Puchheim:Einig gegen Massentierhaltung

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Bei einer Diskussion über vegane Ernährung plädiert auch der Metzger Wolfgang Wirth für einen mäßigen Fleischkonsum

Von Karl-Wilhelm Götte, Puchheim

Am Ende der Diskussion "Fleischlos, vegan - gesund oder Mode" hat auch Veganerin Britta Rohr von der Geschäftsführerin der Puchheimer VHS, Claudia Frodien, Schokolade als Dankeschön überreicht bekommen. Rohr wehrte sich dagegen nicht, weil sie das "Geschenk" nicht zurückweisen wollte. Wäre sie konsequent gewesen, hätte sie es tun müssen, ist doch in Schokolade bekanntlich Milch drin und das ist ein tierisches Produkt, das kein Veganer verzehrt. Die VHS hatte eine Podiumsrunde zusammengestellt, die eine kontroverse Debatte versprach. Darauf hatten sich viele der 60 Besucher gefreut. Dabei war nicht nur Britta Rohr, freie Redakteurin und Yogalehrerin, die seit langem Tierschützerin ist und vor einem Jahr von vegetarischen zu veganen Lebensmitteln übergegangen ist. Mit von der Partie bei der von der grünen Stadträtin Barbara Ponn geleiteten Diskussion waren auch die Ökotrophologin Gisela Schaelow und der Tierarzt Richard Bartels, der sich als Leiter von Slowfood Convivium im benachbarten Fünfseenland engagiert. Metzgermeister Wolfgang Wirth sollte in der Debatte offenbar als Gegenpol herhalten.

Doch der Puchheimer Metzger war "viel zu nett", wie eine Zuhörerin meinte, als dass er für diese Rolle getaugt hätte. Rohr hatte ihre ethisch-moralischen Gründe aufgezählt, warum sie sich vegan ernährt. Tiertransporte, die üble Haltung der Tiere und der riesige Anbau von Tierfutter, der zum Welthunger beitrage. Wirth gab Rohr sofort Recht. "Zweimal Fleisch pro Woche ist genug", meinte der Metzgermeister und fügte hinzu: "Der derzeitige Konsum ist ein Wahnsinn." Außerdem müsse man nachvollziehen können, woher das Fleisch komme. Er biete in seiner Metzgerei Fleisch aus der Region, das keine Zusatzstoffe enthalte. "Billigfleisch bedeutet zwangsläufig, dass Tierwohl, menschliche Arbeitsbedingungen und Fleischqualität schlecht sind", sagte Wirth. Viele der ausländischen Leiharbeiter in Schlachtbetrieben verdienten nur drei Euro pro Stunde. Der Metzger machte Werbung für den kleinen Schlachthof Fürstenfeldbruck: "Es gibt nicht nur Tönnies in Westfalen, wo 100 000 Schweine in der Woche geschlachtet werden."

Ist die vegane Ernährung gesund? Ernährungswissenschaftlerin Schaelow sah die Zusatzstoffe in veganen Produkten kritisch. Dafür pries sie einen normalen Joghurt als "zusatzstofffreies Produkt". Rohr wollte zarten Widerspruch anmelden, drang jedoch nicht durch. Sicherlich wollte sie Schaelow sagen, dass der vermeintlich normale Joghurt ein pasteurisiertes und vielfach bearbeitetes Milchprodukt ist, das mit Natur nicht mehr viel zu tun hat. Später gestand Schaelow jedoch zu: "Fünf bis zehn Jahre kann sich jeder Erwachsene vegan ernähren." Sie fügte allerdings hinzu, dass der Mensch das Vitamin B 12 nur über tierische Produkte aufnehmen könne . Der Mangel an Vitamin B 12 ist das Hauptargument der Vegankritiker. Veganer behaupten, auch ohne Fleisch produziere der Körper B 12. Durch Studien belegt ist, dass durch etwas Komplementärernährung mit Vitaminsäften oder angereicherten Getreideflocken dieser vermeintliche Mangel, ausgeglichen werden kann.

"Man muss nicht Veganer sein, um Tierschützer zu sein", positionierte sich Richard Bartels. "Was wäre, wenn es keine Tierhaltung gäbe?", fragte er in die Runde. Der Demeter-Verband, der geschützte Markenzeichen für 3500 Lebensmittel vergibt, schreibe Tierhaltung vor. Bartels warnte vor den allseits stattfindenden Exzessen. Auf einem Bauernhof in Niederbayern seien 280 000 Hühner am Tag geschlachtet worden. "Bayern ist nicht die heile Welt", betonte der ehemalige Industrietierarzt, der für Marketing und Vertrieb zuständig war. Metzger Wirth wusste von 658 Millionen geschlachteten Hühnern in Deutschland pro Jahr. "Das ist ein Irrsinn. Der Kot und der Abfall müssten doch irgendwo hin", so Wirth empört.

Über die Vor- und Nachteile einer veganen Ernährung diskutieren (v.l .) Wolfgang Wirth, Britta Rohr, Barbara Ponn, Richard Bartels, Gisela Schaelow. (Foto: Günther Reger)

Von diesen Hühnern komme häufig nur die Hühnerbrust in den Handel. Die Flügel würden nach Afrika exportiert. Bartels kritisch: "Es werden nur wenige Prozent verwertet und dafür müssen so viele Hühner sein?" Wirth ergänzte, dass bei der Aufzucht von 40 000 Hendl in einem Betrieb "Antibiotika auf der Tagesordnung steht". Veganerin Rohr betonte abschließend noch, dass sie sich deshalb auch so ernähre, weil sie gegen die Fleisch- und Lebensmittelindustrie protestiere, ehe Claudia Frodien die hübsch verpackte Milchschokolade verteilte.

© SZ vom 04.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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