Puchheim:Attacken mit der Samtpfote

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Bürgermeister Norbert Seidl lädt Finanzminister Markus Söder als Redner zum Volksfest in Puchheim ein. Der Sozialdemokrat und der Christsoziale zeigen diplomatisches Geschick in der ungewöhnlichen Situation und machen ihre Standpunkte dennoch deutlich

Von Andreas Ostermeier, Puchheim

Zum Puchheimer Volksfest gehört Politik. Davon ist Puchheims Bürgermeister Norbert Seidl überzeugt. Und weil die Stadt Veranstalter des Bürgervergnügens ist, hat Seidl nach einem bekannten Politiker gesucht, der so viel Publikum anzieht, dass das Bierzelt voll wird. Seidl, der Mitglied der SPD ist, hatte es mit diesem Vorhaben nicht leicht, denn SPD- Kanzlerkandidat Martin Schulz macht momentan Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen und bayerische Sozialdemokraten füllen kein Bierzelt. Aus der bayerischen Politik locken eigentlich nur zwei Personen viele Zuhörer an: Horst Seehofer und Markus Söder. Beide sind in der CSU. Seidl hielt das nicht ab. Er gewann Söder für einen Auftritt in Puchheim - und das Bierzelt war am Donnerstagabend nahezu voll.

Doch trotz großkoalitionärer Verbundenheit von SPD und CSU war der Besuch heikel. Ein SPD-Bürgermeister bereitet dem CSU-Finanz- und Heimatminister im Jahr einer Bundestagswahl eine Bühne. Diese Ausgangssituation stellte beide Politiker vor Aufgaben. Seidl hatte eine Begrüßungsrede auszuarbeiten, die den Gast genügend würdigt, ohne anbiedernd zu sein. Söder musste zum Gastgeber nett sein, ohne auf sein Markenzeichen, die Attacke, zu verzichten. Nach dem Politikabend im Bierzelt lässt sich feststellen: Beide haben ihren nicht einfachen Part gut hingekriegt.

Seidl bereitete sich konzentriert auf die Begrüßung vor. Ehe Söder angekommen war, ging der Puchheimer Bürgermeister angespannt vor der Bühne auf und ab, wohl in die Rede vertieft, die er gleich halten sollte. Söders Vorbereitung konnten die Bierzeltbesucher nicht mitbekommen. Als der Minister das Zelt betrat, hob die Kapelle an zu spielen, Söder grüßte ins Publikum, erfüllte Autogrammwünsche und setzte sich zu seinen Parteifreunden aus dem ganzen Landkreis, die die erste Tischreihe vor der Bühne besetzt hatten.

Der Bürgermeister hatte sich mehrere Nettigkeiten überlegt. Er dankte dem Minister für den Besuch, lobte den Freistaat als "leistungsfähig und extrem wohlhabend" und betonte den Anteil der Staatsregierung am Zustand des Landes. Ein wenig Dissens aber musste auch sein. Seidl sprach deshalb die Asylpolitik an und sagte, gerade Bayern könne sich einen "angstfreien" Umgang mit Migranten leisten.

Söder gab die Honneurs artig zurück, nannte die Einladung eine Ehre und dankte Seidl für die "gute Arbeit" als Bürgermeister. Nach ein paar weiteren Lobesworten über Landrat Thomas Karmasin und die Abgeordneten Reinhold Bocklet und Gerda Hasselfeldt, die alle nahe der Bühne saßen, schaltete der frühere CSU-Generalsekretär rasch auf Attacke. Die galt aber zunächst nicht dem politischen Gegner, sondern Horst Seehofer, dessen Namen er allerdings nicht nannte. Unter Hinweis auf Seidls Rede sagte Söder, er sei eben von einem SPD-ler mehr gelobt worden als in der Staatskanzlei. Das gab den ersten starken Beifall, auch aus den vordersten Tischreihen. Söder legte nach. Die CSU habe in Katrin Staffler eine gute Nachfolgerin für Gerda Hasselfeldt gefunden, sagte er und fügte an: "Ich gratuliere jedem, der einen Generationswechsel super schafft." In den Reihen der CSU wurden diese Worte mit Lachen und noch mehr Beifall als zuvor quittiert. In der oberbayerischen CSU, so ist der Eindruck, hat der Franke Söder viele Anhänger, die ihn sich als Ministerpräsidenten vorstellen können. Seehofers Bedenken gegen den ehrgeizigen Nürnberger, der sein Nachfolger werden möchte, teilt die Parteibasis offensichtlich nicht.

Nachdem er sich den Applaus für seinen Nachfolgeanspruch geholt hatte, kam Söder auf eine seiner Lieblingsdisziplinen zu sprechen, den Bundesländervergleich. Deutschland bezeichnete er als den "ökonomischen Stabilitätsanker in Europa" und Bayern als das "Leistungsherz" Deutschlands. Kein anderes Bundesland könne an den Freistaat heranreichen, weder Berlin mit dem Flughafen, der nicht fertig wird, noch Nordrhein-Westfalen, das über den Länderfinanzausgleich Geld aus Bayern erhält. Andere Bundesländer erwähnte er erst gar nicht. Die Aussage war klar: Europa lebt von Deutschland und Deutschland von Bayern.

Danach griff er Seidls Widerspruch auf, betonte, wie aufnahmebereit sich der Freistaat und die in ihm lebenden Menschen im Sommer 2015 gezeigt hätten, und rechnete vor, dass Bayern in den vergangenen und den kommenden zwei Jahren insgesamt neun Milliarden Euro für Flüchtlinge ausgebe. Allerdings seien auch die Möglichkeiten Bayerns endlich, sagte Söder. Zu den Differenzen zur SPD, der Partei Seidls, sagte der Finanzminister nichts. Auch nicht bei den Themen Sicherheit und christlich-abendländische Tradition, obwohl es durchaus welche gibt. Wurde ein Gegner parteipolitisch bezeichnet, ritt Söder Attacken gegen Grünen-Vertreter wie Volker Beck, Claudia Roth oder Toni Hofreiter.

Nur einmal war die Rede von der SPD. Söder erzählte von seinem Aufwachsen in Nürnberg, das meist von Sozialdemokraten regiert wird. Der Nachbar, ein Gewerkschaftsfunktionär, habe ihm 1972 einen roten Pro-Brandt-Sticker angeheftet, worüber Söders Vater, Handwerker und CSU-Wähler, empört gewesen sei. Da habe ich gelernt: "SPD bedeutet Ärger", sagt Söder, fügte aber gleich hinzu, er hoffe, dem Puchheimer Bürgermeister nicht das Volksfest verdorben zu haben.

© SZ vom 08.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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