Han's Klaffl auf dem Olchinger Volksfest:Die Abgründe der Schulfamilie

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Hans Klaffl hat einen Stapel Schulaufgaben mit auf die Bühne gebracht. Die muss er noch korrigieren, was ihn zur Verzweiflung und das Publikum im Olchinger Festzelt zum Lachen bringt. (Foto: Günther Reger)

Der Kabarettist ist zu Gast im Festzelt und beweist den 600 Zuhörern vor allem eines: Bei aller Tragik kann Schule auch lustig sein. Das Publikum erinnert sich gerne daran und lacht Tränen

Von Julia Bergmann, Olching

Der Mann mit dem Silberhaar steht vor einem dunklen Holzsekretär, darauf liegt ein Stapel Schulaufgaben. In seinem Gesicht: die schiere Verzweiflung. Der Mann ist der Kabarettist Han's Klaffl, er ist zu Gast im Olchinger Festzelt und präsentiert sein Programm "40 Jahre Ferien - ein Lehrer packt ein". Mehr als 600 Besucher starren gebannt auf die Bühne, während Klaffl sich durch den Papierstapel kämpft. "Der schreibt sogar seinen Namen falsch", ruft er. Einen Papierbogen weiter: "So ein Hirnschwurbel." Angesichts der kognitiven Totalausfälle einer ganzen Schulklasse hilft nur noch eines: Klaffl greift zur Flasche und schenkt einen großzügigen Schluck Wein nach.

Klaffl spielt mit den Klischees, jammert und moniert, ächzt und stöhnt. Schon in der ersten Nummer ballert Klaffl mit Reizwörtern und unfreiwilliger Komik aus dem Schulalltag nur so um sich. Da wäre der Schüler, der Rhythmus mit Ü schreibt und am Ende wieder feilschen wird ("Vielleicht noch 'nen halben Punkt, Alter!"), die Resignation des Alt-Lehrers, dem als einziger Lichtblick die Flucht in die Weinseligkeit bleibt und der Legastheniker, der - Überraschung! - als einziger die Hürde gepackt und Rhythmus richtig geschrieben hat. Thematisch alles schon da gewesen, aber so wie Klaffl es spielt, wie er blitzschnell in die Rollen anderer springt, wie er seine Stirn in Furchen legt und seine Hände verzweifelt in die Höhe reißt, ist es brillant. Klaffl leidet so herrlich, dass vor Lachen die Tränen kullern, dass das aufgedrehte Kreischen ungehindert aus den Kehlen des Publikums fährt. Da werden Hände auf Tischplatten geschlagen und da wird sich im Festzelt schüttelnd am Biertisch festgeklammert.

Spätestens als Klaffl durch die Typologie der Lehrerkollegen führt , hat er das Publikum auf seiner Seite. Praktisch in jedem Kollegium gibt es die vier Lehrer-Grundtypen, daran hat sich auch nach Jahrzehnten nichts geändert: da wäre der Typ A, der Sedlmeier, der, egal was passiert, immer nur ein gleichgültiges "Pffft! Mir is' ja wurscht" beizusteuern hat. Ein Brief aus dem Ministerium? Der Sedlmeier hat schon ganz andere Dinge ausgesessen. Der Gütlich, Typ B, "vom Typ her meistens eine Frau" ist der klassische Bedenkenträger. Die Demut und der mangelnde Selbstwert lassen ihn leicht gebückt daher kommen, seine Hände sind stets abwägend zur Raute geformt. Typ C, der Gmeinwieser, ist ein Choleriker, der Sprüche vom Stapel lässt, so derb, dass es dem grobschlächtigsten Kesselflicker die Schamesröte ins Gesicht treiben würde.

Übrig bleibt nur der Typ D, Gregorius, sozusagen des Gmeinwiesers Antagonist. "Der lehrt alte Sprachen und - ganz alte Sprachen", führt Klaffl aus. Das Publikum hat mittlerweile die Phase der Euphorie erreicht, in der ein Blick Klaffls genügt, Lachsalven auszulösen. Eine Gabe, die so manchem Kabarettisten nur in seinen kühnsten Träumen vorbehalten bleibt - Han's Klaffl besitzt sie ohne jeden Zweifel.

Wer seinem Auftritt beiwohnt, darf sich sicher sein, dass niemand ungeschoren davonkommt. Nicht die Schüler, nicht die Lehrer, nicht die Eltern und schon gar nicht die Mitarbeiter des Ministeriums, die, da ist sich Kabarettist sicher, den ganzen Tag über in irgendwelchen Kellerräumen sitzen und auf hohem Niveau Däumchen drehen. Das wäre nicht weiter schlimm, käme nicht irgendwann der Zeitpunkt, in dem der Ministerialbeamte anfangen würde, nachzudenken. Etwa darüber, wie die Lehrer ihren Job machen müssen. Ärgerlich, aber einen Vorteil müsse man ihm lassen: "Er wird dabei ja von keiner Sachkenntnis behindert."

Ein Faktum, bei dem Klaffl ins Erinnern kommt. Ein bisschen sei die Situation vergleichbar mit dem Sexualkundeunterricht beim katholischen Pfarrer in der 12. Klasse. "Da kommt der Theoretiker, haben wir immer gesagt", erzählt er. "Das war natürlich falsch. Das hat sich erst viel später herausgestellt."

Großartig sind auch die musikalischen Einlagen Klaffls an Keybord und Kontrabass - mitunter an beiden Instrumente in einem Stück - was freilich nur dann gelingen kann, wenn das Publikum die Übergänge zwischen dem Instrumentenwechsel singend überbrückt. Dinge wie diese klappen nicht immer. Sie scheitern oft allein schon an der mangelnden Beteiligung der Anwesenden. Zum Glück weiß der Kabarettist Abhilfe. Mit jahrzehntelanger Erfahrung als Musiklehrer wäre es doch gelacht, wenn er bei seinen Motivationsversuchen nicht den richtigen Ton treffen würde. "Das fließt alles in die mündlichen Noten mit ein. Nicht, dass es bei der Zeugnisvergabe wieder heißt: Das haben wir nicht gewusst!" Das Publikum, das Schulalter liegt beim Großteil schon ein paar Jährchen zurück, braucht keine zweite Warnung. Das mit dem Singen klappt jetzt.

Zu Harry Valentinos "Im Wagen vor mir" singt Klaffl von den Gedanken, die Eltern und Lehrer im Gespräch miteinander wirklich umtreiben, wenn sie verklausulierte Höflichkeiten austauschen. Zu Queens "Another one bites the dust" trällert er sich die Höllenqualen, die eine Lehrerkonferenz mit sich bringt, von der Seele. Über jene Veranstaltungen also, die so spannend sind, wie "einer Farbe beim Trocknen zuzusehen". Und er sinniert zu Little Willie Johns "Fever" darüber "ob wir früher auch so deppert waren". Klaffl outet sich dabei als Virtuose auf der Klaviatur menschlicher Abgründe und Verschrobenheiten. Nach 40 Jahren währender Feldforschung kann Klaffl das. Egal ob es um ADS, bewegliche Ferientage oder das dicke Make-up der Schülerinnen geht, das ohne Weiteres die "Verlegung der Kopfhörerkabel im Unterputz" erlaubt. Kurzum: Das jemand wie Klaffl seine Show auf dem Olchinger Volksfest zum Besten gibt, ist eine wahre Bereicherung für das Programm und vor allem den Einsatz des Organisators und Volksfestreferenten Andreas Hörl zu verdanken.

© SZ vom 02.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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