Proben in der Stadthalle:Germeringer Wohlklang für die Welt

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Die Stadthalle hilft Mariss Jansons und dem BR-Symphonieorchester aus einer Notlage. Weil sie in München keinen Ort zum Proben finden, bereiten sich die Musiker hier auf ihre Europa-Tournee vor. Die Gastgeber sind stolz und aufgeregt

Von Andreas Ostermeier

Es beginnt mit mehreren Paukenschlägen. Doch Maestro Mariss Jansons ist nicht zufrieden. Kurz erklärt er, wie er sich die Schläge vorstellt. Dann hebt die Probe ein zweites Mal an. Jetzt sind die Paukenschläge in Ordnung. Im Orlandosaal der Germeringer Stadthalle probt das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.

Dirigent Mariss Jansons und das BR-Symphonie-orchester proben in der Stadthalle von Germering. (Foto: Johannes Simon)

Es ist ein großes Orchester, in jedem Sinne: Mehr als hundert Musiker studieren Gustav Mahlers zweite Symphonie ein. Am Donnerstag wird noch ein Chor aus hundert Sängerinnen und Sängern dazukommen. Schon bei der Instrumentalprobe ist das Parkett des Orlandosaales voller Musiker, einige haben auf den Stuhlreihen Platz genommen, die üblicherweise im Parkett, heute jedoch auf der Bühne stehen.

Gerade erklärt Jansons, wie sich "Des Antonius von Padua Fischpredigt", ein Lied im dritten Satz der Symphonie, anhören soll. Eine melodische Linie möchte der Dirigent hören, so wie sich die Schwanzflosse eines Fisches im Wasser bewegt.

Medea Schmitt, die Leiterin der Stadthalle, sitzt währenddessen in ihrem Büro. Sie ist so aufgeregt, als müsste sie mit den Musikern auf der bevorstehenden Tournee auftreten, die das Symphonieorchester zu sämtlichen wichtigen Festivals in Europa führt. Schmitt hat eine Kurzbiografie über Jansons aus dem Internet ausgedruckt. Mit einem Farbstift hat sie dessen wichtigste berufliche Stationen ebenso markiert wie die Auszeichnungen, die der 1943 in Riga geborene Dirigent bereits erhalten hat.

Die Unterstreichungen machen deutlich, was für ein bedeutender Künstler noch bis Donnerstag in der Stadthalle zu Gast ist, "ein Weltstar", wie Schmitt sagt. Auch wenn Jansons und das BR-Orchester in der Stadthalle nur am Donnerstagmittag bei einer Probe öffentlich zu hören sein werden - Schmitt ist sich sicher: "Für uns ist das ein Aushängeschild."

In der Tat hat die Leiterin der Stadthalle dem großartigen Orchester aus der Patsche geholfen. Denn Jansons und seine Musiker haben momentan keinen Probenort in München. Der Herkulessaal in der Residenz, den sie ansonsten nutzen, steht nicht zur Verfügung, denn er muss umfassend saniert werden. Andere Säle sind zu klein oder bereits besetzt.

Stephan Gehmacher, der Manager des Orchesters, hielt deshalb Ausschau nach einem Saal außerhalb Münchens, der groß genug für die opulente Orchesterbesetzung ist und gleichzeitig auch eine Akustik besitzt, die den Ansprüchen von Jansons gerecht wird. Rasch sei klar geworden, dass diese Bedingungen nur in der Germeringer Stadthalle erfüllt würden, sagt Gehmacher. Schmitt steht neben ihm, als er das sagt, und strahlt.

Stolz ist auch im Auftreten von Oberbürgermeister Andreas Haas zu erkennen, als sich Jansons in einer Probenpause ins Goldene Buch der Stadt einträgt. Er danke für die Unterstützung bei der Vorbereitung der "wichtigen Tournee", schreibt der Chefdirigent des BR-Symphonieorchesters sowie des BR-Chores ins Buch. Er sei "zufrieden" mit den Arbeitsbedingungen, sagt er und nennt die Akustik untertreibend "nicht schlecht". Haas und Schmitt danken für die Ehre, die der Stadthalle durch die vier Probentage des Orchesters und seines Leiters zuteil werde.

Dann geht es schon wieder zurück in den Saal. Links hinten steht Markus Steckeler. Der Schlagzeuger wohnt in Germering. Er gehört dem künstlerischen Beirat des Symphonieorchesters an. Als solcher habe er "zu Germering geraten", als es um die Suche nach Ausweichräumlichkeiten gegangen sei, sagt er. Die Stadthalle hatte aber wohl noch einen Vorteil: Jansons hat hier im Jahr 2004 eine CD aufgenommen. Daran habe sich der Dirigent erinnert, als es um die Auswahl ging, sagt Gehmacher.

Im Saal gibt es nur Kunstlicht. Vor den Fensterfronten stehen die akustischen Wandelemente, die je nach Bedarf aufgestellt werden können. Sie sollen den Klang im Saal optimieren, den die mehr als 100 Streicher, Bläser und Schlagzeuger des Orchesters erzeugen. Am Rand des Parketts stehen große Transportkoffer, in denen die Musiker Instrumente, Noten, den Frack oder das Kleid für den Auftritt aufbewahren.

Daneben liegt ein Musikkoffer für ein Blasinstrument auf dem Boden. Er ist geöffnet. Auf der Innenseite des Deckels steckt das Foto eines Kindes - Erinnerung an Zuhause, wenn es bald auf Reisen geht. Erste Station ist am Freitag Saarbrücken. Dort präsentiert sich das Orchester zum Auftakt seiner Tournee mit der zweiten Mahler-Symphonie bei den dortigen Musikfestspielen. Tags darauf gastieren die Münchner beim Schleswig-Holstein Musik Festival.

Danach folgen unter anderem Auftritte in London, Edinburgh, Salzburg und Luzern. Gehmacher schwärmt bereits von der Royal Albert Hall in der britischen Hauptstadt. Innerhalb eines Tages seien sämtliche 5000 Sitzplatzkarten in der legendären Halle ausverkauft gewesen, erzählt er. "Mahlers Zweite dort, da kriege ich eine Gänsehaut", sagt Manager Gehmacher.

In Germering nutzen die Musiker aber nicht nur den Orlandosaal im Erdgeschoss. Ihnen stehen Räume in der ganzen Stadthalle zur Verfügung. Im Amadeussaal gibt es eine Cafeteria, kleine Räume stehen zum Üben oder Einspielen offen. Für das Proben einer Mahler-Symphonie ist es zudem wichtig, Türen zum Saal öffnen zu können, um von draußen die in der Partitur stehenden "Fernmusiken" zu vernehmen.

Doch nicht nur die "Auferstehungssymphonie" wird geprobt, auch Werke von Beethoven, Schostakowitsch und Tschaikowsky stehen auf dem Plan. Die Türen werden geschlossen, das Orchester setzt ein. Der letzte Blick fällt auf einen der Metallbehälter: "Europa '13" steht auf ihm.

© SZ vom 31.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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