Puchheim:Erfahrungen aus New York

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Bei einer Diskussion der Europa-Union wirbt Puchheims Bürgermeister Norbert Seidl für Offenheit und Toleranz im Umgang mit Flüchtlingen

Von Peter Bierl, Puchheim

Reisen bildet, vorausgesetzt man geht mit offenen Augen durch die Welt. Puchheims Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) war zur Steuben-Parade mit der Feuerwehr nach New York gereist, und was er in der Metropole erlebt hat, bestärkt ihn in seiner offenen Haltung gegenüber Flüchtlingen. Offenheit und Toleranz statt Abwehr lautet seine Devise. Den konkreten Problemen im Bereich von Spracherwerb, Wohnen, Arbeit und kultureller Integration müsse man sich stellen, mahnte er. "Was die Rattenfänger anbieten, ist keine Lösung", warnt Seidl.

Bei der Diskussionsrunde der Europa-Union zum Thema Flucht und Migration im Kulturzentrum Puchheim mit dem Bürgermeister und einer Vertreterin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erinnerte Seidl daran, dass allein aus Deutschland sechs Millionen Menschen im 19. Jahrhundert in die USA ausgewandert sind. Sie flohen vor politischer Verfolgung, Armut und Perspektivlosigkeit auf der Suche nach einem besseren Leben, ähnlich wie die Flüchtlinge heute.

In Puchheim leben derzeit rund 250 Flüchtlinge in Unterkünften. Er habe gute Erfahrungen mit diesen fremden Menschen gemacht. Der Asylhelferkreis habe dafür gesorgt, dass sich der Satz der Kanzlerin "Wir schaffen das" in der Stadt bestätigt. Im Stich gelassen fühlte sich Seidl, als es um die Verteilung der Flüchtlinge im Landkreis ging und manche Kommunen sich drückten. Diese "Downgrading-Dynamik" unter Kommunalpolitikern war anscheinend Wasser auf die Mühlen der Rassisten. "Die anderen schaffen es auch, weniger Flüchtlinge aufzunehmen", musste sich Seidl anhören.

Kulturelle Integration setze voraus, dass man Menschen eine andere Religion zugestehe statt zu erwarten, dass sie diese aufgeben. "Das ist die Messlatte, ob man bereit ist, diese Menschen aufzunehmen", sagte Seidl. Er lobte die christlichen Gemeinden in Puchheim, die sich durch große Offenheit auszeichneten. Zu den konkreten Problemen, die man anpacken müsse, gehört der Mangel an günstigen Wohnungen, der Einheimische wie Flüchtlinge gleichermaßen treffe. So werde die Stadt in Puchheim-Ort demnächst einfache Unterkünfte für Obdachlose bauen und mit Hilfe ihrer neuen Wohnbaugesellschaft günstige Wohnungen für alle schaffen. Eine weitere Schwierigkeit sei die Sprache. Zwar gebe es in Puchheim ein großes Angebot an Kursen, aber auch Flüchtlinge, die es nicht annehmen, berichtete Seidl.

Die Integrationskurse würden den verschiedenen Lebenslagen oft nicht gerecht, sagte Stefanie Schäfer, die im Grundsatzreferat des Bundesamts für Migration arbeitet. Etwa ein Drittel der Flüchtlinge seien Akademiker, aber es gebe auch viele Mütter, die jung geheiratet und nur wenige Jahre eine Schule besucht hätten. Schäfer warnte vor den psychischen Krankheiten, die manche Menschen in den Unterkünften entwickeln, in denen sie oft Jahre verbringen müssen. Den Leuten Arbeit zu verschaffen, sei daher wichtig, sagte Seidl.

Schäfer berichtete, wie ihre Behörde von knapp 3000 auf insgesamt 9500 Mitarbeiter aufgestockt wurde, um die Arbeit zu bewältigen. Über 560 000 Asylanträgewürden derzeit bearbeitetet. Dabei würden die Fälle in drei Kategorien aufgeteilt. Diejenigen aus Eritrea, Irak und Syrien mit guten Chancen auf Asyl, die Menschen aus den sogenannten sicheren Herkunftsländern und die komplizierten Fälle, etwa von Flüchtlingen aus Afghanistan.

Die BAMF-Mitarbeiterin kritisierte die Frage der Obergrenzen als "Schattendiskussion" und "Quatsch". Aufgrund der Einschränkung des Asylrechts durch Union und SPD 1993 würden sowieso nur noch etwa zwei Prozent der Antragsteller den Asylstatus bekommen. Die meisten dürfen auf der Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention bleiben. Eigentlich müsste man über Zuwanderung generell sprechen, forderte Schäfer. Die Diskussion habe man seit Jahren verschlafen, ergänzte Seidl.

Einig waren sich beide, dass die Ereignisse im Herbst 2015 die Politiker und Behörden überrollt haben. Es gelte, sich besser vorzubereiten. "Die nächste Flüchtlingswelle wird kommen, die Frage ist nur wann", sagte Ute Hartenberger von der Europa-Union, Moderatorin der Diskussion.

© SZ vom 24.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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