Olching:Waffe, Werkzeug und Schmuck

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Die "Ehrmesser" von Peter Pfaffinger aus dem Chiemgau sind Statussymbole, die der Messermacher für Trachtler für unverzichtbar hält. (Foto: Günther Reger)

Messer sind mehr als nur ein Gebrauchsgegenstand, das wird bei einem Rundgang über die Fachmesse in Olching klar. Angeboten werden handgefertigte Exemplare aus hochwertigem Stahl und Griffen aus Mammutzahn-Scheiben, edlen Hölzern und Horn

Von Gerhard Eisenkolb, Olching

"Mancher schneidet mit dem Maul auf, ich nehme lieber das Messer." Sprüche wie diesen graviert Peter Pfaffinger aus Aschau im Chiemgau in die Klingen seiner "Ehrmesser" und "Fuhrmannsbestecke" ein, die er am Wochenende an seinem Stand bei den Messertagen im Olchinger Kom feilgeboten hat. Zu stattlichen Preisen, die zwischen 200 und 600 Euro liegen. Dafür bekommt der Käufer etwas Besonderes. Ein Statussymbol, wie es im 18. und 19. Jahrhundert für die Trachten von Männern im Oberland angeblich unverzichtbar war. Mit einer Klinge aus Stahl und einem Griff aus Horn und Silber. Der Griff aus dem schwarzen Horn wiederum ist mit Einlegearbeiten aus Perlmutt reich verziert. Dazu kommen bei den teueren Exemplaren noch Silberbeschläge.

Der Begriff Ehrmesse stammt laut Pfaffinger von Ehren. "Und ehren hieß früher schenken", sagt der ehemalige Zahntechniker, der im Alter von 50 Jahren genug davon hatte, täglich nach München zur Arbeit zu pendeln und sich in seinem Heimatort als Messermacher selbständig machte. Wie er beteuert, kann er von seinem Handwerk inzwischen gut leben.

Pfaffingers Ausstellungsstücke sind, wie alles, was im Kom feilgeboten wird, handgefertigt und aus edelsten, ausgesuchten Materialien nach Wünschen des Kunden angefertigt worden. Der Chiemgauer trägt die Sonntagstracht eines Handwerksmeisters aus dem 19. Jahrhundert. Messer, wie er sie fertigt, seien Teil der bayrischen Kultur, sie seien Waffe, Werkzeug und Schmuck in einem, beteuert er. Die Messer des Aschauers sind zwar alle "gebrauchsfertig". Zum Schneiden verwendet werden sie trotzdem kaum von jemandem. Das gilt auch für die "Fuhrmannsbestecke", zu denen neben dem Messer eine passende Gabel gehört sowie eine Minigabel für die Frau und ein Rundstahl zum Schärfen der Klinge. Das alles steckt in einem mit schwarzer Aal- oder Fischhaut überzogenen Köcher oder einer Scheide. Schon vor 150 Jahren waren diese Bestecke nicht wirklich Gebrauchsgegenstände, weil die Fuhrleute Messer und Gabel nur benutzten, wenn es Fleisch gab. Und Fleisch war damals noch ein Luxus, das einfachen Leuten nur selten aufgetischt wurde.

Das fachkundige Messepublikum besteht fast ausschließlich aus Männern. Es gibt Besucher, die das für "genetisch bedingt" halten. Schließlich sollte jeder Mann zumindest einmal im Leben ein eigenes Messer angefertigt haben. So jemand ist der Augsburger Wolfgang Riegel. Für den Kraftfahrzeugschlosser ist es Pflicht, wie er sagt, einmal im Jahr zu den Messertagen nach Olching zu kommen. Begonnen hat bei Riegel die Liebe zu Messern bei einem Volkshochschulkurs. Da er es versteht, mit Stahl zu arbeiten, war es für ihn kein Problem, selbst ein Messer anzufertigen. Sein Freund versteht etwas von Holz, er ist für die Griffe zuständig.

Umlagert sind die Händler, die kostbare Rohmaterialien zur Verarbeitung anbieten. Das sind einerseits die Klingenrohlinge, andererseits der Werkstoff für die Griffe. Angeboten werden Scheiben von Mammutzähnen aus Sibirien, wo infolge des Klimawandels die Tundra auftaut. Zwei Mammutzahnscheiben für eine Klinge kosten etwa 140 Euro. Bei einem Rundgang hat man den Eindruck, dass das Beste gerade gut genug ist. Es gibt Walrossknochen, fast versteinertes Wüstenholz vom Eisenholzbau aus Mexiko, Elfenbein, edle Hölzer aus aller Welt, Elefanten- oder Krokodilleder, Warzenschweinzähne, Rentier- oder Elchhorn. Sein Wunschmesser stellt sich der Sammler aus den ausgesuchten Materialien zusammen. Stahl ist nicht Stahl, das ist die Quintessenz vieler Fachgespräche an den Ständen. Der Organisator der Messertage, der pensionierte Ingenieur Erwin Schneller aus Olching, schwört auf schwedischen Chirurgenstahl. "Das ist das Beste, was es gibt", beteuert er. Der Schmied, der im Freien Klingen schmiedet, fachsimpelt mit einem Kunden über den Stahl von alten Kanonen. Und er zeigt auf ein Messer mit Kerben, mit dem er zum Spaß Nägel durchschlagen hat. Die Messer sollen schneiden, die Klinge federn. Wer mit ihnen hantiert, schneidet sich schon mal. Schneller hat sich in den Finger geschnitten, er trägt ein Pflaster. Das sei kein Problem. Schneller rät, die Schnittstelle zusammenzupressen und mit Sekundenkleber zuzukleben. Nach zwei Tagen sei alles verheilt. Den Tipp habe er von einem Arzt bekommen, beteuert der Olchinger.

© SZ vom 24.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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