Landkreis:Soul im Saal

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Ansteckende Art: Liz Howard, Sängerin und Kommunikationsexpertin aus München, bringt die Geschäftsleute und Politiker beim Wirtschaftsempfang zum gemeinsamen Singen. (Foto: Günther Reger)

Beim Wirtschaftsempfang legen die 250 Gäste ihre passive Rolle als Zuhörer ab und lassen sich von Kommunikationstrainerin Liz Howard zu einem Chor formen

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

So ausgelassen wie an diesem Abend geht es sonst nie im großen Sitzungssaal des Landratsamtes Fürstenfeldbruck zu. Für den Hausherrn, Landrat Thomas Karmasin, dürfte es einer der Momente sein, die er sich bei so mancher Kreistagssitzung wünscht. Alle sprechen mit einer Stimme und alle denselben Text, und abgestimmt wird mit rhythmischem Klatschen. Solche Wünsche, das weiß Karmasin nur zu gut, werden in seinem Politikerleben nicht mehr wahr. Doch es bleibt ihm zumindest das gute Gefühl, für den Wirtschaftsempfang des Landkreises den richtigen Gast eingeladen zu haben. Denn die, die Stimmung in den sonst so nüchternen Behördenbau bringt, ist die Sängerin, Kommunikationsexpertin und Autorin Liz Howard. Weil ihre Stimme ihr Business ist, leitet sie am Mittwochabend die fast 250 Gäste aus lokaler Wirtschaft und kommunaler Politik im Erfolg versprechenden Gebrauch der Stimme an. Und gesungen und geklatscht wird natürlich auch.

Es ist der Abend nach dem Wahltag in den USA, und selbstverständlich drehen sich die Gespräche vor dem Auftritt von Liz Howard wie auch nachher beim Büfett um das, was soeben dort passiert ist. Karmasin, ausgerechnet an diesem Mitsing-Abend nicht bestens bei Stimme, spricht auch kurz das Wahlergebnis an. Wie Harry Potter, der den, dessen Namen nicht genannt werden darf, nicht erwähnt, vermeidet auch Karmasin, den Namen des gewählten US-Präsidenten auszusprechen. Sein kurzer und trockener Kommentar zu all den Kommentaren der Verblüffung und Verwunderung in den realen wie den sozialen Medien lautet: "Man muss sich wundern, welche Kandidaten zur Wahl angetreten sind. Nach deutschen Vorstellungen gehörten beide verwahrt: der eine in der Psychiatrie, der andere im Gefängnis." Seine Überleitung zum Auftritt von Kommunikationstrainerin Howard dagegen ist etwas charmanter, wenn auch ebenso kurz: "Sie ist Amerikanerin, die passende Besetzung für den heutigen Tag.

Es dauert dann aber noch eine ganze Weile, bis die Zuhörer der Amerikanerin Howard - mit Wurzeln in Colorado und der neuen Heimat in München - auftauen und sich auf den von Michael "Mitch" Gumpinger am Klavier begleiteten Vortrag einlassen. Das Spielen mit den Vokalen, das Mund-rund-machen, das Igitt-igitt-Training und selbstverständlich das Atmen und noch mal atmen verlangt den Firmeninhabern nach einem langen Arbeitstag viel ab. Bei "Ahs" und "Ohs" machen sie mit, und die Männern müssen lernen, dass "Sänger die besten Küsser" seien. Der Männerchor hat's nach dem langen "Oh" mit dem leidenschaftlichen Kuss in die Luft am Schluss ganz gut drauf.

Während es aus dem Foyer des Service-Eis langsam die Düfte von Wildgeschnetzeltem, Rindsgulasch und Schnitzel, die der Olchinger Cateringservice Streller herrichtet, in den Sitzungssaal drückt, haben die Zuhörer längst ihre passive Rolle abgelegt und grooven mit Liz Howard. Ulrich Joachim Müller, Chef der Unternehmenskommunikation der Fürstenfeldbrucker Firma ESG darf ebenso wie die Gleichstellungsbeauftragte Annemarie Fischer, die Howard auf ihre Bühne holt, in Rollenspielen mitmachen und der ehemalige Kreishandwerksmeister Franz Höfelsauer einen jugendfreien Witz erzählen. Nach einem kurzweiligen Auftritt und einer Zugabe mit dem gemeinsam gesungenen "Time After Time" von Cyndi Lauper ist das Publikum gelöst genug, im weiteren Abend bei Gesprächen und einem opulenten Imbiss dem Netzwerken nachzukommen - oder einfach nur ein bisserl zu ratschen.

Auch Landrat Karmasin kann trotz starker Heiserkeit noch kommunizieren und hilft Stimmbändern und Rachen mit einer medizinischen Dosis italienischen Rotweins beim Heilen. Über den, der an diesem Abend auch beim Wirtschaftsempfang in Fürstenfeldbruck in aller Munde ist und über dessen künftiges Wirken sich viele aufregen, verliert Karmasin aber kein Wort mehr.

© SZ vom 11.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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