Kunst:Die Natur des Urbanen

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In ihrer Ausstellung "Schwarzplan" im Haus 10 setzten sich die Künstler Albert Lohr und Stefan Scherer mit dem auseinander, was sie am meisten geprägt hat - der Stadt. Dabei verfolgen sie völlig unterschiedliche Ansätze und schaffen doch ein rundes Ganzes

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

Die Liebe zur Grafik, zur Linie, zum Schwarz-weißen ist den beiden Künstlern Albert Lohr und Stefan Scherer gemein. Sie ist der Antrieb, der letztendlich zur Ausstellung "Schwarzplan" in der Kulturwerkstatt Haus 10 geführt hat. Eine Ausstellung, die Grafik und Malerei vereint, die deren Gegensätzlichkeit auf der einen und deren Gemeinsamkeit auf der anderen Seite unterstreicht. Aber viel mehr als das, ist "Schwarzplan" eine Ausstellung, die von der dem erzählt, was die beiden Künstler am meisten geprägt hat: die Stadt. Die Werke der beiden Künstler setzen sich auf abstrakte Weise mit den Elementen urbanen Lebens auseinander.

Albert Lohrs grafische Werke sind unter anderem von fernöstlichen Kulturen inspiriert. (Foto: Günther Reger)

So etwa die grafischen Stücke des Münchner Künstlers Lohrs, die als Spiel mit dem Linolschnitt, teilweise zerschnitten und versetzt, an Schwarzpläne erinnert, wie man sie aus der Architektur kennt. Also diejenigen Ausschnitte, die in ihrer reduzierten schwarz-weißen Darstellung lediglich zwischen der bebauten und unbebauten Fläche einer Stadt unterscheidet. Gleichsam bilden Lohrs Werke Raster, die wie stark verpixelte, ausschnitthafte Motive anmuten. Lohr spielt mit den bestimmenden Elementen der Grafik, mit der Linie, den Rastern und Punkten, er bricht sie, setzt sie neu zusammen und überlagert sie, lässt Farbschlieren einmal horizontal, einmal vertikal über Leinwände rinnen und so Farbflächen und kleine figurative Elemente entstehen. "Im Grunde ist es der Malerei sehr ähnlich", sagt Lohr und weist auf eines der Gemälde von Stefan Scherer.

Die Grafiken des Münchner Künstlers Lohr erinnern an Schwarzpläne, wie es sie in der Architektur gibt. (Foto: Günther Reger)

Kraftvoll zieht sich die tiefschwarze Farbe in groben Pinselstrichen über den Grund, der vom unbefleckten Weiß über ein zart verwaschenes Gelb ins kräftige Ocker führt. Es ist keine Leinwand, die die Farben trägt, es sind Aluminium-Druckplatten, die irgendwann einmal der Herstellung eines Kataloges gedient haben. Auchdarauf finden sich Überlagerung, Farbflächen, Grafisches. Mit einem Unterschied: während die Grafiken in ihrer Struktur akkurater, klarer und begrenzter sind, zeigt sich hier die Eigenschaft der Farbe, die sich ausbreitet, flüssig ist, amorphe Züge trägt. "Das Motiv soll möglichst zufällig und beiläufig daherkommen", erklärt Stefan Scherer, der ursprünglich aus Westfalen kommt und heute in Wasserburg lebt. Durch die Farbe schimmern an einigen Stellen noch die alten Werbeschriften, einen Großteil davon hat die Farbe verschluckt. Inspiration ist auch bei diesem Werk die "urbane Natur", wie Scherer sich ausdrückt. Sein Großformat erinnert abstrakt an Graffito wie man sie üblicherweise in den Städten finden kann.

Stefan Scherers Abstrakte Malerei erzählt ewa von den Graffitti einer Großstadt. (Foto: Günther Reger)

Anders als der Name der Ausstellung vermuten lässt, finden sich in den Bildern auch Farbakzente wieder. Bei Scherer sind es bis auf eine Ausnahme geweißte Töne, die in ihrer Verblichenheit wirken, als hätte die Patina an ihnen genagt. "Ohne den Weißanteil käme es direkter. Andererseits heben sich ungebrochenen Farben gegenseitig auf", meint er. Und dann, die Ausnahme: Ein Großformat in Signalrot, das einen Untergrund aus dezenterem Rost überdeckt. Geschuldet ist "die Ausnahme" Scherers Zeit in Hamburg. Von seiner Wohnung aus fiel sein erster Blick am Morgen auf die großen Frachter, deren rostroter Anstrich im Trockendock abgetragen wurde und ein sattes grelles Rot frei gab.

An der gegenüberliegenden Wand hängt Lohrs Grafik, die mit arabesken Ornamenten spielt. Auch hier finden sich Brüche und Überlagerungen. Und in der Wiederkehr des Einzelmotivs zeigt sich Lohrs Begeisterung für die Reproduktion. Ein Thema, das sich auch in seiner Totenschädelgrafik namens "Clo(w)neing" wiederfindet. "Von der Reproduktion zu Kunst, bis hin zum Klonen des Menschen ist es gedanklich nur ein kleiner Schritt", sagt der Künstler. Ein Gedanke der ethisch ganz anders zu bewerten sei, mit dem zu spielen die Kunst aber erlaube. "Aber bitte nicht zu ernst nehmen", fügt Lohr hinzu. Ein anderes seiner Werke greift die arabesken Muster erneut auf und vereint sie mit hellenistischen Motiven. Lohr vereint somit die östliche und westliche Welt in einer Grafik und bringt die Spannung zweier Kulturen zum Ausdruck, die sich einst gegenseitig befruchtet haben, die sich heute aber wieder gegenseitig bekriegen.

Während Lohrs Arbeiten von eleganter Klarheit geprägt, konzepthaft gestaltet sind und Strukturen bis in mikroskopische Dimensionen treiben, leben Scherers Bilder von ihrer Flächigkeit, der Farbgebung und ihrer Emotionalität. Eine Ausstellung, die in ihrer Gegensätzlichkeit ein rundes Ganzes bildet.

Die Ausstellung "Schwarzplan" wird am Freitag, 4. September, um 19.30 Uhr in der Kulturwerkstatt Haus 10 im Kloster Fürstenfeldbruck eröffnet. Sie kann bis zum 20. September jeweils freitags von 16 bis 18 Uhr und samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr besichtigt werden.

© SZ vom 03.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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