Olching:Ärgernis Seniorenticket

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Ulrich Fratton will erreichen, dass die Berechtigungskriterien für die Isarcard 60 angepasst werden. (Foto: Ulrich Fratton/oh)

Der Anwalt Ulrich Fratton klagt gegen die Münchner Verkehrsgesellschaft, weil sie eine vergünstigte Fahrkarte für Senioren ab 60 anbietet. Der 36-Jährige fühlt sich diskriminiert und will Schadenersatz

Von Julia Bergmann, Olching

Weil Ulrich Fratton sich durch das Ticketangebot der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) diskriminiert sieht, hat der Olchinger Rechtsanwalt Klage beim Amtsgericht München eingereicht. Grund für Frattons Klage ist die Isarcard 60, die es Senioren erlaubt, die öffentlichen Verkehrsmittel im MVV-Netz günstiger zu nutzen. Das einzige Kriterium für die berechtigte Nutzung der Karte ist das Erreichen der mit 60 Jahren festgelegten Altersgrenze. Das ist Frattons Meinung nach aber nicht zulässig. Er beruft sich dabei auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Außerdem gebe es genug Menschen, die mit 60 Jahren noch mitten im Berufsleben stünden und für die der Renteneintritt noch Jahre entfernt liege.

"Warum muss zum Beispiel eine Führungskraft mit entsprechendem Einkommen noch bis zu sieben Jahre lang von einem vergünstigtem Ticket profitieren", fragt er. Dem 36-Jährigen Olchinger geht es mit seiner Klage nicht darum, " arme Senioren um ihr Ticket zu bringen", wie er betont. "Ich finde, es gibt eine ganze Menge Menschen, die einen Bedarf hätten", erklärt er. Nur müssten die Bedürftigkeit anhand anderer Kriterien festgemacht werden. Etwa mit Hilfe von Rentenbescheiden oder Ähnlichem. Wäre die Isarcard 60 nicht für jeden Über-60-Jährigen gültig, sondern ein spezielles Angebot für Rentner, Pensionisten oder Menschen, die eine Erwerbsminderungsrente beziehen, hätte Fratton daran nichts auszusetzen.

Tatsächlich habe man ihm bei der MVG, die für die im MVV-Netz gültigen Tickets zuständig ist, aber gesagt, der Aufwand, die Bedürftigkeit auf diesem Weg zu prüfen, sei zu groß. Auf die Klage angesprochen, äußert sich MVG-Pressesprecher Matthias Korte mit Verwies auf das laufende Verfahren recht knapp. Er bestätigt, dass die MVG bereits beantragt hat, die Klage abzuweisen und erklärt, dass Fratton aus Sicht des Unternehmens kein Anspruch auf Entschädigung nach dem AGG wegen Altersdiskriminierung hat. Die Isarcard 60 verstoße nicht gegen das Diskriminierungsverbot, weil das Gesetz die unterschiedliche Behandlung verschiedener Personengruppen bei der Tarifstruktur erlaube, wenn dafür "sachliche Gründe" vorlägen, sagt Korte. Laut Gesetzesbegründung ist das der Fall, "wenn die Gruppen typischerweise weniger leistungsfähig sind oder die Vergünstigungen die gezielte Ansprache von Kundenkreisen bezweckt. Und das sei bei der Isarcard 60 der Fall.

Korte verweist außerdem auf zwei ähnliche Fälle aus anderen Städten, in denen das Gericht im Sinne der beklagten Verkehrsbetriebe entschieden hat. Deswegen meint Korte, dass auch die Klage des Olchinger Anwalts keine Aussicht auf Erfolg habe. Fratton ist freilich anderer Meinung. Die angeführten Fälle seien nämlich anders gelagert gewesen, erklärt er. Die jeweiligen Kläger hätten bereits vergünstigte Tickets, etwa Schülerkarten, genutzt. Sie hatten geklagt, weil ihre Sondertarife nicht genauso günstig waren, wie die Seniorentarife der jeweiligen Anbieter. Laut Fratton hatten die Gerichte entschieden, dass es sich in beiden Fällen nicht um Diskriminierung handelte, weil die Kläger ja ebenfalls von Vergünstigungen profitiert hatten. "Ich habe aber keine Möglichkeit, als Selbständiger ein vergünstigtes Ticket zu nutzen", sagt Fratton.

Er fordert von der MVG nun Schmerzensgeld wegen der Diskriminierung und Schadenersatz. Die Höhe des Schmerzensgeldes liegt im Ermessen des Gerichts. Falls es ihm zugesprochen wird, will Fratton den Betrag spenden. Der Schadenersatz belaufe sich Frattons Berechnungen zufolge in seinem Fall auf rund 260 Euro brutto pro Jahr. Dabei handelt es sich um die Differenz zwischen den ihm entstandenen Kosten und den Kosten, die er gehabt hätte, wenn er die Fahrten zu seiner Olchinger Kanzlei oder zu Münchner Gerichten mit dem vergünstigten Seniorentarif hätte antreten können. Die reguläre Isarcard, in seinem Fall gültig für acht Ringe, nutzt Fratton seit vielen Jahren im Abo.

"Man wird sehen, wie das Gericht entscheidet", sagt er. Fest steht, dass es zuvor keine mündliche Verhandlung geben wird. Einen Termin für die Urteilsverkündung gibt es bisher nicht. Allerdings könnte das Urteil, folgt das Gericht der Argumentation Frattons, großen Einfluss auf die derzeit ohnehin diskutierten Veränderungen in der MVV-Tarifstruktur haben.

© SZ vom 03.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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