SZ-Serie: Aus Liebe zum Verein, Folge 19:Wenn Tiere einen neuen Menschen brauchen

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Der Verein Pfotenhelfer in Puchheim ist kein Tierheim. Er versteht sich als Vermittler von Haustieren, die in Notsituationen sind. Es werden dabei nur Tiere aus der Gegend vermittelt, der Import von Hunden und Katzen aus Südeuropa kommt nicht in Frage

Von Karl-Wilhelm Götte, Puchheim

Hündin Zoe wird von Michael Linse vorbeigebracht. Er ist ein sogenannter Pflegepate beim Verein Pfotenhelfer in Puchheim. Die Spitzmix-Hündin stand vor Kurzem abends um 21 Uhr vor der Tür bei Kerstin Said, der Vorsitzenden der Pfotenhelfer. Die bisherigen Besitzer hatten ihr Zuhause verloren und brachten das Tier vorbei. "Zoe war ein besonderer Notfall", sagt Said. "Sonst hätte sie ausgesetzt werden müssen." Die Pfotenhelfer sind kein Tierheim, sie vermitteln Hunde und Katzen, "bis ein perfekter Platz gefunden ist", so die Vereinsvorsitzende.

Nur kurz bleiben Tiere in den Räumen des Pfotenhelfer-Vereins. Die meisten werden schnell an neue Besitzer vermittelt. (Foto: Jessica Kassner)

Auch Kerstin Said ist eine Perfektionistin. 2011 hat die gebürtige Münchnerin den Verein aus der Taufe gehoben und seitdem "etwa 800 Tiere vermittelt", wie sie sagt. Sie schwärmt von ihrem Team, den acht Gründungsmitgliedern, die alle noch dabei sind. Sie kommen aus Puchheim, Fürstenfeldbruck, Eichenau. Olching und sogar aus Königsbrunn. Inzwischen hat der Verein 160 Mitglieder. Said, gelernte Einzelhandelskauffrau, die als Assistentin der Vertriebsleitung Marketing und Promotion für ein Puchheimer Unternehmen betreibt, hat eine Vorstellungsmappe für die Pfotenhelfer erarbeitet. Das professionell aufgemachte Heft zeigt auf der Titelseite das Foto eines Schäferhundes, an den sich eine schwarze Katze mit grünen Augen kuschelt. Das Pfotenhelfer Logo - Hund und Katze sitzen auf einer helfenden Hand - hat Said selbst gezeichnet.

Tiervermittlerin Kerstin Said mit Michael Lense und der Spitzmix-Hündin Zoe. (Foto: Johannes Simon)

Immer wieder klingelt das Handy von Kerstin Said, als sie in ihrem "Beratungsbüro" sitzt. In einer Stunde sind es 15 Anrufe gewesen. Said steht als Ansprechpartner von Montag bis Freitag ab 16 Uhr, wenn sie von der Arbeit kommt, zur Verfügung. Samstags geht sie ab zehn Uhr ans Handy. Doch die Klienten scheren sich häufig nicht um die angegebenen Telefonzeiten. In der vergangenen Nacht rief jemand an, der sechs Katzen abgeben wollte. Nach Mitternacht wollte jemand wissen, in welche Klinik er seine Katze bringen soll. "Den interessierten die Kosten, da gibt es große Preisunterschiede", erklärt Said. Die 35 Jahre alte Puchheimerin ist seit 17 Jahren im Tierschutz involviert. Mit 14 Jahren machte sie ihr erstes Praktikum in einer Puchheimer Tierarztpraxis. Später hat sie nebenbei bei einem Veterinär gearbeitet, um auch die medizinische Betreuung von Haustieren kennenzulernen.

Pflegepatin Sabine kümmert sich um Mischling Joi, bis der Hund bei einem sportlichen Besitzer ein neues Zuhause bekommt (Foto: Jessica Kassner)

Die Pfotenhelfer haben für ihre Vermittlungsarbeit extra eine Wohnung angemietet. Im Treppenhaus hängen viele Bilder von erfolgreich vermittelten Hunden und Katzen. "Wir Katzen suchen neue Dosenöffner", lautet das Schild auf der einen Seite. Auf der anderen Seite im Treppenhaus melden sich die Hunde: "Wir suchen ein neues Rudel." In der Wohnung befinden sich das Büro, eine Küche und ein Schlafzimmer. Wenn ein Tier mal kurzfristig vorbeigebracht wird wie die Hündin Zoe, dann übernachtet Kerstin Said mit dem Tier in der Wohnung. Doch ein Hund wie Zoe ist eine Ausnahme. In der Regel vermittelt der Verein Tiere. "Kommt ein Anruf und jemand will sein Tier abgeben", erklärt Said, "dann brauche ich eine Woche Organisationszeit, um den Hund oder die Katze weiterzuleiten."

Dafür stehen dem Verein zunächst 60 Pflegepaten zur Verfügung, die das Tier aufnehmen, bis es ein langfristiges Zuhause findet. Pflegepate Michael Linse, der Zoe aufgenommen hat, hat 2012 einen Mischlingshund vermittelt bekommen. "Ich fand das eine gute Sache", erzählt der Gröbenzeller und hatte sich entschlossen, mitzuhelfen.

Seit 2011 haben die Pfotenhelfer etwa 800 Tiere vermittelt. "Warum ein Tierheim mit Zwinger?", fragt Kerstin Said. "Unser Konzept trägt doch." Sie hat als 18-Jährige auch in einem Gandenhof mitgeholfen. Said sicher: "Da waren einfach zu viele Tiere dort."

Drei bis acht Wochen bleiben die Tiere bei den Pflegepaten, ehe sich ein neues Zuhause findet. Manchmal dauert es auch ein Jahr. "Ich habe noch nie jemand abgewimmelt", bekräftigt Said. "Mein Ehrgeiz ist groß, die Tiere zu vermitteln." Allerdings beschränkt sich der Verein auf "deutschen Tierschutz", so Said. "Wir importieren keine Hunde aus Spanien, Italien oder anderswo her." Es komme jedoch häufig vor, dass Hunde und Katzen bei den Pfotenhelfern landen, die aus Südeuropa jemand mitgenommen hat." Gerade kommt ein Mann aus Emmering vorbei. Er bringt "Siri", eine orientalische Siamkatze, vorbei. Er hatte sie vor einem halben Jahr vermittelt bekommen. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass er an einer Katzenhaarallergie leidet. Dem Mann taten die Augen weh und die Nase ist ständig gelaufen. "Meine Frau ist sehr traurig, dass wir die Katze nicht behalten können, aber die letzten acht Wochen waren sehr schlimm für mich gewesen." Said hat Siri erst zurücknehmen können, bis sie für die Katze einen Pflegeplatz gefunden hatte.

Die Pflegepaten werden mit Futter, Streu und Kratzbaum ausgestattet. Auch der Tierarzt wird von den Pfotenhelfern bezahlt. "Alles andere erledigen sie ehrenamtlich", sagt Said. Die Pflegepaten bewerben sich vor allem durch Mundpropaganda. Manchmal vermittelt der Verein auch eine Kurzzeitpflege, wenn Senioren, die alleine leben, ins Krankenhaus müssen und der Hund versorgt werden muss. Der Verein finanziert sich über eine sogenannte Schutzgebühr, die die Tierabnehmer zahlen müssen. Die Vereinsmitglieder zahlen 36 Euro Mitgliedsbeitrag pro Jahr. "Wir betteln auch Firmen an", bekennt Said ohne Umschweife. Der Staat helfe dem Verein im Gegensatz zu Tierheimen nicht, weil sie keinen Zwinger im Keller habe. Die Vermittlung von Tieren an ein Zuhause erfolgt über die Internetseite der Pfotenhelfer oder über Anzeigen in Anzeigenblättern. Doch bei der Auswahl der Tierabnehmer schaut der Verein ganz genau hin. "Ganz ehrlich", sagt Said, "wer nicht passt, bekommt kein Tier."

Ihr Freund teilt Saids Leidenschaft seit acht Jahren. Kurt Fannasch ist Kassier bei den Pfotenhelfern. Sie fährt auch manchmal in den Urlaub. "Mein Freund zwingt mich dazu", erzählt sie. "Ich fühle mich aber nicht wohl dabei, wenn ich von den Tieren weg bin." Am liebsten würde Said einen Sponsor finden, der ihr erlaubt, sich ganz und gar den Tieren zu widmen. Doch noch zeichnet sich kein Geldgeber ab. Gerade kommt Spitzmix Zoe wieder etwas aufgeregt zur Tür herein. Pflegepate Linse war mit ihr Gassi gegangen. Die Hündin hat einen pflaumengroßen Tumor. Eine Operation steht an. Diese OP koste zwischen 500 und 1000 Euro, nimmt Said erfahrungsgemäß an. Das reißt wieder eine Lücke in die Kasse der Pfotenhelfer, aber das stemmen sie zusammen. "Diese Arbeit erfüllt mich sehr", sagt Kerstin Said und man glaubt das ihr und ihren Pfotenhelfern aufs Wort.

© SZ vom 17.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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