Mammendorf:Europa aus Sicht der CSU

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Zum kleinen Europa-Gipfel der CSU treffen sich im Mammendorf Bürgerhaus (von links): Irene Epple-Waigel, Theo Waigel, Elena Berger, Karin Staffler und Gerda Hasselfeldt. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Der ehemalige Finanzminister Theo Waigel und Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt diskutieren vor 100 Zuhörern im Bürgerhaus durchaus selbstkritisch über die Krise und die Zukunft der EU

Von Gerhard Eisenkolb, Mammendorf

Die Krise der Europäischen Union ist von Politikern mitverschuldet. Das ist eine der Erkenntnisse eines Zwiegesprächs zwischen der CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt und dem ehemaligen Finanzminister Theo Waigel (CSU) am Montagabend im Bürgerhaus in Mammendorf. Die andere lautet, es lohnt sich, für die Demokratie und die europäische Einheit zu kämpfen. Dazu müssen die Bürger aber wissen, was sie von Europa haben. Beides verlangt laut Hasselfeldt mehr Ehrlichkeit und weniger Populismus.

Die Brucker CSU-Wahlkreisabgeordnete bezeichnete es als "gefährlich", wenn Politiker das, was gut laufe, auf Bayern zurückführten. Und im gleichen Atemzug das, was nicht gut gelöst sei und länger brauche, als europäisches Problem be-zeichneten. So wird vermittelt: "Was von Europa kommt, ist nicht gut." Das bezeichnete Hasselfeldt als "unverantwortliche Stimmungsmache", ohne darauf einzugehen, dass dieser Populismus auch zum Repertoire der CSU gehört. "Wir müssen ehrlich mit den Menschen umgehen und nicht mit Unwahrheiten argumentieren." Diesen Schluss zog die Abgeordnete aus dem Brexit.

Waigel zeigte sich erfreut über die mehr als 100 Besucher, die am Mittwoch, einem tropischen Sommerabend, eine Europadiskussion in einem stickigen Saal dem Besuch eines Baggersees oder Biergartens vorzogen. Der ehemalige Finanzminister Kohls war an der Einführung des Euro maßgeblich beteiligt. Er kritisierte den Verstoß der Regierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder gegen die EU-Stabilitätskriterien und pochte darauf, diese künftig strikt einzuhalten. Wird gegen die Verträge verstoßen, könne die Währungsunion nicht auf Dauer bestehen.

Wichtiger war Waigel jedoch, auf die Vorteile der gemeinsamen Währung hinzuweisen, vor der der Exportweltmeister Deutschland am meisten profitiere. Und er erinnerte daran, dass in der Hälfte der Jahre der D-Mark-Zeit die Inflation höher ge-wesen sei als die Zinsen. Null- oder Negativzinsen seien also kein neues Phänomen, trotzdem sei es an der Zeit, dass die Europäische Zentralbank die Zinsen vorsichtig anhebe. Zur Transferunion merkte Waigel an, "wir haben einen Transfer über den Haushalt". So bekomme Polen im Jahr elf Milliarden Euro und Ungarn 5,5 Milliarden. Im Gegenzug dürfe man von diesen Ländern mehr Solidarität in der Flüchtlingsfrage erwarten. Die Publikumsfrage, wie die EU vorankommen könne, beantwortete der CSU-Politiker mit dem Hinweis, es müsse mehr zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit getan werden, notfalls mit deutschem Steuergeld. Diese Aussage verband der Gast mit der Frage: "Wo sollen die jungen Leute herkommen, die für Europa sind?"

Persönliche Erfahrungen brachten die Politiker ein, als sie über die Werte der EU sprachen. Beide verbanden mit dem Zusammenwachsen der Staaten Frieden und Freiheit für deren Bürger. Als Beispiel dafür, dass das nicht selbstverständlich ist, führte Waigel den Tod seines Bruders an. Dieser fiel im Zweiten Weltkrieg im Alter von 18 Jahren und ist mit 15 000 anderen auf einem französischen Soldatenfriedhof beigesetzt. Hasselfeldt berichtete gerührt von ihrem letzten Besuch im französischen Oradour, ihrer Annäherung an die dort lebenden Menschen und ihre Versuche, Vorurteile abzubauen. Oradour war am 10. Juni 1944 von Soldaten der SS zerstört worden. 642 Menschen starben. Männer wurden standrechtlich erschossen, Frauen und Kinder verbrannten bei lebendigem Leib in der Kirche. In Europa in Frieden zu leben und gemeinsame Werte zu teilen, bezeichnete Hasselfeldt als Riesengeschenk. An die Zuhörer appellierte sie: "Wir müssen diese Idee der Freiheit und Einigkeit Europas immer wieder zum Ausdruck bringen". Waigel beteuerte: "Es lohnt sich für die Demokratie zu kämpfen." Dazu gehöre es, auch am Stammtisch dagegen zu halten, wenn europakritische Äußerungen fallen.

Der Mammendorfer Altbürgermeister Hans Thurner stellte der Europa-Euphorie die Regelungswut der EU entgegen. Hasselfeldt und Waigel waren so ehrlich, darauf hinzuweisen, dass vieles, was in der EU reglementiert werde, auch auf die Initiative von Deutschland zurückgehe. Und sie verweisen auf die Überreglementierung auf Bundes- und Landesebene. Ihr Rat lautete. Die Union solle sich nur noch um wesentliche Dinge kümmern.

Als die CSU Waigel mit einem Korb voller Lebensmitteln dankte, menschelte es noch einmal an diesem Abend. Seine im Saal sitzende Frau, die ehemalige Ski-Rennläuferin Irene Epple-Waigel, sei Veganerin, merkte der Beschenkte erfreut an. Daher zähle bei ihm jedes Wurststück. Auch Waigels Sohn kam mit nach Mammendorf, schließlich ist er mit der stellvertretenden Ortsvorsitzenden Elena Berger liiert. Weshalb ihr die offizielle Begrüßung oblag.

© SZ vom 07.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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