Puchheim:Vage Vorstellung

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Michael Piazolo (von links), Herbert Kränzlein und Markus Ganserer debattieren in Puchheim über den Ausbau der S-Bahn. (Foto: Günther Reger)

Eine Diskussion von "S 4-Ausbau jetzt" mit Landtagsabgeordneten bestätigt die widerstreitenden verkehrspolitischen Interessen

Von Peter Bierl, Puchheim

Vermutlich hätten die sechs CSU-Landtagsabgeordneten, die eine Teilnahme an der Podiumsdiskussion der Bürgerinitiative "S-4-Ausbau jetzt" in Puchheim abgesagt hatten, die entscheidende Frage sowieso nicht beantworten können: Wann nämlich die Bahnlinie ausgebaut wird. Eine Antwort gab schließlich der Eichenauer SPD-Landtagsabgeordnete Herbert Kränzlein, der Bayerns Verkehrsminister Joachim Herrmann zitierte: Es keine Angabe möglich.

Zusammen mit Kränzlein saß Michael Piazolo (FW) auf dem Podium, der berichtete, der Minister habe jüngst im Verkehrsausschuss ausführlich über die Bahn gesprochen, aber kein Wort zur S 4 geäußert. Frühere Pläne würden anscheinend über den Haufen geworfen, stattdessen habe Herrmann ein neues "Vier-Phasen-Programm" angekündigt. "Der Ausbau kommt am Sankt Nimmerleinstag", prognostizierte Markus Ganserer (Grüne), weil die CSU das ganze Geld für den zweiten Bahntunnel in München rauswerfe.

Damit war die Runde beim Thema des Abends angelangt. Die Landtagsabgeordneten Kränzlein und Ganserer stritten sich vor etwa 50 Zuhörern am Donnerstag im Puchheimer Kulturzentrum, darunter vielen Kommunalpolitikern, über Sinn und Unsinn der Röhre, durchaus im Sinne der Veranstalter, die der Frage nachgehen wollten, welchen Effekt der Tunnel auf die S 4 habe. Nach Ansicht Ganserers, dem Verkehrsexperten der Grünen im Landtag, blockiert die Röhre viele Projekte in ganz Bayern. Auch die Nürnberger warten auf den Ausbau von S-Bahn-Strecken, im ganzen Freistaat leide der öffentliche Nahverkehr, weil die Staatsregierung das Geld im "Milliardengrab" in München versenke.

Die Staatsregierung verbrauche eigene Mittel und zweckentfremde Geld für den Regionalverkehr. Dabei bringe der zweite Tunnel keine Verbesserung, weil keine neuen Verknüpfungen entstehen, das S-Bahn-System werde nicht zu einem Netz ausgebaut. Das Angebot werde sich verschlechtern, prognostizierte Ganserer.

Unterstützung bekam er von einem Mitglied der Bürgerinitiative in Haidhausen, die sich gegen den Tunnel wehrt. Der Mann verwies darauf, dass pro Stunde nur drei S-Bahnen durch die neue Röhre fahren werden und nur drei Haltestellen geplant seien. Die Station am Münchner Hauptbahnhof werde in 40 Meter Tiefe angelegt, im Falle von Unfällen oder Bränden ein Unding für Rettungskräfte.

Piazolo hielt sich in der Debatte zurück. Unlängst hatten ihm Parteifreunde in Emmering vorgehalten, seine Kritik am Tunnel verschlechtere die Wahlchancen der Freien Wähler. Allerdings äußerte auch er, dass das Geld und die Planungskapazitäten für andere Projekte wegen des Tunnels fehlten.

Umso vehementer kämpfte Kränzlein für den Tunnel. Die Konzentration von Finanzmitteln sei gerechtfertigt, weil München der Wirtschaftsmotor Deutschlands sei. Der MVV wickle etwa 60 Prozent des Schienenverkehrs in Bayern ab. Das Tunnelprojekt jetzt noch zu stoppen, würde im "Totalchaos" enden, zumal jährlich 30 000 Menschen in die Region zuziehen. Ein Ausbau des Südrings in München wäre ebenfalls schwierig, die Planung würde 25 Jahre dauern. Der Tunnel sei als "Bypass" sinnvoll, dazu müssten der Südring provisorisch ausgebaut und im Norden Busse eingesetzt werden. Geld spiele keine Rolle, sagte der SPD-Politiker. Der Freistaat erziele große Haushaltsüberschüsse, während die Infrastruktur verfalle. "Eine Sonderfinanzierung wäre sinnvoll und notwendig."

Einige war sich die Runde, dass ein dreigleisiger Ausbau der S 4 bis Eichenau nicht reicht. Wenigstens solle so gebaut werden, dass später ein viertes Gleis ergänzt werden könne und keine dafür notwendigen Grundstücke verkauft werden, meinte Kränzlein. Alles andere wäre ein Schildbürgerstreich.

© SZ vom 25.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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