Puchheim:Mit Autor und Applaus

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Bürgermeister Norbert Seidl (links) und Nicola Bräunling moderieren. Steven Uhly (auf der Bank, Zweiter von rechts) ist der Ehrengast. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Acht Wochen "Glückskind" - die Aktion "Puchheim liest ein Buch" feiert Abschluss

Von Ekaterina Kel, Puchheim

Die Gäste sitzen schon, der Saal der Auferstehungskirche füllt sich mit leisem Gemurmel, die Regenjacken der Puchheimer knistern leise beim Ausziehen. Aber der Platz vorne an der Kanzel ist noch leer. Zwei Minuten nach offiziellem Beginn, 19.02 Uhr, betritt, beinahe unbemerkt, der Mann die steinernen Stufen zum Haupteingang des Gemeindehauses, der im Zentrum dieses Abends steht. Denn es ist der Abschlussabend der Aktion "Puchheim liest ein Buch", die die letzten acht Wochen viele Geister in Puchheim bewegt hat. Gelesen wurde Steven Uhlys Roman "Glückskind", und ebendieser Steven Uhly, der Autor des Buches, nimmt nun Platz in der ersten Reihe auf einer der Holzbänke in der Kirche, direkt neben Bürgermeister Norbert Seidl.

Eine andere wichtige Akteurin der "Puchheim liest ein Buch"-Wochen ist Nicola Bräunling, denn es war ihre Idee, so eine Aktion in ihrer Stadt zu veranstalten. Die Buchhändlerin ist sichtlich stolz. Und auch ein wenig erschöpft. Vom 20. März bis zum 17. Mai hat sie mehr als 20 Veranstaltungen rund um die Aktion organisiert. Das nächste Mal, sagt sie, bräuchte sie ein oder zwei Helfer mehr, die vergangenen Wochen hätten ihr schon viel abverlangt. Doch vor der wohlverdienten Ruhe musste noch der krönende Abschluss organisiert, inszeniert, orchestriert werden.

Für die musikalische Untermalung engagierte Bräunling ihren Neffen Felix Köppen. Er spielt jazzige, langsame Klänge auf dem Saxofon. Die Partien stimmen nachdenklich - und das ist gut so, denn Uhlys "Glückskind" gibt Anlass, über diejenigen Menschen nachzudenken, die es in der Gesellschaft nicht leicht haben. Es handelt von einem Langzeitarbeitslosen, der völlig vereinsamt und kurz davor ist, sich und sein Leben aufzugeben, als er ein Baby in einer Mülltonne findet und plötzlich alles daran setzt, damit es diesem Geschöpf, das er Marie nennt, gut geht.

Uhly, der Urheber dieser anrührenden Geschichte, stellt sich vors Publikum und gibt den klassischen Schriftsteller. Kariertes Hemd, das er nicht in die ausgewaschene Jeans gesteckt hat, dunkelblaues Sakko, wuscheliger Haarschopf und ein dunkler Bart. Dazu sagt er Dinge wie: "Wenn einmal eine Geschichte in Gang ist, habe ich keine Macht mehr darüber, wie sie verläuft" und "Das Schreiben ist ein erhebendes Gefühl".

Zum Abschluss der Veranstaltung liest er aus der Fortsetzung von "Glückskind", dem Roman "Marie". Tatsächlich schafft er es, nach wenigen Minuten seine Zuhörer komplett in die Geschichte zu ziehen. Seine Sätze formen sehr konkrete Bilder und laden ein, mit den Charakteren mitzufühlen. Uhly schreibt über eine alleinerziehende Mutter an der Grenze des Zusammenbruchs, und man weiß: Sie hat ihr Kind vor sechs Jahren in den Müll geworfen. Es breitet sich ein bedrückendes Gefühl der Hoffnungslosigkeit aus. Pfarrer Markus Ambrosy fragt: "Wie schaffen Sie es, diese Traurigkeit auszuhalten?" Uhly lächelt und antwortet: "Die besten Geschichten sind intensiv bis zur Unerträglichkeit."

Ein tiefsinniger Abschluss, für den es viel Applaus gibt. Bräunling zeigt sich zufrieden. Nicht nur habe sie mehrere Hundert "Glückskind"-Exemplare verkauft, sie sei auch mit vielen Lesern ins Gespräch gekommen. "Danke an mein großartiges Puchheim, dass Sie alle mitgemacht haben", sagt sie zum Schluss.

© SZ vom 19.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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