Puchheim:Übung in Demokratie

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Puchheimer Schüler votieren für einen Wasserspender

Von Peter Bierl, Puchheim

Das Projekt ist als Übung in Sachen Demokratie gedacht. Im Rahmen des "Schülerhaushalts" bekommen Jugendliche Geld zur Verfügung gestellt und bestimmen selber, wie sie es ausgeben. Die große Mehrheit an der Mittelschule Puchheim entschied sich für einen Wasserspender. Der Vorschlag einer Ecke zum Chillen landete weit abgeschlagen auf dem zweiten Platz, dicht gefolgt von Sportkisten für jede Klasse. Chancenlos blieben Anträge auf einen Schulkopierer und Fitnessgeräte.

Wie dieses Ergebnis zustande kam, berichteten die Schülersprecher Samad, Elena und Martin den Mitgliedern des Sozialausschusses des Stadtrats. Das Gremium stellt der Schule in diesem und in den nächsten zwei Jahren jeweils 6000 Euro zur Verfügung. Zunächst wurden alle Schüler über das Projekt informiert, jeder konnte einen Vorschlag einreichen, der in die engere Auswahl kam, vorausgesetzt es fanden sich fünf Unterstützer. Die Ideen wurden gesammelt und sortiert. Zwölf blieben übrig und wurden auf Plakaten in der Aula vorgestellt. Kurz vor den Ferien, am 23. Juli, stimmten die Schüler in geheimer Wahl ab. "Mich wundert, dass die Chill-Ecke nicht gesiegt hat", kommentierte Bürgermeister Norbert Seidl (SPD). Es lag wohl an der Sommerhitze, vermutet der 15-jährige Samad.

Die Idee stammt aus der Stadt Recife in Brasilien. In Deutschland wird das Projekt Schülerhaushalt von der Bertelsmann-Stiftung und der Servicestelle Jugendbeteiligung (SJB), hinter dem Ministerien und Verbände stehen, getragen. Die Jugendlichen sollen durch ihr Engagement und ihre Ideen ihr Umfeld verändern. Sie sollen lernen, Lösungen für Probleme zu finden, für ihre Interessen einzutreten und Einblick in die Politik ihrer Stadt zu bekommen, heißt es auf der Internetseite des Projekts.

Nun ja. Geld geschenkt zu kriegen, um sich was zu kaufen, ist nicht unbedingt Problemlösung. Der Prozess der Entscheidungsfindung ist vorgegeben. Dennoch können Schüler einige wichtige Erfahrungen machen, wie unser System im Prinzip funktioniert. Von Aristoteles bis Kant galt Demokratie als System, in dem Bürger direkt in Versammlungen entscheiden. Das verwarfen abendländische Geistesgrößen als Anarchie. Dann füllten schlaue Politiker den alten Begriff mit neuem Inhalt und errangen Mitte des 19. Jahrhunderts die Deutungshoheit: Ein repräsentatives System gilt seitdem als Demokratie.

Das Projekt Schülerhaushalt ist ähnlich gestrickt. Es werden Schülerkoordinatoren gewählt, die den Prozess organisieren. Sie sammeln die Vorschläge und sortieren aus. In Puchheim verwarfen sie eine Popcorn- und eine Softeismaschine. Klingt nicht wirklich demokratisch, zumindest im klassischen Sinn. Die Alternative wäre gewesen, auf einer Schülerversammlung alle Vorschläge vorzustellen, zu diskutieren und abzustimmen.

Indes dürfte die pädagogische Absicht der Veranstalter für Schüler eher nebensächlich sein, und wer in einer bayerischen Lehranstalt überleben will, entwickelt einen gewissen Pragmatismus. "Es ist eine Supersache, weil wir Schüler auch mal was zu sagen haben", bilanzierte jedenfalls Schülersprecher Samad.

Der Wasserspender ist ihnen schon mal sicher. Die cleveren Schüler haben rausgefunden, dass es günstiger ist, ein solches Gerät zu leasen, als zu kaufen. Es bleibt also ein Restbetrag übrig. Zusammen mit dem Budget vom nächsten Jahr wäre eine Chill-Ecke mit ein paar schicken Sofas und Sesseln also durchaus drin. Es gilt das alte Motto, nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir.

© SZ vom 27.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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