Mammendorf:Abhängig von Konzernen und Welthandel

Lesezeit: 3 min

Johann Wörle (von links), Gabi Waldleitner und Walter Heidl gratulieren dem frisch gebackenen Landwirtschaftsmeister Sebastian Kirmair. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Beim Kreisbauerntag in Mammendorf erklärt Verbands-Präsident Walter Heidl, in welchem Spannungsverhältnis sich der Berufsstand derzeit befindet

Von Erich C. Setzwein, Mammendorf

Was der russische Präsident Putin mit der Kuhmilch eines Mammendorfer Landwirts zu tun hat, warum sich die Wahl von Donald Trump vielleicht auf die Bauern im Landkreis positiv auswirken könnte und wieso die Chinesen nicht mehr gierig nach Käse aus Bayern sind, das hat Bayerns Bauernpräsident Walter Heidl beim Kreisbauerntag am Mittwochabend in Mammendorf seinen Berufskollegen zu vermitteln versucht. Weil auch in der Landwirtschaft mittlerweile irgendwie alles mit allem zu tun hat, war es Heidl wichtig, einige aktuelle Eckpunkte zu Preisen für landwirtschaftliche Produkte, die gesetzlichen Auflagen wie auch die finanziellen Förderungen sowie die derzeit zur Verhandlung anstehenden Freihandelsabkommen anzusprechen und fachlich zu diskutieren.

Handelsabkommen

Ob es nun Heidl als Präsident des bayerischen Bauernverbandes (BBV) ist oder ein Milchbauer, Schweinezüchter oder Geflügelhalter im Landkreis - alle Landwirte machen sich Sorgen um das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA. "Es gibt rote Linien", warnte Heidl vor dem Aufweichen der deutschen Standards in der Landwirtschaft. Wenn diese Qualitätsstandards gefährdet sein sollten, solle man die Landwirtschaft lieber aus dem Abkommen nehmen, ist Heidls Meinung. Zwar gebe es seit 2012 ein ihm erst seit Neuestem bekanntes Abkommen zwischen den USA und der Europäischen Union, in dem sich die Vereinigten Staaten und Europa gegenseitig die jeweiligen Qualitätsstandards anerkennen würden, doch sei nicht sicher, ob das auch von TTIP so erfasst werde. Heidl lobte bei der öffentlichen Auseinandersetzung um das hinter verschlossenen Türen verhandelte Freihandelsabkommen die kritischen Verbraucher. Sie stünden auf der Seite der Erzeuger und würden Aufweichungen der Standards nicht zulassen. Aber vielleicht komme TTIP ja sowieso nicht, sagte Heidl, wenn der neue gewählte US-Präsident seine Ankündigung wahr mache und das Abkommen nicht schließen werde.

Für viel bedrohlicher für die bäuerliche Landwirtschaft hält Heidl die Verhandlungen über das Abkommen "Mercosur" mit dem südamerikanischen Staaten Argentinien und Brasilien. Die Auswirkungen würden wohl vor allem die Rinderzüchter durch die starke Konkurrenz zu spüren bekommen. Und auch das Handelsembargo mit Russland sei noch nicht ausgestanden. Weil die Milchlieferungen eingestellt worden seien, hätten die Bauern rund eine Milliarde Umsatz verloren. Der Handel mit China verliere an Schwung, deutsche Milchprodukte seien nicht mehr so gefragt.

Einzelhandel

Auf den Lebensmitteleinzelhandel und besonders die vier großen Player Edeka, Lidl, Aldi und Rewe ist Heidl gar nicht gut zu sprechen. Von seiner Meinung ließ er sich auch nicht durch einen Diskussionsbeitrag abbringen, die Händler als Partner zu sehen. Ganz das Gegenteil sei der Fall, erklärte Heidl darauf und nannte die Initiativen der Handelsketten und deren Werbung zum angeblichen Tierwohl. "Der Lebensmitteleinzelhandel will nur gut dastehen, es sind allein finanzielle Interessen." Er sprach von einem Schreiben, das Lidl an Bauern verschickt habe. Ein Fragebogen, in dem viele Details zur Tierhaltung abgefragt worden seien. Heidl erzählt belustigt, dass der BBV ebenfalls einen Fragebogen formuliert habe, unter anderem mit der Frage, ob die Angestellten genügend Raum hätten und regelmäßig ans Tageslicht kämen. Und selbst vor dem von Lidl abgefragten Thema "Klauenpflege" scheute sich Heidl nicht die Gegenfrage nach der Maniküre der Angestellten zu stellen.

Tierschutz

Anbinden oder frei laufen lassen - diese beiden Stallmodelle gibt es nach wie vor. Für Heidl aber wird sich zumindest die inzwischen viel kritisierte Anbindehaltung von Milchvieh ändern. "Seit drei Jahrzehnten halbiert sich alle zehn Jahre die Zahl der Milchviehhalter in Bayern. Das Problem löst sich also durch den Strukturwandel." Er, Heidl, lehne Fristen, in denen diese Art der Milchviehhaltung beendet werden sollte, ab und verwahrte sich davor "einen Teil der Kollegen in die Ecke zu stellen". Der BBV-Präsident, selbst Zuchtsauenhalter in Niederbayern, gab zu bedenken, dass auch die modernen Laufställe für Kühe nicht immer die beste Lösung seien: "Würde ich in einem Laufstall unter 120 Kühen eine Umfrage machen, wären 20 fürs Anbinden", behauptete Heidl und erläuterte, dass es sich um rangniedere Tiere handeln würde, die auf einer offenen Fläche benachteiligt würden.

Flächenverbrauch

Schon Kreisrat Michael Leonbacher, der für die Freien Wähler ein Grußwort sprach, versuchte die Landwirte für das Thema Flächenfraß zu sensibilisieren. Er benannte die Gefahren durch die mögliche Änderung des Landesentwicklungsplanes, Gewerbegebiete ohne Anbindung an Siedlungen zuzulassen. Also dort, wo landwirtschaftlich wertvolle Flächen liegen. Heidl ergänzte, dass täglich Flächen verloren gingen, sei es für neue Infrastrukturmaßnahmen, wie etwa Straßenbau, oder dadurch, dass bewirtschaftetes Land durch Förderprogramme dem Naturschutz zugeschlagen würde.

© SZ vom 17.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: