Internationaler Frauentag:600 Hilferufe

Lesezeit: 3 min

Die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt, die sich Jahr für Jahr bei der Hotline des Fürstenfeldbrucker Vereins Frauen helfen Frauen melden, bleibt auf hohem Niveau. Oftmals sind die Lebenspartner die Täter

Von Ekaterina Kel, Fürstenfeldbruck

Der Schutz der Frauen vor häuslicher Gewalt ist weiterhin dringend notwendig. Daran erinnert der Verein Frauen helfen Frauen mit Blick auf seine Arbeit des vergangenen Jahres. "Gewalt gegen Frauen ist im Landkreis Fürstenfeldbruck ein drängendes Problem", heißt es in dem Bericht über das Jahr 2017. Anlässlich des Internationalen Frauentags an diesem Donnerstag zieht der Verein Bilanz.

Die signifikanteste Zahl lautet 574. So viele Frauen haben sich im vergangenen Jahr an den Frauennotruf gewandt. Diese Angabe entspreche dem Durchschnitt. Jedes Jahr seien es etwa um die 600 Frauen, die beim Verein Hilfe suchten, sagt Adina Schnabel von Frauen helfen Frauen. Die meisten rufen an, weil sie körperliche Gewalt von ihren Partnern erfahren haben. Sexualisierte Gewalt und Stalking nennt sie als weitere oft genannte Gründe für die Anrufe. Meistens seien es verheiratete oder in Beziehung lebende Frauen, die von ihren männlichen Partnern bedrängt, vergewaltigt oder in irgendeiner anderen Art und Weise körperlich oder psychisch verletzt worden seien. Zusätzlich waren vergangenes Jahr rund 170 Kinder im Landkreis ebenfalls von der häuslichen Gewalt betroffen. Auch wenn sie im selben Haushalt leben, ohne selbst Opfer geworden zu sein, zählt der Verein sie dazu. Oft sind die Kinder Zeugen der Gewalt und müssen gemeinsam mit ihren Müttern das Haus verlassen.

Der Frauennotruf ist eine Telefonnummer, die Frauen zu jeder Uhrzeit wählen können, wenn sie Opfer häuslicher Gewalt geworden sind. Auch Angehörige oder Freunde, die helfen wollen, können so beraten werden. In der Zentrale sitzen zwei hauptamtliche Mitarbeiterinnen. Die Zeit, in der sie keinen Dienst haben, vor allem nachts, wird von insgesamt 18 ehrenamtlichen Helferinnen abgedeckt. "Ohne sie würde die Arbeit, die wir machen, nicht funktionieren", sagt Schnabel.

Die Betroffenen werden nach einem ersten beratenden Gespräch weitervermittelt - an die Polizei, zur psychologischen Beratung oder auch ins Frauenhaus. Das ist eine weitere zentrale Einrichtung des Vereins. Dort können die Frauen, die akut bedroht sind, sicher unterkommen. Die genaue Lage des Hauses wird nicht öffentlich gemacht, um die aus ihren Häusern geflüchteten Frauen zu schützen. Das Frauenhaus des Fürstenfeldbrucker Vereins hat sechs Plätze für Frauen, dazu sieben Plätze für Kinder. "Es ist eigentlich immer voll", sagt Schnabel. Falls mehr als sechs Frauen Unterschlupf benötigen, muss der Verein auf andere Orte in Bayern ausweichen und die Frauen in einem Frauenhaus in einer anderen Stadt unterbringen. "Wir sind gut vernetzt", so Schnabel.

Normalerweise werde die Verweildauer in solchen Frauenhäusern mit einem halben Jahr angegeben, sagt Schnabel. "Aber das ist in der Regel illusorisch." Denn um aus dem Frauenhaus herauszukommen, benötigen die Frauen sicheren, bezahlbaren Wohnraum. Und den gibt es im Landkreis so gut wie gar nicht. "Frauen bleiben häufig in gewaltvollen Beziehungen, da sie selbst oder ihr (Ex-)Partner keinen anderen Wohnraum finden", heißt es in der Jahresbilanz. Die Förderung von sozialem Wohnungsbau sei daher nicht zuletzt eine unerlässliche Maßnahme, um Frauen vor Gewalt zu schützen, heißt es dort weiter. "Die Wohnungssuche ist ein Geduldsspiel. Die Situation spitzt sich weiter zu", so Schnabel.

Eine andere Möglichkeit ist es, in die Situation einzugreifen, wenn noch nicht das Schlimmste geschehen ist. Dafür hat der Verein die Interventionsstelle für Opfer häuslicher Gewalt eingerichtet, die eng mit der Polizei im Landkreis zusammenarbeitet. Sobald es einen Einsatz der Polizei gibt und sich Hinweise auf häusliche Gewalt feststellen lassen, werden die Frauen von der Polizei auf die Interventionsstelle aufmerksam gemacht. Wenn Kontakt gewünscht ist, geht die Mitarbeiterin aktiv auf die Betroffenen zu und bietet Beratung und Hilfe an. Im vergangenen Jahr hat der Verein auf diese Weise weitere 65 Betroffene häuslicher Gewalt unterstützt. Laut Angaben aus der Jahresbilanz wurden 49 dieser Fälle von der Polizei vermittelt und vier vom Jugendamt.

Trotz des Engagements vieler Frauen sei die personelle Ausstattung der Beratungsstellen nicht ausreichend, lautet die Bilanz. "Vieles lastet auf ehrenamtlichen Schultern." Außerdem könnten weitere Angebote, wie eine gezielte Präventionsarbeit oder psychosoziale Prozessbegleitung bei Gericht, nicht angeboten werden, weil öffentliche Gelder zu knapp bemessen sind. "Da ist politisch viel in Bewegung. Aber es reicht noch immer nicht", sagt Schnabel. Trotzdem freut sich Schnabel, dass das Thema der häuslichen Gewalt kein absolutes Tabu mehr ist. Es werde mittlerweile mehr darüber gesprochen - und das sei sehr wichtig. Denn "es wird nicht rückläufig werden", sagt sie.

© SZ vom 08.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: