Maisach/Dohuk:Abruptes Ende einer Hilfsmission

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Damit hat Gottfried Obermair nicht gerechnet: Der Germerswanger Feuerwehrkommandant war in den Irak gereist, um Einheimische auszubilden. Doch bereits nach einem Tag muss er seinen Einsatz abbrechen

Von Ariane Lindenbach, Maisach/Dohuk

Noch bevor er mit der Schulung der kurdischen Feuerwehrmänner beginnt, passiert Gottfried Obermair im irakischen Dohuk etwas Unglaubliches: Als er die beiden über den Münchner Verein Orienthelfer gespendeten Feuerwehrfahrzeuge auf Vollständigkeit und Funktion prüft, den ersten Schlauch in die Hand nimmt, traut er seinen Augen nicht. "FF Germerswang" steht auf dem hellen Material. "Der erste Schlauch, den ich in die Hand nehme, kommt von mir", freut sich der langjährige Feuerwehrkommandant, als er eine gute Woche später wieder in Deutschland ist. Dazwischen liegen "wahnsinnig interessante" bis sehr aufregende Erlebnisse. Ausgerechnet während des für fünf Tage geplanten Aufenthalts in der autonomen Region Kurdistan im Irak fliegen keine Flugzeuge mehr in und aus dem Land, der Landweg wird vom Auswärtigen Amt nicht empfohlen. Für kurze Zeit weiß der 56-jährige Familienvater nicht, ob und wann er das Land wieder verlassen kann.

Es ist Obermairs erste Reise für den Verein. Mit dabei ist Hans Haslberger, Feuerwehrmann aus Gauting und als Orienthelfer mit ein paar Auslandseinsätzen schon ein alter Hase. Gemeinsam wollen sie den Einheimischen beibringen, wie man die deutschen Löschfahrzeuge bedient, pflegt und wartet. Auch der Kabarettist Christian Springer, Begründer der Orienthelfer, will nachkommen. Geplant ist, dass der Münchner am zweiten Tag zu der Schulung stößt. Während einer Pause will er mit seinen Helfern Haslberger und Obermair die zwei bereits in den Irak gebrachten Feuerwehrfahrzeuge offiziell an den Gouverneur von Dohuk übergeben. Doch diese Pläne werden durchkreuzt.

Gottfried Obermair (Bildmitte) erklärt den Feuerwehrkollegen in der autonomen Region Kurdistan den Umgang mit den gespendeten Löschfahrzeugen. (Foto: privat)

Weshalb die Feuerwehrfahrzeuge so wichtig sind, erklärt der im Maisacher Ortsteil Germerswang lebende Obermair so: "Dohuk hat 500 000 Einwohner, in den Flüchtlingslagern drum rum sind nochmal 500 000." Die leben in ein Dutzend Lagern, die Fahrzeuge der Dohuker Wehr würden zu lange brauchen, um bei einem Feuer schnell in den überwiegend aus Zelten bestehenden Behelfsstädten zu sein. Des weiteren müssen die gespendeten Feuerwehrfahrzeuge Wassertanks haben. Wasser gebe es in den Lagern selten und wenn, so Obermair, seien die Hydranten nicht kompatibel mit den Anschlüssen der deutschen Fahrzeuge. Diesmal - die Orienthelfer transportieren immer wieder ausrangierte Fahrzeuge in den Nahen Osten - sind es ein Tanklöschfahrzeug vom Typ TLF 16/25 mit 2500 Liter Wassertank aus Hofolding und ein Löschfahrzeug LF 16/10 mit 1200 Liter Wassertank der Freiwilligen Feuerwehr Greifenberg.

Auch wenn er wegen der überstürzten Abreise nicht mehr selbst ein Lager besuchen konnte, ist der Kreis- und Gemeinderat tief beeindruckt, wie gut organisiert die Unterstützung durch die Welthungerhilfe ist. "Die bauen da ganze Städte auf", dafür brauche es jedoch noch viel mehr Geld. Nach seinen Eindrücken dort ist er noch viel mehr als zuvor überzeugt davon, dass die effektivste Hilfe für die Flüchtlinge ist, ihre Situation in den Flüchtlingslagern zu verbessern.

Gottfried Obermair muss bereits nach einem Tag seinen Einsatz abbrechen. (Foto: privat)

Schon am ersten der für zwei Tage geplanten Schulung erfahren die Feuerwehrleute am frühen Nachmittag durch einen Anruf der Orienthelfer, dass es mit der Ausreise schwierig wird. "Da stehst du schon erstmal mit wackligen Beinen da", räumt Obermair ein. Bis dahin allerdings sei die Schulung "super gelaufen", die 20 Teilnehmer, die ihr Wissen an ihre Kameraden weitergeben sollen seien "wahnsinnig motiviert" gewesen. Die Grundlagen eines Löscheinsatzes mit der Aufteilung der Zuständigkeiten und allen Befehlen konnten die Teilnehmer bis dahin wenigstens einmal trainieren.

Als die beunruhigende Nachricht eintrifft, beenden die beiden die Schulung möglichst unauffällig. Vom Trainingsgelände fahren sie mit ihrem Fahrer zurück nach Dohuk ins Büro der Welthungerhilfe (WHH), die wiederum eng mit den Orienthelfern kooperiert.

In München sammeln derweil Springer und ein Mitarbeiter weitere Informationen über die Situation. Via Skype erfahren sie, dass der irakische Luftraum auf unbestimmte Zeit gesperrt ist, da Russland Angriffe auf Syrien fliegt. Während es aber aus München beziehungsweise vom Auswärtigen Amt heißt, von einer Ausreise über Land werde abgeraten, schätzen die WHH-Vertreter vor Ort die Lage anders ein. Die einstündige Fahrt an die irakisch-türkische Grenze und weiter nach Gaziantep sei sicher. Haslberger und Obermair entscheiden sich dafür und treten die Rückreise an mit von der WHH gestellten Fahrern.

Zurück in Maisach freut sich Obermair, "dass ich mit dabei sein durfte, dass ich helfen konnte". Er will auf jeden Fall die Orienthelfer weiter unterstützen, indem er ausrangierte Feuerwehr-Ausrüstungen auftreibt. So wie den Schlauch der Germerswanger Wehr, wegen dem er vor mehr als einem Jahr erstmals Kontakt zu den Orienthelfern aufgenommen hat.

© SZ vom 16.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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