich beanspruche und der Position seiner Frau: "Leben im Hier und Jetzt", konnte sich das Ehepaar annähern. Die beiden Pole des Wertequadrats zur ergebnisorientierten Kommunikation nach Friedemann Schulz von Thun aus dem Jahre 1989 empfahl der Redner zur Streitschlichtung am heimischen Küchentisch: "Damit kann man ganz gut beide unterschiedlichen Positionen ausbalancieren."

© SZ vom 28.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: