Mammendorf:Euphorie in Rot

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Unter Sozis: Josef Heckl (Zweiter von links), Bürgermeister von Mammendorf, als Hausherr beim Neujahrsempfang mit den SPD-Politikern (von links) Michael Schrodi, Maria Noichl und Jürgen Cullmann. (Foto: Günther Reger)

Die Sozialdemokraten in der VG Mammendorf äußern beim Neujahrsempfang mit ihrer Europaabgeordneten Maria Noichl große Begeisterung über das neue Personal der Bundes-SPD

Von Manfred Amann, Mammendorf

Der Machtwechsel an der Spitze der Bundes-SPD von Sigmar Gabriel zu Martin Schulz hat bei den Sozialdemokraten im Landkreis offensichtlich einen Motivationsschub ausgelöst. "Was für eine tolle Woche, die Stimmung ist einfach super", rief der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Mammendorf, Jürgen Cullmann, am Donnerstag im Bürgerhaus seinen Genossen beim Neujahrsempfang zu, auf dem die Europa-Abgeordnete der Partei, Maria Noichl, über "Europa vor der Zerreißprobe" sprach und prophezeite, dass Europa, in welcher Form auch immer, weiterhin Bestand haben werde.

Zuvor verbreitete Cullmann noch Zuversicht, dass die SPD "unter den neuen Vorzeichen", mit einem guten Team und klaren Aussagen, wieder mehr Wähler werde erreichen können. Für den SPD-Wahlkreiskandidaten Michael Schrodi ist der designierte Kanzlerkandidat Schulz der richtige Mann - "kompetent, hart und klar in der Sache" -, der alles verkörpere, was die Sozialdemokratie ausmache: das Eintreten für soziale Gerechtigkeit, für soziale Sicherheit und gegen Rechts. Der Vorsitzende des Ortsvereins Maisach, Bernhard März, brachte in seinen Grußworten als Mitveranstalter sogar ein "Hoch auf Gabriel" aus, bevor er zum "europäischen Abend" überleitete. Doch "Josef kommt noch vor Maria", scherzte dann noch Mammendorfs Bürgermeister Josef Heckl, der "ohne rotes Parteibuch" als Hausherr etwa 60 Genossen und Interessierte begrüßte, um dann mit dem Hinweis, dass es zu Europa, dem größten Friedensprojekt der Neuzeit, kein Gegenmodell gebe, der Gastrednerin das Pult überließ.

90 Prozent der Weltbevölkerung würden gerne in Europa leben, "zu einer Zerreißprobe passt das eigentlich nicht", sagte Maria Noichl und rief dazu auf, nicht an dem zu verzweifeln, was wir nicht haben, sondern die Wertschätzung dessen in den Vordergrund zu rücken, was Europa ausmacht. Abspaltungstendenzen seien schon seit Jahren in vielen Regionen Europas erkennbar, der Brexit sei nur die Spitze, erklärte die Rosenheimerin und sprach sich dafür aus, den Ausstieg der Briten ernst zu nehmen, aber auch nicht zuzulassen, dass die Trennung durch Verträge "weichgespült" wird. "Scheidung ist Scheidung, wenn sich zwei Ehepartner trennen, dann kann der eine nachher auch nicht mehr zum anderen zum Kuscheln kommen", befand die 50-jährige Europaabgeordnete und warnte vor einem Domino-Effekt, der ausgelöst werden könnte, falls den Briten ein sanfter Ausstieg ermöglicht werde. Dass Europa vor einer Zerreißprobe steht, liegt laut Noichl auch an den seit Jahren erkennbaren Renationalisierungs- und Abschottungstendenzen vor allem in den Ländern im Osten. Um dagegen anzugehen, sei es unabdingbar, dass Europa mit aller Härte die Einhaltung der Bedingungen für eine Mitgliedschaft einfordere. Werte wie freie Presse, unabhängige Gerichte und freie Religionsausübung dürften nicht zur Disposition gestellt werden, um Nachbarstaaten bei Laune zu halten. Staaten, die unter dem Deckmantel der Demokratie den Beitritt geschafft hätten und wie Polen oder Ungarn nun wieder in alte Herrschaftsmuster zurückruderten, müsse die EU "eine klare Kante" zeigen. Am stärksten rüttele an Europa der Streit um die Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen. Der Deal mit der Türkei sei ein deutscher, die EU müsse sich aber dem Problem stellen. Auf keinen Fall dürfe man in den Fluchtländern den Eindruck erwecken, dass man Geld dafür bekomme, wenn man als Staat Flüchtlinge zurückhält oder gar zurücknimmt. "Wenn die Wirtschaftspolitik mehr kaputt macht, als durch Entwicklungshilfe aufgebaut wird, und wenn wir die Nordafrikaner nicht teilhaben lassen, dann werden sie kommen", warnte Noichl. Die frühere Landtagsabgeordnete zeigte sich aber zuversichtlich, dass die EU mangels Alternativen weiterhin Bestand haben werde - möglicherweise als EU der zwei Geschwindigkeiten. Um die Staatengemeinschaft fortzuentwickeln fordert sie einen europäischen "Konvent", der zu Fragen der Gerechtigkeit, Außen-, Sicherheits-, Wirtschaft- und Flüchtlingspolitik Lösungsstrategien erarbeitet.

© SZ vom 28.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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