Moorenweis:Schlechte Träume durch die EU

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Beim Stallrundgang: Klaus Buchner mit dem ÖDP-Kreisvorsitzendem Gunter Senf und Landwirt Johann Schamberger. (Foto: Günther Reger)

ÖDP-Europaabgeordneter Klaus Buchner besucht den Hof von Johann Schamberger in Moorenweis, um herauszufinden, wo die Bauern der Schuh drückt. Und um vor den Folgen von TTIP zu warnen

Von Erich C. Setzwein, Moorenweis

Am Freitagmorgen ist Johann Schamberger aus einem schlimmen Traum erwacht: Er hatte Gülle zur falschen Zeit ausgebracht und nun standen alle auf seinem Hof- die Kontrolleure und sogar die Presse. Ganz echten Medienvertretern steht er dann am Vormittag doch gegenüber, aber niemand kontrolliert am Freitag den Hof des Kreisvorsitzenden des Bundesverbands deutscher Milchviehhalter. Dafür besucht der Münchner Europaabgeordnete Klaus Buchner den Betrieb in Moorenweis, um aus der Praxis zu erfahren, welche Auswirkungen europäische Agrarpolitik hat und wie Lösungsmöglichkeiten der aktuellen Probleme aussehen.

"Es ist der pure Wahnsinn, nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen", erzählt Schamberger von seinen Erlebnissen und von seinem Traum. Denn für alles und vor alles hätten europäische Bürokraten Regeln und Riegel gesetzt, auch bei den Zeiten, in denen ein Landwirt Gülle auf seine Felder ausbringen dürfe. Buchner, früher Professor an der TU München und Abgeordneter der ÖDP im Brüsseler Parlament, nimmt die Erfahrungsberichte des Moorenweiser Landwirts zu Kenntnis und korrigiert: "Die Kommission macht die Gesetze, aber die Entwürfe dazu bekommt sie direkt von den Firmen, den Agrarlobbyisten." Sogar die Rechtschreibfehler der Vorlagen fänden sich dann in den Gesetzen - ein unguter Zustand, "gegen den wir vorgehen müssen", sagt der 74-Jährige. Die Gülle ist das eine Problem, für Johann Schamberger aber nicht das einzige. Der Milch-Bauer ist abhängig von einem kaum überschaubaren und kaum zu kontrollierenden Markt. Wenn er betriebswirtschaftlich rechne, komme er mit dem derzeitigen Milchpreis von 30 Cent nicht hin. 50 Cent für die konventionell hergestellte Milch sei das mindeste, die Bio-Bauern müssten 70 Cent verlangen, sagt Schamberger. Aber auf dem Spotmarkt koste die Milch 17 Cent, und diesen Preis hätten die Chefeinkäufer der großen Lebensmittelhändler Edeka, Aldi und Lidl genau im Blick. "Sie drücken den Preis, und das alles zum Wohle des Verbrauchers", sagt Schamberger bitter. Er teilt dem Europaabgeordneten auch seine Sorge mit, wohin das führen wird: "Wenn Lebensmittel nichts mehr wert sind, werden sie weggeworfen." Buchner fasst das so zusammen: "Es ist gewollt, dass die Kleinen eingehen und die Großen gestärkt werden."

Wer aber trägt die Schuld an der Misere der bäuerlichen Landwirtschaft? Klaus Buchner, der Mitglied in verschiedenen Ausschüssen des Parlaments ist, macht die Agrarlobby verantwortlich und die Schwäche des Europäischen Parlaments, selbst keine Gesetze ändern zu können. Wie schwierig die europäische Agrarpolitik zu gestalten ist, das versuchte Buchner anhand der laufenden Beratungen über die Freihandelsabkommen TTIP und Ceta zu erläutern. In Zukunft, so der Abgeordnete, werde man sich vor Billigprodukten aus den USA nicht mehr retten können - und damit meinte er die unter ganz anderen Bedingungen hergestellten Lebensmittel, wie etwa Milchprodukte. Auch eine andere Auswirkung der gegenseitigen Handelserleichterungen drohe auf deutschem Boden: Lebensmittelhändler könnten ohne Weiteres ihre Pläne für neue große Läden auch auf der grünen Wiese durchsetzen. Also noch mehr Discountware, noch mehr Lebensmittel zu Niedrigpreisen. Dass sich dagegen kleine Kommunen noch zur Wehr setzen können, bezweifelt der Münchner Politiker: "Eine Klage kostet schnell sechs Millionen Euro", warnte Buchner vor den juristischen Folgen.

© SZ vom 30.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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