Olching:Von Paradiesvögeln und Luftschlössern

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Olching, der Faschingszug und eine Königin für einen Tag. (Foto: Johannes Simon)

Der Olchiger Faschingszug versucht erneut zu beweisen, dass er der größte in Oberbayern ist. Immerhin zieht er nach offiziellen Schätzungen mehr als 25000 Besucher an. Die sehen imposante Motto-Wagen und witzige Fußgruppen durch die Stadt ziehen

Von Julia Bergmann, Olching

An einem blutigen Speer rotiert ein riesiger gerupfter Vogel über lodernden Flammen. "Wir haben gedacht, wir machen dieses Jahr etwas nettes" sagt Michael Böck vom Motorsport-Club Olching. " Etwas schönes, buntes", fügt Peter Hermann hinzu. Beide stehen sie grinsend in ihren Papageienkostümen da.

Die Querelen um den Vogelpark Olching hat sich der Motorsport-Club zum Thema seines Wagens beim Faschingszug Olching gemacht. Schön bunt ist der Wagen und wie bereits im Vorjahr gibt es den ein oder anderen technischen Kniff. Neben dem rotierenden Paradies-Grillhendl ist das ganz vorne auf dem Wagen der türkis-gelbe Papagei, der seine Schwingen sanft auf- und abfedern lässt. Unter ihm prangt schwarz auf weiß der Schriftzug "Ausgevögelt".

Mit seinem knallbunten Gesamtkunstwerk konnte der Motorsport-Club erneut

den ersten Platz unter den 27 teilnehmenden Wagen belegen. Nicht weniger auffällig, wenn auch monochromatisch, ist der zweitplatzierte Wagen des Schützenvereins "Frisch Auf Graßlfing". Gekleidet in zuckerlpinken Pailletten und Tüll stiert Angela Merkels Pappmaschee-Konterfei ins Publikum, einen silbernen Zauberstab in ihren Händen. "Unsere Welt soll rosa bleiben" lautet das Motto des Wagens. "Traumwelt" steht auf der Seite geschrieben, umrankt von Regenbögen, Einhörnern und Luftschlössern. Eskortiert wird der Wagen von pinkfarbenen Gestalten, darunter ein sanftrosa Häschen und etwas, das aussieht wie eine Plüsch-Mikrobe in Fuchsia.

Die Drittplatzierten, die "Faschingsfreunde Spechtranch" haben sich, was die Themenfindung angeht in diesem Jahr wieder auf Olching konzentriert und mit ihrem "Monte Schutti" die Geschichte des Volksfestplatzes in Pappmaschee gebannt. Gekleidet in signalgelben Schutzanzügen und ausgerüstet mit Atemschutzmasken, stehen die Mitglieder auf ihrem mobilen Schuttberg. Neben Totenkopf, Bagger und Müll wird der Wagen von Schriftzügen geziert. "1950: Schutt, Asbest und andere Reste", " 2016: Millionengrab" steht dort etwa.

Aber weit gefehlt, wer glaubt, die Faschingsfreunde würden sich nur aufs kritisieren beschränken. Am Ende gibt es von der Truppe auch noch einen konstruktiven Vorschlag: "2030: Eventpartyberg". Darunter das Gemälde eines Skifahrers.

Aus den vielen Lautsprechern dröhnen die Klassiker der Schlagerwelt, vereinen sich zu einer Dissonanz aus Wortfetzen, Bass und Ton, während die Wagen an der Bahnhofsunterführung in Richtung Horizont schleichen und aussehen, als drohe die Menschenmasse sie zu verschlingen.

Die Polizei geht davon aus, dass an diesem Faschingsdienstag mehr als 25 000 Besucher in die Olchinger Innenstadt gekommen sind, um den angeblich größten Faschingszug in Oberbayern mitzuerleben. Es dürften mehr Zuschauer sein als im vergangenen Jahr.

Die Stimmung auf dem 63. Olchinger Faschingszug ist ausgelassen, aufgeheizt, aber friedlich. Das bestätigen auch der Olchinger Polizeidienststellenleiter Hartwin Lang, der Pressesprecher der Feuerwehr Olching, Hans Beyer, und der Rettungsdienst-Einsatzleiter Michael Frieß. Einige kleinere Zwischenfälle habe es gegeben, aber nichts Dramatisches, so Lang. "In Olching ist es erfahrungsgemäß sehr ruhig", betont Frieß. Was nicht zuletzt an der guten Zusammenarbeit mit den Geschäften liege, die am Faschingsdienstag darauf verzichten, harte alkoholische Getränke abzugeben.

Während die Einsatzkräfte ihre Blicke über den Nöscherplatz schweifen lassen, feiern die Besucher ausgelassen weiter. Völlig entfesselt und begleitet vom passenden Schlagerhit, brüllen sich Löwe und Clown gegenseitig "Du hast den schönsten Arsch der Welt" in ihre puterroten Gesichter. Obszönitäten, wie sie nur in diesen Tagen zum guten Ton gehören.

Und während das Faschingskomitee wie üblich ganz offiziell die Sieger unter den Wagen und den teilnehmenden Fußgruppen - mit den "Ampernixen" und ihren "Paradiesvögeln" auf dem ersten Platz, gefolgt von den "Lady Gracha Gernlinden" und dem Weiberfasching Gernlinden - gibt es an diesem Tag auch die ungekrönten Sieger des Herzens. Allen voran diejenigen, die mit ihren Kostümen aus der Masse herausstehen.

Die Straße entlang zieht eine große Gruppe junger Männer. Allesamt haben sie ihre Haare mit grauer Farbe besprüht, karierte Hemden in ihre Cordhosen gesteckt, die von breiten Hosenträgern gehalten werden. In bester Altherrenmanier krächzen sie "Da schau her, die jungen Damen" hinüber zu einer Gruppe junger Raubtier-Mädchen, während sie gebeugten Ganges im Schneckentempo auf ihre Rollatoren gestützt um die Häuser ziehen. Eine Darbietung, so skurril, dass die Blicke der Besucher lange an dem Haufen kleben bleiben. Und während die flotten jungen Damen kichern, bleiben zwei ältere Herren im Publikum ein bisschen ungläubig stehen. Kopfschüttelnd, aber nicht ohne zu grinsen, gehen sie in die andere Richtung davon.

© SZ vom 10.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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