Medizin:Engpass in der Notaufnahme

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Wegen langer Wartezeiten bei den Haus- und Fachärzten kommen zunehmend Patienten auch mit kleinen "Wehwehchen" wie einem verstauchten Finger in die Kreisklinik. Viele wissen gar nicht, dass es nebenan eine geeignetere Anlaufstelle gibt

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

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(Foto: Günther Reger)

In der benachbarten Bereitschaftspraxis testet der Brucker Hausarzt Rainer Ewers am Samstag eine Patientin, die über starke Halsschmerzen klagt, auf Scharlachbakterien.

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(Foto: Günther Reger)

Die Notaufnahme selbst soll schwerer verletzten Personen vorbehalten sein.

Immer häufiger müssen Krankenhausärzte den Job von Hausärzten machen. Dann etwa, wenn Menschen, die einen ordentlichen Kater oder einen verstauchten Finger haben, in die Notaufnahme kommen. Dabei verfügt Fürstenfeldbruck für solche Fälle über eine gut ausgestattete ärztliche Bereitschaftspraxis gleich um die Ecke und ist damit laut Krankenhausgesellschaft anderen Kliniken ohnehin schon eine Nase voraus.

Marcus Schlund, kaufmännischer Direktor der Kreisklinik, bestätigt das Problem, das sich mit einem bundesweiten Trend deckt. Auch in Bruck habe die Notaufnahme "in den letzten Jahren zunehmende Zahlen an ambulanten Patienten zu verzeichnen". Statistiken, die dies belegen, gibt es freilich nicht. Dennoch wird der Personalratsvorsitzende Holger Geißler deutlicher. Es sei schon auffällig, dass neben den Patienten mit echten gesundheitlichen Problemen immer mehr mit einem "kleinen Zipperlein" kommen - und das durchaus auch tagsüber, wenn der Hausarzt Sprechstunde hat. Dort aber müssen Patienten oft lange auf einen Termin warten oder stundenlang im Wartezimmer ausharren. Die Wartezeiten in der Brucker Ambulanz sind dagegen relativ gering, das macht es durchaus attraktiv, gleich das Krankenhaus anzusteuern. Die leichten Fälle behindern dann die Arbeit der Mediziner, die sich spätabends oder nachts in einer reduzierten Personalstärke um alle Besucher kümmern müssen. Augenscheinliche Bagatellfälle schnell abzuweisen, ist nicht so einfach - stellt sich das Problem nämlich später als doch ernsthafter als angenommen heraus, dann könnte dies für den Patienten fatale Folgen bedeuten und für den Arzt juristische Konsequenzen.

Im Kreiskrankenhaus haben laut Geißler zwei bis drei Chirurgen bis 20 Uhr Spätdienst und drei Internisten die ganze Nacht Dienst. Diese seien heute oft schon überlastet, müssen sie sich doch auch um die Intensivstation, die interne Station und Operationen kümmern. "Da wird's schon mal eng", sagt Geißler, von einem bloßen Bereitschaftsdienst früherer Prägung könne man längst nicht mehr reden. Für Geißler ist es eigentlich ein Unding, dass Lastwagenfahrer ganz akribisch ihre Ruhezeiten einhalten müssen, Ärzten aber achtstündiges Durcharbeiten zugemutet werde. "Das ist schon unverantwortlich." Der Personalratsvorsitzende rechnet vor, dass es bei diesen Arbeitsbedingungen in der Notaufnahme eigentlich zusätzlicher Stellen bedürfte. "Aber vier Leute mehr, das würde viel Geld kosten, und deswegen kriegen wir die natürlich nicht." Insgesamt schätzt Geißler den grundsätzlichen zusätzlichen Personalbedarf auf fünf bis zehn Stellen in Chirurgie und Innerer Medizin. Ähnlich sehe es in den meisten vergleichbaren Krankenhäusern aus.

Eduard Fuchshuber von der Bayerischen Krankenhausgesellschaft kennt solche Forderungen zur Genüge. Und er kennt den Ärger um den Missbrauch der Notaufnahmen: "Das ist bundesweit gerade ein Riesenthema." Im zurückliegenden Jahr sei das mit dem Einsetzen der Grippewelle besonders stark ins Bewusstsein gedrungen. "Im ganzen Bundesgebiet haben wir das Problem mit überfüllten Notaufnahmen. Und auch er teilt die Einschätzung vieler Fachleute und sieht die Gründe in langen Wartezeiten auf Termine bei Haus- und Fachärzten und schlicht in der "Bequemlichkeit" mancher Patienten.

Dabei gibt es für die ambulante Notfallversorgung, also für die nicht als so dringend geltenden Fälle, neben den ärztlichen Notdiensten auch die Bereitschaftspraxen. Für die ist die Kassenärztliche Vereinigung zuständig. Von den 110 Praxen, die mit Blick auf die bayernweit etwa 400 Kliniken als Mindestversorgung angesehen werden, sind bislang lediglich 70 in Betrieb. Fürstenfeldbruck hat nach Einschätzung Fuchshubers seine Hausaufgaben durchaus gemacht. Und die Zeiten der Bereitschaftspraxis, in der sich zwölf Ärzte nebst einem achtköpfigen Helferteam außerhalb der regulären Praxiszeiten abwechseln, können sich Fuchshuber zufolge durchaus sehen lassen: Lücken gibt es lediglich am Mittwochnachmittag, an dem die meisten Arztpraxen geschlossen sind, sowie nach 20 Uhr.

© SZ vom 16.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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